19.04.2024

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01.03.03 / Die lange Zeit des Abschiednehmens

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. März 2003


Die lange Zeit des Abschiednehmens
Pastor verknüpft eigene Fluchterlebnisse mit Erinnerungen anderer Leidensgenossen

Leben heißt Abschiednehmen", schreibt Günther Klempnauer in seinem Buch "Als die Russen kamen". Und wahrhaftig, besonders die Kindheit des Westpreußen stand im Zeichen des Abschiednehmens. Dabei begann seine Kindheit ganz idyllisch in Neuteich nahe der Marienburg. Dort hatten seine Verwandten mehrere Güter, und er wohnte in einem niedlichen Haus mit Erker, was für ihn wie eine eigene kleinere Version der bewunderten Marienburg war. Doch als die Russen kamen, begann die Flucht mit der Mutter, der knapp zwölfjährigen Schwester Ellen und den Großeltern nach Danzig, wo die Familie den Einzug der Sowjets miterlebte. Erst starb die Großmutter, dann wurden Mutter und Schwester regelmäßig von den Russen mit den Worten "Frau komm" abgeholt. Als der Krieg zu Ende war, zogen sie in der Hoffnung auf Normalisierung der Zustände zurück nach Neuteich, wo sie das Elternhaus zerstört vorfanden. In einer fensterlosen Hütte fand die Familie vorerst eine Unterkunft und erfuhr, daß sich der Vater erfreulicherweise vor den Sowjets bei einem befreundeten Schweizer versteckt hielt. Leider erlangte die Familie keine Ausreisegenehmigung in den Westen, und so versuchten sie, irgendwie ihr Auskommen zu finden. Der Hunger war allerdings so groß, daß erst der Großvater und dann die Großmutter väterlicherseits vor Schwäche starben. Als es endlich in den Westen ging, trafen sich Vater, Mutter und die Kinder in Mecklenburg, doch das Glück war nur von kurzer Dauer. Der Vater starb 1947 an Bauchfelltuberkulose.

Trotz all dieser schmerzlichen Erfahrungen war Günther Klempnauer nie mutlos. Sein fester Glaube an Gott hat ihn alle Schicksalsschläge ertragen lassen.

Der Autor, der von Beruf Pastor ist, befragte auch andere Personen der Erlebnisgeneration. Diese Interviews sind in dieses Buch integriert, so daß das Thema Flucht und Vertreibung aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird. Zu den Gesprächspartnern zählen so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Hans Graf von Lehndorff, Marion Gräfin Dönhoff und Martin Bormann, der Sohn des gleichnamigen hochrangigen NSDAP-Funktionärs.

"Als die Russen kamen" ist ein aufschlußreiches, gut gestaltetes Buch über einzelne Erlebnisse von mehreren Menschen im deutschen Osten am Ende des Zweiten Weltkriegs. Daß Günther Klempnauer ein aufgeschlossener und erfahrener Autor ist, der sich für die Menschen und ihr Schicksal in Verbindung zur Geschichte und Gott in- teressiert, ist dem Leser stets gegenwärtig. R. Bellano

Günther Klempnauer: "Als die Russen kamen", Hänssler, Holzgerlingen 2002, geb., 180 Seiten, 12,95 Euro