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22.03.03 / Sinnloses Sterben / Was brachte der U-Boot-Krieg aus strategischer Sicht?

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. März 2003


Sinnloses Sterben / Was brachte der U-Boot-Krieg aus strategischer Sicht?

Der BBC-Journalist Andrew Williams schildert in seinem Buch "U-Boot-Krieg im Atlantik" das Grauen der Geleitzugschlachten im Zweiten Weltkrieg, indem er die britische und deutsche Perspektive verklammert, ohne antideutsche Stereotypen zu bedienen.

Williams entfaltet das gesamte Kaleidoskop dieser "längsten, größten und aufwendigsten Seeschlacht der Geschichte". Hervorzuheben ist die spannend erzählte Versenkung des Schlachtschiffes "Royal Oak" in Scapa Flow. Nicht minder fesseln detailreiche Berichte britischer Matrosen, deren Schiffe Torpedos zum Opfer fielen. Der Autor verdeutlicht die Hauptphasen der Atlantikschlacht, bearbeitet ebenso Themen wie Wissenschaft und Technik im U-Boot-Krieg und vergißt nicht, die Nöte der Zivilbevölkerung darzulegen.

Winston Churchill erklärte, daß ihm deutsche U-Boote die größten Sorgen bereitet hätten. Das Ziel der U-Boote lag darin, Importe großer Mengen Rohstoffe und Lebensmittel so stark zu reduzieren, daß Großbritannien die weiße Fahne aufzog. Zeitweise versenkten wenige deutsche U-Boote gewaltige Mengen Schiffstonnage; in den ersten beiden Kriegsjahren schrumpfte der britische Import um fast die Hälfte. Insgesamt zerstörten deutsche U-Boote im Zweiten Weltkrieg 15 Millionen Tonnen Schiffsraum (BRT). Trotz allem gelang es den U-Booten selbst in der Zeit ihrer größten Erfolge nicht, England in die Knie zu zwingen, obwohl Großbritannien die U-Boot-Gefahr anfangs unterschätzt hatte. Zwar verfügten die Briten über Asdic, ein Unterwasserortungsmittel, das nützte jedoch nichts, wenn U-Boote nachts von der Wasseroberfläche aus angriffen.

Schon das Jahr 1941 brachte die erste Wende des U-Boot-Krieges. Noch bevor die USA unmittelbar eingriffen, wurden englische Schiffe, bald auch Flugzeuge, mit Radar ausgerüstet, die Konvois intensiver geschützt, deutsche Funksprüche entschlüsselt und Funksignale der U-Boote eingepeilt. Am Ende des Jahres 1941 versenkten deutsche U-Boote nur 54 von 3.700 Handelsschiffen, welche die britischen Inseln anliefen.

Gleichzeitig versäumte es die deutsche Kriegsmarine, technische Neuerungen vorzunehmen. Sie operierte mit Tauchbooten, die sich wenig von denen des Ersten Weltkriegs unterschieden. Karl Dönitz, Befehlshaber der U-Boote, lenkte die Atlantikschlacht mit nur sechs Stabsoffizieren. Zivile Wissenschaftler und Marine koordinierten ihre Anstrengungen nicht. Bei den Alliierten lagen die Dinge genau umgekehrt. Am meisten fehlte eine deutsche Marineluftwaffe, welche die U-Boote durch Aufklärer und Torpedoflugzeuge hätte unterstützen können. Nur selten arbeiteten Luftwaffe und Marine Hand in Hand.

Nach dem Kriegseintritt der USA versenkten deutsche U-Boote nochmals viele Schiffe. Doch die Operation "Paukenschlag" endete, sobald die Amerikaner ihre U-Boot-Abwehr organisiert hatten.

Die Entscheidung in der Atlantikschlacht fiel im Frühjahr 1943. Dönitz setzte alles auf eine letzte Karte und warf zahlreiche U-Boote in die Schlacht. Bald gingen so viele Boote verloren, daß Dönitz die Geleitzugkämpfe abbrechen mußte. Die Niederlage der U-Boote war damit endgültig besiegelt. Zwischen 1943 und 1945, als die Alliierten längst den Ozean beherrschten, gingen fast 70 Prozent aller deutschen U-Boote des Zweiten Weltkrieges verloren.

Hätte das "Freikorps Dönitz" die Schlacht im Atlantik gewinnen können? Williams verneint diese Frage nicht völlig und erliegt damit einem Irrtum. So sehr technische Stagnation auch ins Gewicht fiel, gab dennoch nicht sie den Ausschlag, sondern das gewaltige Potential der USA an Schiffen, Flugzeugen, Werften, Wissenschaft und Technik, welches die deutsche Seite unmöglich bezwingen konnte. Mehr noch: Je effektiver die U-Boote gegen England operierten, desto sicherer folgte der amerikanische Kriegseintritt. Daher standen die U-Boote vom ersten Tage an auf verlorenem Posten. Letztlich fügte der Tonnagekrieg Deutschland weit größeren Schaden zu als Großbritannien. Gerade auch darin kommt die Unsinnigkeit dieses neuzeitlichen Menschenopfers zum Ausdruck, das Williams schärfer hätte analysieren können. Trotzdem lohnt die Lektüre des Buches, auch wenn die Lesefreude wegen stilistischer Schwächen etwas getrübt wird. Rolf Helfert

Andrew Williams: "U-Boot-Krieg im Atlantik", Heel Verlag, Königswinter 2002, geb., 304 Seiten, 24,95 Euro