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26.04.03 / Aufstand der Wasserträger / Innerparteiliche Opposition zeigt Schröder die Stirn

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. April 2003


Aufstand der Wasserträger
Innerparteiliche Opposition zeigt Schröder die Stirn
von Fritz Schenk

Dem Kanzler droht Ungemach aus der eigenen Partei, insbesondere aus der SPD-Bundestagsfraktion. Ursache ist Schröders Reformkonzept "Agenda 2010", das er selber immer mit dem Wortnamen "Zwanzigzehn" ausspricht. Gemeint ist jenes Zehn-Punkte-Programm, das er noch in diesem Jahr über die parlamentarischen Hürden bringen will. Mit ihm sollen in mehreren Schritten bis zum Ende des ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts die Sozialsysteme reformiert, Leistungen reduziert und für längere Zeit den neuen Bedingungen der veränderten Industrie- und Informationsgesellschaft angepaßt werden.

Daß dies dringend notwendig ist, pfeifen seit Jahren die Spatzen von den Dächern. Kein Tag vergeht, an dem nicht in der Presse über neue Finanzlöcher in den Sozialkassen, von Engpässen in den Gesundheitssystemen, über Spannungen mit Ärzten und Einrichtungen der kommunalen Sozialversorgung berichtet wird. Von niemandem - auch nicht von jenen, die jetzt gegen Schröders Reformen opponieren - wird bestritten, daß unser gesamtes gesetzliches Sozialgefüge finanziell am Ende ist.

Das hatte im übrigen schon die letzte Regierung Kohl so gesehen, weshalb sie bestrebt war, mit den sogenannten "Petersberger Beschlüssen" von 1994/95 einen Kurswechsel vorzunehmen. Er scheiterte an der Blockade durch die damalige rot-grüne Mehrheit im Bundesrat, personifiziert vor allem durch die SPD-Ministerpräsidenten Schröder, Rau, Lafontaine, Eichel, Simonis und Scharping. Sie auch waren die Erfinder der zugkräftigen Wahlslogans vom "Sozialabbau", der "sozialen Kälte" und der "Umverteilung von unten nach oben" gewesen, womit die Kohl-Regierung angeblich eine "Klientelpolitik zugunsten der Reichen" verfolge.

Schröders Versprechen zur Wiederherstellung "sozialer Gerechtigkeit" hat 1998 wesentlich zu seinem Wahlsieg gegen Kohl beigetragen. Und seine getreuesten und eifrigsten "Wasserträger" bei dieser Kampagne sind jene Funktionäre gewesen, die jetzt gegen Schröder aufbegehren: der (linke) Arbeitnehmerflügel in der SPD-Fraktion und maßgebliche Gruppen der DGB-Gewerkschaften, die jedoch davon ausgehen können, daß sie einen erheblichen Teil der noch aktiven SPD-Mitglieder repräsentieren.

Die Regierung Schröder steht unter Zeitdruck. Viereinhalb Jahre ist sie im Amt, doch sie hat im Grunde nichts bewegt. Fußend auf der zitierten Wahlkampfpolemik gegenüber den Unions-Regierungen nahm Rot-Grün Anfang 1999 sogar die wenigen Veränderungen der letzten Kohl-Regierung zurück, was die - auch damals schon prekäre - Kostensituation der Sozialetats noch verschärfte. Hinzu kamen die Wirtschaftskrise und steigende Arbeitslosigkeit, welche die Staatseinnahmen sinken ließen und auch für dieses und das nächste Jahr noch weiter sinken lassen.

Das Resultat sind höhere Staatsschulden, die inzwischen die sogenannten Maastricht-Kriterien von höchstens drei Prozent des Brutto-inlandsprodukts überschritten haben. Damit drohen Deutschland die im Maastricht-Vertrag festgeschriebenen Sanktionen von mehreren Milliarden Euro, was einerseits die Finanzsituation des Staates noch verschärft, andererseits den Bund außerstande setzt, staatlich finanzierte Konjunkturprogramme aufzulegen - eine Verkettung negativer Faktoren, welche der Schröder-Regierung kaum noch Spielräume lassen.

Die "Agenda Zwanzigzehn", auf die sich die Bundesregierung nun festgelegt hat, zielt - wie das im neudeutschen Politjargon jetzt vielstimmig betont wird - "in die richtige Richtung". Nicht so für die linken Rebellen aus SPD und DGB. Sie hängen an alten Rezepten, und das heißt, der Staat soll wieder ran. Einerseits mit Konjunkturprogrammen, andererseits mit höheren Abgabenforderungen von "Reichen", Freiberuflern und jenen Schichten, die bisher noch nicht in die gesetzlichen Sozialsysteme einbezogen sind, um die teuren Leistungsstandards zu erhalten. Da sie sich in der SPD-Fraktion nicht durchsetzen konnten, kurbelten sie hinter dem Rücken ihres Parteivorsitzenden und Bundeskanzlers sowie des Fraktionsvorsitzenden Müntefering und des SPD-Generalsekretärs Scholz eine Mitgliederbefragung in der SPD an. Das schuf eine Situation, wie sie bisher einmalig in der SPD ist.

Diese kleine Palastrevolution hat in den letzten Tagen Spekulationen regelrecht wuchern lassen. Vergleiche mit der Situation des SPD-Bundeskanzlers Helmut Schmidt von 1982 werden angestellt, dem seine eigene Fraktion die Gefolgschaft verweigert und damit den Regierungswechsel zu Kohl/Genscher ausgelöst hatte. Doch dieser Vergleich hinkt. Der Streit um die Sozial- und Haushaltspolitik (die auch Schmidt schon durch entsprechende Leistungs-Kürzungen wieder ins Lot bringen wollte) war damals nicht der Hauptpunkt. Wichtiger war den Schmidt-Kritikern dessen Eintreten für die Nato-Nachrüstung mit Mittelstreckenraketen. Das widersprach ihrem "Friedens- und Schmusekurs" mit den kommunistischen Herrschern des Warschauer Paktes. Und sie waren auch damals schon der Meinung, der deutsche Kanzler solle endlich den Amerikanern Paroli bieten, eigenständige deutsche Politik betreiben und sich der Nachrüstung verweigern. Schröders Haltung in der Irak-Krise hat nun aber gerade die Reihen der SPD in der Außenpolitik geschlossen. Und da die Irak-Krise so rasch nicht beigelegt sein wird, dürfte eben diese Haltung den Kanzler und seine Position in der SPD eher stärken als schwächen. Nun endlich haben die Genossen den "Friedenskanzler", der Schmidt für sie nicht gewesen war.

Zudem hat Schröder sogleich auch wieder sein taktisches Talent bewiesen. Mit dem Trick, am 1. Juni einen Sonderparteitag zum Thema "Agenda Zwanzigzehn" abzuhalten, hat er die Mitgliederbefragung (zunächst jedenfalls) erst einmal vom Tisch gebracht. Im Mai wird es zudem eine Reihe von Bezirkskonferenzen geben. Das sind die Foren, auf denen der Kanzler sein Redetalent voll ausspielen und seine Kritiker in den Sack stecken wird. Der Sonderparteitag dürfte sodann nur noch den Schlußpunkt setzen und die Genossen zufrieden in die Sommerferien entlassen.

Auf einem ganz anderen Blatt steht allerdings, was bis dahin von der "Agenda" noch übrig geblieben ist. Dazu kennen wir den Taktierer Schröder inzwischen zu gut. Vor wirklich harten Auseinandersetzungen und klaren Entscheidungen ist er noch immer zurückgewichen. Weder aus dem "Bündnis für Arbeit", noch aus dem "Eins-zu-Eins" beim "Hartz-Konzept" und bisher auch nicht aus den Vorschlägen der "Rürup-Kommission" sind Gesetze hervorgegangen, mit denen die deutsche Misere auch nur gemildert worden wäre. Da erscheint es auch mehr als voreilig, daß der bayerische Ministerpräsident und Schröder unterlegene Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, schon jetzt der rot-grünen Regierung signalisiert, die Union werde die "Agenda Zwanzigzehn" mittragen.