24.04.2024

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19.04.03 / Viel Lärm um nichts

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. April 2003


Viel Lärm um nichts
Warum Politiker viel sprechen, ohne etwas zu sagen / Warum Minister, wenn sie viel kassieren, noch mehr "vergessen" / Warum bei Christiansen alle aneinander vorbei oder alle gleichzeitig reden / Warum Journalisten ihre Themen nicht selber inszenieren sollten - und warum sie das manchmal doch tun müssen / Medienrückblick mit Hans-Jürgen Mahlitz

Zu den herausragenden Kunstfertigkeiten von Politikern gehört es, gerade dann besonders viel zu reden, wenn man eigentlich gar nichts zu sagen hat. Oder einfach nichts sagen will. Oder weil man davon ablenken will, daß man kurz vorher noch das exakte Gegenteil gesagt hat.

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür lieferte jetzt die ZDF-Sendung Berlin direkt: Peter Hahne wollte von SPD-General Olaf Scholz wissen, wie denn der plötzliche Sinneswandel des SPD-Vorsitzenden in Sachen Sonderparteitag zu erklären sei - gestern noch strikte Ablehnung dessen, was heute als "ganz neue" Forderung eingebracht wird. Schröders "Mann fürs Grobe" tat so, als sei die Frage gar nicht gestellt worden, und fabulierte stattdessen von "wichtigen Fragen", die "wir mit der ganzen Partei diskutieren" wollten. Erstaunlich die Mitteilung, daß "wir uns sehr früh dafür entschieden" hätten. Die Öffentlichkeit hatte merkwürdigerweise davon nichts bemerkt - vielleicht lag das ja an Peter Hahne, der sich bislang nicht gerade als glühender Verehrer von Rot-Grün hervorgetan hat.

Auch in dieser Sendung machte er sich beim SPD-General wieder unbeliebt, indem er hartnäckig nachfragte und dann auch noch die "Kakophonie des Tages" ins Spiel brachte: Just an diesem Sonntag hatte Ministerpräsidentin Heide Simonis eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gefordert, was Finanz- minister Eichel postwendend ausschloß. Dazu Wortlaut Scholz: "Wir werden keine Mehrwertsteuererhöhung machen. Das ist etwas, was vorgeschlagen wird insbesondere von denjenigen aus den Reihen der Opposition ..." Zwischenfrage Hahne: "Aber ist Frau Simonis Opposition?" Und weiter Scholz: "Nein. Sie ist eine ganz wichtige Unterstützung des Reformkurses von Gerhard Schröder." Ob der Kanzler und sein Kassenwart das auch gemerkt haben, wie toll sie von der forschen Regierungschefin in Kiel wieder einmal "unterstützt" worden sind?

Daß auch Printmedien reichlich rücksichtslos sein können, mußte Flitterwöchner Rudolf Scharping erfahren. Kaum hatten die Boulevardblätter die Verehelichung des einstigen (Selbst-)Verteidigungsministers mit seiner holden Gräfin in Wort und Bild abgearbeitet, da stürzten sich die weniger klatschorientierten Zeitungen auf Profaneres: Die Finanzaffäre, die Scharping im letzten Sommer um Amt und Würden gebracht hatte, könnte nach jüngsten Erkenntnissen schlimmere Dimensionen haben als bisher bekannt. So sollen die Aktien, deren Veräußerungsgewinne der vielbeschäftigte SPD-Politiker "versehentlich" nicht versteuert hatte (sowas kann einem schon mal durchgehen, es ging ja "nur" um Gewinne von über 200 Prozent) - bei diesen höchst gewinnträchtigen Börsenpapieren also hatte es sich offenbar um Aktien eines Elektronikunternehmens gehandelt, das umfangreiche Geschäfte mit der Bundeswehr und der NATO tätigte. Und nachdem Scharping - vergeßlich, wie er wohl manchmal ist - bei seiner Nichtversteuerungs-Selbstanzeige im letzten Jahr nicht daran gedacht hatte, Firmennamen, Kauf- und Verkaufsdaten seiner Aktien-Transaktionen zu nennen, vermuten Fahnder der Frankfurter Staatsanwaltschaft nun einen Fall von Vorteilsnahme.

Wieder einmal "viel Lärm um nichts" bei Sabine Christiansen: Erneut war der - gerade zu Ende gehende - Irakkrieg das Thema, aber viel Neues konnte der Zuschauer nicht erfahren. Peter Scholl-Latour, Superexperte für nahezu Alles, ließ sich auch von dezenten Hinweisen auf seine zahlreichen Fehlprognosen nicht davon abhalten, jedem anderen, am liebsten aber dem Amerikaner Ronals D. Asmus, unhöflich ins Wort zu fallen. Wolfgang Schäuble, Hans-Christian Ströbele und Oskar Lafontaine widerholten ihre bekannten Positionen. Allenfalls die Exil-Irakerin Aras Marouf brachte ein paar bislang wenig bekannte Facetten ein, kam aber aus Zeitmangel auch nicht richtig zum Zuge. Vielleicht sollte Frau Christiansen wieder dazu übergehen, zu ihren Sendungen nur zwei oder drei Gesprächspartner einzuladen; dann kann sich ein intensiverer, sachbezogenerer und eher in die Tiefe gehender Dialog entwickeln. Bei sechs Teilnehmern hingegen reden entweder alle aneinander vorbei - oder alle gleichzeitig. Beides ist für den Zuschauer unergiebig. Im übrigen: Sich mit möglichst vielen illustren Gästen und klangvollen Namen zu zieren, das hat Sabine Christiansen doch nun wirklich nicht nötig.

Unter den Journalisten, die während des gesamten Krieges in Bagdad ausharrten, hat einer sich Bestnoten verdient: Ulrich Tilgner, der informativ, engagiert, aber stets unaufgeregt für das ZDF berichtete. Besonders spektakulär: die Verhaftung des Saddam-Mitarbeiters Amir el-Saadi, an deren "Inszenierung" er - ungewollt! - beteiligt war. Normalerweise sollen Journalisten ja nicht selber das arrangieren, worüber sie berichten. In diesem Falle aber ging es wohl nicht anders, und Tilgner bewältigte die Gratwanderung mit Bravour.

Auf der Internet-Seite der russischen Zeitung Argumenty i Fakty - und nicht etwa bei CNN - erfahren wir soeben, Saddam Hussein sei in der Nacht vom 7. auf 8. April bei einem US-Angriff ums Leben gekommen; dies habe ein Soldat der Republikanischen Garde bezeugt. Ob es sich wirklich um eine Sensation oder um eine "Ente" handelt, wird sich erst nach Redaktionsschluß dieser Ausgabe zeigen.