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22.03.03 / Admiral a. D. Marcel Duval sieht Europa vor einer Krise

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. März 2003


Neue Konstellationen in Europa
Admiral a. D. Marcel Duval sieht Europa vor einer Krise
von Pierre Campguilhem und Karl P. Gerigk

Mit einer langen Verstrickung der Vereinigten Staaten in Konflikte in der Golfregion nach dem Krieg gegen den Irak rechnet der französische Strategieexperte Marcel Duval, Vier-Sterne-Admiral a. D., anläßlich der letzten Kriegsvorbereitungen. Auf jeden Fall meint unser Gesprächspartner, die Kriegshandlungen werden den Irak explodieren lassen, denn der gegenwärtige Irak, der eigentlich eine Schöpfung der Briten sei, ist eine Zusammensetzung aus 20 Prozent Kurden, 50 Prozent Schiiten und nur 30 Prozent eigentlichen Arabern.

Durch den Krieg der USA gegen Saddam Hussein werde auch das Problem des Iran und Pakistans in Angriff genommen. Auch werde man der Nuklearmacht Israel einen Gefallen tun. Der Admiral glaubt, daß die Amerikaner und ihre britischen Verbündeten den Krieg gewinnen werden, obgleich die Gefahr eines Verhedderns in Bagdad und blutiger Straßenkämpfe von vornherein nicht ausgeschlossen werden kann.

Admiral Duval, der während seiner militärischen Laufbahn für drei Jahre ins Pentagon entsandt wurde und ein Freund Franz Josef Strauß' gewesen ist, sieht mehrere Gründe für den Willen Präsident Bushs, diesen Krieg zu führen. Obgleich die Ursachen der "Sohn-Vater-Verpflichtung" nicht von der Hand zu weisen sind, vertritt Duval die Ansicht, der Hauptgrund bestehe darin, daß die ehemaligen Mitarbeiter Ronald Reagans, die als "Falken" eingestuft werden, ihren Einfluß in den das Weiße Haus umgebenden Kreisen nach dem 11. September stärker und eindringlicher ausüben könnten.

Zudem sei es den Republikanern gelungen, die schwarze Minderheit des Landes in eine nationalistische Strömung zu integrieren. Was die Erdölwaffe anbelangt, seien die Erd-ölreserven im Mittleren Osten nicht unentbehrlich für die US-Wirtschaft, die sich zur Zeit eher auf dem panamerikanischen Kontinent versorgt; diese Reserven dienen jedoch der Kontrolle der Weltwirtschaft, denn zum Beispiel führe Japan 70 Prozent seines Erdölbedarfs aus der Golfgegend ein.

Insofern bliebe die Kontrolle der Weltwirtschaft durch die strategische Waffe einer der Kernpunkte der US-Politik. Abgesehen vom etwaigen Erfolg der amerikanischen Kriegsführung sieht allerdings unser Gesprächspartner Nebenwirkungen und Folgen für die US-Diplomatie, die nicht vom Tisch gefegt werden können.

Die erste Folge dürfte, wenn die USA unilateral handeln, die Zukunft der Vereinten Nationen und anderer multilateraler Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) sein. Obschon die UNO oft kritisiert werde, spiele sie eine Mäßigungsrolle in der Welt "für eine ganze Reihe von Problemen". Von der US-Diplomatie nun in Angriff genommen werden könnte auch das Problem der neuen Rolle der NATO und der Beziehungen zwischen Washington und der Europäischen Union. Duval sieht bei von den USA und den Briten unilateral geführten etwaigen Kriegen gegen den Irak schwerwiegende Nachteile für die US-Diplomatie, besonders in bezug auf den alten Kontinent und Paris.

Admiral Duval glaubt nicht an eine lange dauernde Krise in den Beziehungen zwischen Paris und Wa-shington. Die französische Republik und die Vereinigten Staaten bilden an und für sich die beiden ältesten Republiken der Neuzeit. Es sei nicht erstaunlich, daß Paris Differenzen mit dem Vereinigten Königreich habe, denn die Politik Londons sei es immer gewesen, die Existenz einer zu bedeutenden Macht auf dem Kontinent zu verhindern, so daß nach dem Zweiten Weltkrieg London sich tief mit Washington verbunden hat. Im Nuklearbereich sei die Intimität zwischen London und Washington vollständig.

Beängstigender als die schwebenden Probleme mit den USA sei für die europäische Diplomatie die Versuchung, die in Frankreich weiter bestehe, Rückallianzen mit Rußland zu schließen. Diese Versuchung, die fast völlig verschwunden war, kommt wieder in Erscheinung seit dem Beginn der neuen Irak-Krise. Paris könn- te der Versuchung erliegen Erdöl und Un-terstützung in Moskau zu suchen, was sich gegen die USA wenden würde.

Eine durch Frankreich verursachte Zwietracht und gegen die Europäische Einigung gerichtete Interessen in den USA könnten den atlantischen Graben vertiefen. Zusammenfassend meint Admiral Duval in diesem Zusammenhang, daß so eine europäische Krise der irakischen folgt.