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03.05.03 / Massengrab Ostsee / Erneut wurde das Wrack eines Flüchtlingsschiffs entdeckt

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Mai 2003


Massengrab Ostsee
Erneut wurde das Wrack eines Flüchtlingsschiffs entdeckt
von K. P. Gerigk

Seit Stunden wartet das sowjetische U-Boot L-3 auf den Geleitzug, der am frühen Abend den Hafen Hela verlassen hat. Fünf Minuten vor zwölf befiehlt der Kommandant, Kapitän Wladimir Konowalow: ,Feuer!' Sekunden später zerreißen zwei Torpedos den Schiffsleib der ,Goya' und schicken das Schiff mit 7.200 Menschen, vor allem Flüchtlingen, aber auch verwundeten Soldaten, in den Tod. Nur sieben Minuten dauert der Untergang. Auf der schwer getroffenen ,Goya' ist jedes Licht erloschen. Es herrscht Entsetzen, Panik bricht aus ...es können nur 172 Menschen gerettet werden."

Soweit der Bericht von Helmut Ramm, einem Augenzeugen der Schiffskatastrophe aus dem April 1945. Seitdem liegt die Goya - wie man jetzt weiß, zerborsten - zwischen Heubuden und Bohnsack bei Rosenfelde auf dem Meeresgrund. Zwölf Jahre nach der Entdeckung des Wracks der "Wilhelm Gustloff" in der Ostsee hat der Paderborner Taucher Ulrich Restemeyer mit der "Goya" erneut ein deutsches Flüchtlingsschiff vor der Küste Danzigs geortet, das zu Kriegsende von den Sowjets versenkt wurde.

Die "Goya" war schon durch Luftangriffe beschädigt, als am 16. April zwei Torpedos sie trafen und versenkten. Wenige Monate zuvor waren die "Wilhelm Gustloff" und die "General von Steuben" ebenfalls mit Tausenden deutscher Flüchtlinge an Bord auf den Grund der Ostsee geschickt worden. Alles drei Wracks hat Restemeyer inzwischen auf dem Boden des Meeres aufgespürt.

Die Mannschaft um den Expeditionstaucher aus Paderborn fand die "Goya" bei Dreharbeiten zu einer Dokumentation des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). Das Schiff liegt in einer Tiefe von rund 80 Metern. Es war lange bekannt, daß sie in den Gewässern vor Danzig zu suchen ist. Nur den genauen Ort kannten die Wrack-Taucher bisher nicht.

Das ist auch der Grund, warum man jetzt eher zufällig auf das gerade auf dem Kiel stehende Flüchtlingsschiff stieß. Die letzte Peilung der "Goya" erfolgte in der Nacht ihres Untergangs durch ihr Begleitschiff "Kronfels", das jedoch schon am Morgen mit Motorschaden liegen geblieben war. "Fast genau - das Wrack liegt nur 1,9 Seemeilen von der letzten Peilung entfernt", sagte Restemeyer gegenüber dpa. Das Schiff auf dem Meeresgrund fiel der Expedition durch ein spezielles Sonar auf, das dreidimensionale Aufnahmen vom Meeresgrund machen kann.

Es muß davon ausgegangen werden, daß noch Tote in dem versunkenen Schiffsbau liegen. Darum steht außer Frage, daß die "Goya" wie die anderen versenkten Flüchtlingsschiffe ein "Seekriegsgrab" bleiben wird. "Dort unten liegen Tausende toter Menschen, ihre Ruhe muß gewahrt bleiben", betont der 44jährige Paderborner Restemeyer. Um die drei Flüchtlingsschiffe zu finden, hat er jahrelang recherchiert und ist zu immer neuen Expeditionen gestartet. "Die Ostsee ist ein riesiger Friedhof", berichtete der Wracktaucher und wirkt erschüttert.

Ein neues Projekt plane er jetzt nicht, er sei mit den bisherigen Funden noch eine Zeit beschäftigt. Das Wrack der "General von Steuben" hatten die Wracktaucher im Sommer 2002 gefunden. 1991 hatten sie die "Wilhelm Gustloff" vor der pommerschen Küste entdeckt. Wenn auch der Verlust der drei Flüchtlingsschiffe weit mehr Menschenleben kostete als der Untergang der Titanic, erreichten die meisten Verwundeten und Flüchtlinge doch ihr Ziel im Westen. Das Oberkommando der Marine wies darauf hin, daß nur 0,5 Prozent dieser Fahrten auf solch tragische Weise endeten.