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10.05.03 / Der Fall von Tunis / Vor 60 Jahren wurde die Achse aus Afrika vertrieben

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. Mai 2003


Der Fall von Tunis
Vor 60 Jahren wurde die Achse aus Afrika vertrieben
von Klaus Gröbig

Am 13. Mai 1943 meldete der britische General Harold Alexander seinem Premierminister Winston Churchill: "Sir, pflichtgemäß erstatte ich Meldung, daß der Feldzug in Tunesien beendet ist. Jeder feindliche Widerstand hat aufgehört. Wir sind die Herren der Küste Nordafrikas."

Damit endete ein zweieinhalbjähriger Kampf der deutsch-italienischen Afrikastreitkräfte mit einer Kapitulation. Sie brachte 252.000 Soldaten der Achsenmächte in alliierte Kriegsgefangenenlager. Es war nicht nur die Zahl der Gefangenen, die für die weitere deutsche Kriegsführung von Bedeutung war, sondern auch die Art und Qualität der Einheiten, die verlorengegangen waren.

Italien verlor mit vier italienischen Panzerdivisionen und zwei motorisierten Bersaglieridivisionen seine gesamten motorisierten Streit-

kräfte und Deutschland mit der 10., der 15. und der 21. Panzerdivision drei ausgesprochene Eliteverbände. Man muß diesen Verlust im Zusammenhang mit Stalingrad sehen, wo mit der 14., der 16. und der 24. Panzerdivision ebenfalls drei hervorragende Verbände vernichtet worden waren. Da die Wehrmacht zum damaligen Zeitpunkt nur über 24 Panzerdivisionen verfügte, machten die Verluste von Tunis und Stalingrad zusammen ein Viertel der gesamten deutschen Panzerverbände aus.

Wie bei Stalingrad war die Ka- tastrophe abwendbar und sie nahm ihren Anfang im November 1942. In jenem Herbstmonat hatte Feldmarschall Montgomery mit seiner märchenhaften Materialüberlegenheit Erwin Rommel aus El Alamein vertrieben. Am 8. November 1942 lan-deten Briten und US-Amerikaner in Marokko und Algerien und marschierten im Rücken des Afrikakorps auf. Die dem Französischen Staat treuen Franzosen in Algerien und Marokko leisteten zunächst den angelsächsischen Invasoren Widerstand, doch der brach zusammen, als Admiral François Darlan die Seiten wechselte und unter Mißachtung des deutsch-französischen Waffenstillstands von Compiègne die Verteidigung der französischen Neutralität aufgab.

16 Tage nach dem Waffenstillstand Darlans mit den Alliierten vom 12. November 1942, fuhr Rommel zu Adolf Hitler und schlug kurzerhand vor, das ganze Afrikakorps nach Italien zu evakuieren, aber Hitler wäre nicht Hitler gewesen, wenn er diesen vernünftigen Vorschlag angenommen hätte. Rommel, der die Bedeutung der alliierten Luftüberlegenheit kannte, wußte oder ahnte zumindest, daß die Versorgung der Afrikaarmee über See auf Dauer nicht zu gewährleisten war. Hitler befahl eine Gegenlandung in Tunesien.

Wesentliche Kräfte der Luftwaffe wurden so auf Dauer festgelegt. Die Verluste durch alliierte Jäger waren verheerend - und das zu einem Zeitpunkt, als in Stalingrad jede Ju 52 gebraucht wurde, um die 6. Armee zu versorgen. So gelang es weder Stalingrad ausreichend zu versorgen noch die Anglo-Amerikaner aus Nordafrika hinauszuwerfen. Die zusammengerafften deutschen Verbände waren nicht in der Lage, die US-Amerikaner aufzuhalten. Die ortsansässige arabische Bevölkerung stand in der Regel auf der Seite der Deutschen, um die französische Kolonialherrschaft loszuwerden. Von den gelandeten 100.000 alliierten Soldaten waren 75.000 US-Amerikaner. Bald zeigte sich, daß es mit ihrer Kampfkraft nicht weit her war. Bei Tebourba hielten ganze zwei 8,8-Zentimeter-Flak-Geschütze eine US-Panzerkolonne von 60 Panzerfahrzeugen auf. Am selben Ort erlitten die GIs auch den "Tigerschreck", als sie mit ganzen drei "Tiger"-Panzern zusammenstießen. Präsident Franklin D. Roosevelt machte sich ernsthaft Sorgen um die Kampfmoral. Die schlimmste Demütigung mußten die Amerikaner aber bei Pont du Fahs in Südtunesien hinnehmen. 500 US-Fallschirmjäger wurden von einem Regiment der italienischen Infanteriedivision "Superga" eingeschlossen. 400 Mann ergaben sich, 100 konnten weglaufen. Für die gedemütigte italienische Soldatenseele war das Balsam. Das offizielle Generalstabswerk der USA stellte nüchtern fest: "Die Deutschen gewannen den Wettlauf nach Tunesien."

Strategisch betrachtet war es jedoch kein Vorteil für die Achsenmächte. Die See- und Luftherrschaft übten die Alliierten aus. Tunesien mußte jedoch über See oder aus der Luft versorgt werden. Abgesehen davon, daß die Alliierten Woche für Woche unvorstellbare Massen an Material herbeischafften, verloren Italiener und Deutsche Transportflugzeuge, Troßschiffe und Kriegsschiffe in großer Zahl bei dem Versuch, Tunesien zu verteidigen. Hitler ließ aus Frankreich die 10. Panzerdivision herbeischaffen - zu einer Zeit, als Mansteins Entsatzangriff bei Stalingrad mit nur unzureichenden Kräften anlief. Mittlerweile war auch Montgomerys 8. Armee von Osten herangerückt, so daß der Brückenkopf von Tunis von zwei Seiten in die Zange genommen werden konnte.

Ende Februar schritt Rommel am Kasserinenpaß zu seiner letzten erfolgreichen Offensive in Nordafrika. Diesen Namen hören US-amerikanische Militärs bis heute nicht gern. Mit drei Panzerdivisionen, darunter der italienischen Division "Ariete", griff Rommel die Amerikaner an. 3.000 Gefangene wurden gemacht und rund 270 Panzer- und Panzerspähwagen abgeschossen. Als die Briten den Amerikanern zu Hilfe eilten, mußten sich die schlecht bewaffneten deutschen und italienischen Divisionen zurückziehen. Am 22. Februar war die Offensive zu Ende.

Hitler berief Rommel aus Afrika ab, weil er nicht wollte, daß die Alliierten ihn gefangennahmen. Nachfolger wurde der Generaloberst Jürgen von Arnim. Schritt um Schritt mußten Deutsche und Italiener zurückweichen. Bis zum Schluß war es ein Kampf, der von der Wertschätzung der Deutschen für die Briten und umgekehrt gekennzeichnet war. Die alliierte Luftflotte beherrschte rund um die Uhr den Luftraum. Als in Tunis ein Frachter mit 700 kriegsgefangenen Briten den Hafen verlassen wollte, begann gerade ein Luftangriff. Von Arnim ließ durch Funkspruch dem britischen General Alexander, den Stellvertreter des US-Oberbefehlshaber Dwight D. Eisenhower, mitteilen, daß Briten an Bord des Frachters seien. Alexander ließ daraufhin den Luftangriff abbrechen. Nach der Kapitulation der Achsentruppen im Mai sollte der arrogante Eisenhower es ablehnen, den deutschen Oberbefehlshaber zu empfangen. Sein Stellvertreter Alexander hingegen lud ihn zum Essen ein und fragte ihn, wie er sich revanchieren könne. Von Arnim bat ihn, 700 schwerverwundete Deutsche aus der Gefangenschaft zu entlassen und nach Deutschland zu bringen. Alexander: "Ich erfülle Ihren Wunsch."

Ab März 1943 erreichten nur noch kleine Handelsschiffe den Hafen von Tunis. Die Versorgung der Truppe wurde unmöglich. Generaloberst von Arnim erklärte: "Auch ohne alliierte Offensive hätte ich spätestens am 1. Juni kapitulieren müssen, weil wir nichts mehr zu essen hatten." Am 13. April 1943 begann die Schlußoffensive der Alliierten. Auch hier versagten die US- Truppen gegen die erschöpften Italiener und Deutschen, während die Briten am 7. Mai bei der 15. Panzerdivision den Durchbruch schafften. Die 11. Husaren- und Eliteformation der 7. britischen Panzerdivision stieß an den Stadtrand von Tunis vor. Der Hafen lag unter dem Artilleriefeuer der Briten. Am 13. Mai kapitulierte als letzte kämpfende Einheit die 164. leichte Afrikadivision. Damit war der Kampf um Nordafrika beendet. 18.594 deutsche Soldaten fielen in diesem Kampf, über 3.400 Mann gelten als vermißt. Die britischen Commonwealthstreitkräfte verloren in diesem dreijährigen Feldzug 35.476 Soldaten. Die Verluste der Italiener beliefen sich auf 13.748 Tote und 8.821 Vermißte. Die US-Amerikaner, die nur sechs Monate in Nordafrika kämpften, hatten einen Gesamtverlust von 16.500 Mann zu beklagen.

Nur zwei Monate später landeten die Alliierten in Europa. Allerdings bedeutete der Krieg in Nordafrika auch den Anfang vom Ende der Kolonialherrschaft der Europäer in Nordafrika. Algerien mußte in den 50er Jahren lange um seine Unabhängigkeit kämpfen - Tunesien und Marokko erlangten ihre Selbständigkeit friedlich.

Tunesien, 12. Mai 1943: Soldaten des Afrikakorps gehen in Kriegsgefangenschaft Foto: DHM