26.04.2024

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08.02.03 / Mit dem Pastor nach Masuren

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08.Februar 2003


Mit dem Pastor nach Masuren
"Altes sehen, Neues entdecken, Brücken der Freundschaft bauen" - eine Reise mit kirchlichem Schwerpunkt

Altes sehen, Neues entdecken und Brücken der Freundschaft bauen" - unter diesem Motto fand die alljährliche zwölftägige Studienfahrt nach Masuren unter der Leitung von Pastor Fryderyk Tegler und Brigitte Jaschik aus Adendorf statt. Ziel der 44 Teilnehmer zählenden Gruppe aus der Lüneburger Heide war des Pastors Heimatstadt Sensburg, im Herzen Masurens. Von dort aus fanden alle Tagesfahrten und Besichtigungen statt.

Die erste Station auf der Hinfahrt war Eichenbrück, die Partnerstadt von Adendorf, wo auch die Ratsfrauen und -herren aus Markstädt, der Scharnebecker Partnergemeinde, hinzukamen. Es wurde ein fröhliches und tiefsinniges Fest mit gutem polnischen Essen und Trinken sowie gemeinsamem Gesang deutscher und polnischer Lieder gefeiert.

Ein besonderer Höhepunkt des Abends war eine Dichterlesung von Jolanta Nowak-Wenklarowa, einer Studienrätin am Eichenbrücker Gymnasium, deren über 20 Gedichtbände inzwischen in zwölf Sprachen übersetzt wurden.

Am nächsten Tag fand eine Stadtbesichtigung statt. Und der katholische Stadtpfarrer Jan Borowiak, mit dem Pastor Tegler im Mai 2001 die Gedenktafel für die im Januar 1945 ermordeten 97 Deutschen an der ehemaligen evangelischen Kirche festlich enthüllt hatte, lud die Gruppe zur Besichtigung der wunderschönen Stadtkirche und des neu restaurierten, ehemaligen Zister- zienserklosters ein. Die Reisegruppe dankte mit einer großzügigen Kollekte.

Inzwischen wartete Pastor Jerzy Molin in Thorn, mit dem Pastor Tegler in Warschau studiert hatte, auf die Reisegruppe aus der Lüneburger Heide. Er besorgte eine fachkundige Stadtführerin, die Ehefrau eines orthodoxen Priesters aus Thorn, die der Gruppe die Schönheit der Kopernikus-Stadt zeigte, von der die Teilnehmer sehr begeistert waren.

Auf der Fahrt über Osterode und Allenstein nach Sensburg wurde an der Grenze zwischen Ermland und Masuren, im Wald am Ufer des Daddai-Sees, wie bei jeder Fahrt, eine Abendandacht gehalten.

Im Hotel "Oscar & Panoramix", wo die Gruppe seit mehreren Jahren Unterkunft gefunden hat, wurden die Reisenden von der Stadtdirektorin Jadwiga Osiecka und deren Ehemann Julian Osiecki herzlich empfangen. Jeder bekam das gewünschte Zimmer mit dem wunderschönen Blick auf den Schloßsee. Von dort aus fanden in den folgenden Tagen Ausflüge mit Besichtigungen statt, nach Allenstein, Hohenstein, Rastenburg, Rössel, Heiligelinde, Lötzen, Rhein, Groß Sterlack, Steinort, Sondern, Eckerstorf, Lyck, Ukta, Kruttinnen und vielen anderen sehenswerten Orten in Masuren sowie zur "Wolfsschanze", Adolf Hitlers Hauptquartier in den Jahren 1941 bis 1944.

Zu den Höhepunkten gehörten der Besuch des Geburtshauses von Ernst Wichert mit einer Dichterlesung sowie die Andacht an den Gräbern seiner Frau Meta und des Sohnes Ernst Edgar, eine Kutschfahrt mit Lagerfeuer und einer masurischen Hochzeit, die Schiffahrt von Niedersee nach Nikolaiken, Besuche der polnischen Akademie der Wissenschaften in Rechenberg, im masurischen "Garten Eden" am Beldahnsee und im masurischen Naturpark in der Johannisburger Heide, die nächtliche Lampion-Stakerfahrt mit Christinna auf der Kruttinna, dem schönsten Fluß Ostpreußens, sowie eine Andacht mit Blumenniederlegung am Kreuz auf dem Soldatenfriedhof aus dem Ersten Weltkrieg Jägerhöhe bei Angerburg am Schwenzait-See, wo 343 deutsche und 233 russische Soldaten ruhen.

Zu den politischen Akzenten gehörten der Empfang der Gruppe durch den Bürgermeister Karol Nowak, der Stadtdirektorin Jadwiga Osiecka und den örtlichen Parlamentsabgeordneten Julian Osiecki im Sensburger Rathaus, die Begleitung durch den Bürgermeister Waclaw Hojszik durch die Stadt und die Gemeinde Rössel, der herzliche Empfang bei dem Stadtpräsidenten Zdislaw Fadrowski in Lyck sowie Gespräche mit der Bürgermeisterin von Rhein, Lidia Nalezytiy, die mit ihrer Stadt eine Partnerschaft mit dem Amt Neuhaus an der Elbe anstrebt.

Wie bei allen Fahrten kamen auch die menschlichen und christlichen Beziehungen nicht zu kurz - wie der Sonntagsgottesdienst mit Beichte und Abendmahl in Nikolaiken sowie mit Kindern und Jugendlichen aus Königsberg in der Sorquitter Kirche, die Orgelkonzerte in der Basilika zur Heiligelinde und der Kathedrale zu Oliva, eine ökumenische Andacht mit dem katholischen Prälaten D. Wyrostek in der gewaltigen Peter-und-Paul-Kirche in Rössel sowie weitere Andachten in diversen anderen Kirchen

Alle Begegnungen wurden auch dazu genutzt, um der kleinen evangelischen Diaspora-Kirche in Masuren etwas zu helfen durch Spenden oder Kollekten, wie zum Beispiel 500 Euro für die Renovierung des Kirchendaches in Warpuhnen, 480 Euro für die neue Diakonie-Station in Sorquitten und 450 Euro für die Kapelle in Groß Sterlack, die vor einigen Jahren von der Gruppe gekauft wurde. Es wurden aber auch Lebensmittel, Medikamente und Kleider für die Königsberger Kinder und Jugendlichen sowie das evangelische Altenheim "Arche" in Nikolaiken gespendet.

Eine Teilnehmerin schenkte der kleinen Diasporagemeinde in Groß Sterlack ein wertvolles Bild mit dem letzten Abendmahl. Dort wurde die ganze Gruppe mit Kaffee und selbstgebackenem Kuchen im Garten einer Kirchenvorsteherin empfangen. Diese und viele andere Begegnungen mit der dort lebenden deutschen Volksgruppe gehören ebenso zu den unvergeßlichen Erlebnissen wie die vielen privaten und persönlichen Freundschaften, die im Laufe der Jahre entstanden sind und inzwischen auch schon Früchte tragen.

Da die Fahrten einen ökumenischen Charakter haben, werden natürlich auch katholische Gemeinden mit Spenden bedacht, genauso wie das Sozialamt in Sensburg mit einer großzügigen Spende für die Behindertenarbeit.

Die evangelischen Gemeinden im südlichen Ostpreußen mit ihren 14 Geistlichen bilden trotz ihrer oft schwierigen Diasporasituation im allgemeinen ein sehr positives und hoffnungsvolles Bild einer lebendigen Kirche Jesu Christi, die wächst und dieses nicht zuletzt durch zahlreiche Neueintritte von Menschen, die angetan sind von den Aktivitäten der evangelischen Pastoren, deren klarer Verkündung und dem sozialen Wirken der Gemeinden.

Immer mehr Kirchengemeinden beherbergen Diakonie- und Sozialstationen der Johanniter-Unfallhilfe sowie seit Pfingsten letzten Jahres die Lazarus-Sozialstation in Rastenburg. In Allenstein entstand vor kurzem die erste evangelische Fachschule für Pflegerinnen in Pflegeheimen und der häuslichen Alten- und Krankenpflege (siehe Folge 43/02). In Ukta baut die evangelische Kirchengemeinde aus Nikolaiken einen neuen Kindergarten.

Um die leeren Kassen aufzubessern, haben die meisten Kirchengemeinden moderne Gästezimmer zur Verfügung und die Gemeinde in Sensburg, Nikolaiken und Sorquitten Gästehäuser, die auch den Besuchern aus der Bundesrepublik Deutschland das ganze Jahr zur Verfügung stehen. Das sind alles Dinge, die bis 1990 undenkbar, ja schlicht verboten waren.

Auf der Rückfahrt von Sensburg in die Bundesrepublik wurde die Stadt Osterode besucht, danach die "geneigte Ebene" des Oberlandkanals in Buchenwalde und die Marienburg. Nach einer Übernachtung in Danzig und der Besichtigung der Stadt ging es an der Ostseeküste entlang nach Stettin, wo die letzte Übernachtung stattfand. Am nächsten Tag fanden eine fachkundige Stadtführung und ein festliches Abschiedsmittagessen statt. Dann ging es zurück in die Lüneburger Heide. Abends sind alle gesund und voll wunderschöner Eindrücke in Adendorf angekommen. F.T.

Bei einer Lesung: Im Garten vor dem Geburtshaus von Ernst Wiechert

Bei einer Andacht: Brigitte Jaschik und Schwester Ingeborg (rechts) Fotos (2): Tegler