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05.04.03 / Ein Leben auf zwei Ebenen

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. April 2003


Ein Leben auf zwei Ebenen
Zum 100. Geburtstag des Schriftstellers und Lyrikers Manfred Sturmann

Vor 100 Jahren, am 6. April 1903, wurde der Schriftsteller und Lyriker Manfred Sturmann in Königsberg geboren. Er war im mosaischen Glauben aufgewachsen. Sein Großvater Jacob Akiba Sturmann (1838-1917) war von 1865 bis 1915 Prediger der jüdischen Gemeinde in Osterode/Ostpreußen. Schon als Schüler wurde er mit den Problemen des deutschen Judentums konfrontiert: Der Großvater vertrat die jüdische Orthodoxie, seine Tante den Zionismus, und zahlreiche Juden traten für die Anpassung ein. Mit elf Jahren erlebte Sturmann den Beginn des Ersten Weltkrieges, lernte bei "vaterländischen Hilfsdiensten" die ihn umgebende Landschaft mit den Sinnen erfassen.

In Königsberg trat Sturmann in die zionistische Jugendbewegung Blau-Weiß ein. Sein Vater, der Juwelier und Goldschmied Hermann Sturmann, ließ ihn 1921 das Altstädtische Gymnasium in Königsberg besuchen. Danach begann er sein Studium an der Albertina. Nach einem Semester in Königsberg ging er über Breslau nach München und setzte dort das Studium der Volkswirtschaft, Germanistik und Kunstgeschichte fort, begann aber bereits 1923 mit einer Lehre in einem Buchverlag, um seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Sturmann, der bereits mit 16 erste Gedichte schrieb, veröffentlichte 1923 seinen ersten Gedichtband "Althebräische Lyrik" in einer Nachdichtung, erschienen bei der Allgemeinen Verlagsanstalt, München. Die Einleitung schrieb Arnold Zweig. Unter dem Titel "Die Erben" erschien 1929 ein Gedichtband, den er seiner Frau Lina widmete.

Bereits im Sommer 1924 veröffentlichte Sturmann den Band "Der Gaukler und das Liebespaar" und im Sommer 1926 als zweiten Titel "Selbstmord in Dur", der 1929 im Horen-Verlag, Berlin-Grunewald, herauskam. 1929 erhielt er für diese Schriften den Lyrikpreis der Stadt München. Seine Gedichte drücken das Gefühl des jungen Menschen aus, der ohne Verbundenheit zu seinen Vorfahren lebt und auf der Suche nach einem Lebensweg ist.

1934 erschienen die Gedichte "Wunder der Erde". Sturmann schrieb 1935 jüdische Gedichte "Herkunft und Gesinnung"; als Ergebnis einer Reise erschien sein "Palästinensisches Tagebuch", und überall setzte er sich mit Fragen der doppelten Identität als Jude und Deutscher auseinander, so auch 1930 bis 1933 in mehreren Hörspielen: "Der Wunderhund", "Die Hochzeit des Sulamits" und "Der Tag des kleinen Mannes".

1938 emigrierte er nach Jerusalem, studierte an der Hebräischen Universität, vervollkommnete sein Hebräisch und wurde Journalist. Von 1940 bis 1947 war Manfred Sturmann Beamter am Jüdischen Nationalmuseum Belazel in Jerusalem, ab 1949 Leiter des Jerusalemer Büros der "Irgun Olej Merkas Europa", des Organs der Einwanderer aus Mitteleuropa. Bis zu seiner Pensionierung 1970 war er als Fürsorgebeamter tätig. Neben diesen Brotberufen blieb er aber der Dichtkunst treu, verfaßte 1941-42 in Palästina ein bis heute nur in Teilen veröffentlichtes Manuskript "Großvaters Haus", in dem er seine frühesten Begegnungen mit dem Judentum darstellt. Zugleich brachte er einen Band "Gedichte" in Israel heraus. Er blieb der einzige, die späteren Bände erschienen in der Schweiz, wo er Mitglied im "Schutzverband der Schriftsteller deutscher Sprache im Ausland" war.

Sturmann gehörte wohl auch dem PEN-Club Israel an und unternahm Versuche, in hebräisch zu schreiben, hatte aber keinen Erfolg, da er über lange Jahre als deutscher Dichter galt. Wenn er als Dichter in Israel auch keine Rolle spielte, so doch in der Schweiz mit den Bänden "Abschied von Europa. Geschichten aus Israel" 1963, "Heimkehr in die Wirklichkeit" 1982 (Novelle), "Lebensfragen" 1983 (Gedichte) und "Das Buch der späten Jahre" 1985 (Gedichte).

Der Dichter drückte 1981 in einer kurzen Abhandlung "Der israelische Dichter deutscher Zunge" den dauernden Zwiespalt aus, ob er deutscher oder jüdischer Dichter sei, und stellte fest, daß er sich bis an sein Lebensende auf zwei Ebenen bewegen müsse, "selbst wenn das, was mir Herzenssache ist, durch die Begebenheiten zum ‚Hobby' degradiert wird". Manfred Sturmann starb im Januar 1989 in Jerusalem. Harry Herbert Tobies