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17.05.03 / "Entbaathifizierung" ist die Devise

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. Mai 2003


"Entbaathifizierung" ist die Devise
Im Irak herrscht de facto eine amerikanische Besatzung
von Karl-Peter Gerigk

In diesen Tagen wird - durch die USA - über die Zukunft des Irak entschieden. Unbestritten ist der Versuch der Amerikaner, das Land auf unbestimmte Zeit militärisch besetzt zu halten. Nach dem militärischen Sieg der US-Streitkräfte ist Präsident George W. Bush jedoch darauf bedacht, den demokratischen Schein im Zweistromland zu wahren. Es wird so mit der Bildung einer irakischen Übergangsregierung unter Kontrolle der US-Verwaltung innerhalb der nächsten vier Wochen gerechnet, wenn man den Aussagen der Oppositionskreise des Landes Glauben schenken will.

Ende Mai werden die Spitzen der irakischen Opposition, etwa 350 Stammesvertreter und andere gesellschaftliche Persönlichkeiten, eine Konferenz abhalten. Während dieser Konferenz soll der künftige Übergangspräsident gewählt werden. An den vorbereitenden Gesprächen zu dieser Konferenz nehmen neben den Vertretern der USA, zu denen der ehemalige General Jay M. Garner und der neue Leiter der Zivilverwaltung, Paul Bremer, gehören, die Repräsentanten der irakischen Opposition teil. Dies sind fünf Personen, die als "Rat der Führer" bezeichnet werden. Mit Baqir al Hakim, dem Führer des Rates für die islamische Revolution im Irak und des nationalen Einklangs (INA), treffen sich Ahmad Tschalabi, der den Irakischen Nationalkongreß leitet, und Dschalal Talabani, der Vorsitzender der Kurdischen Patriotischen Union (PUK) ist. Zusammen mit Massud Barzani, den Vorsitzende der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), sollen sie sich auf den künftigen Führer des Irak einigen und diesen dem Kongreß vorschlagen.

Es ist schon bemerkenswert, daß neben den Vertretern der Islamischen Revolution und der demokratischen Bewegung im Irak zwei der nach Unabhängigkeit strebenden Parteien der Kurden mitentscheiden. So ist zu erwarten, daß dem Drängen nach Autonomie Kurdistans innerhalb des Iraks wohl ein offenes Ohr der US-Berater geschenkt werden wird.

Es sind seitens der amerikanischen Regierung etwa 60 Berater benannt worden, welche die künftige Übergangsregierung unterstützen sollen. Die US-Amerikaner sollen in der Tat nur beratend tätig sein, erklärte der pensionierte General Garner. Wichtig sei, daß die künftige Regierung wirklich eine irakisches Gesicht habe. Ihre Aufgabe bestehe vor allem darin, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen und eine staatliche Infrastruktur aufzubauen. Demokratischen Wahlen, die innerhalb eines Jahres stattfinden sollen, geht die Vorbereitung und Verabschiedung einer Verfassung durch den Kongreß voraus. Dann kann eine Volkszählung erfolgen, und es können Wahlkreise eingeteilt werden, so der Plan der US-Regierung. Für die Wahl wollen sich bis jetzt etwa 50 Parteien bewerben. Einzelne Vertreter dieser Parteien streben für den Irak ein föderalistisches System an. Unklar ist bis heute jedoch die Art der Zusammenarbeit zwischen der Übergangsregierung der Iraker und der existierenden Zivilverwaltung der USA.

Es ist kaum zu erwarten, daß die USA den Irakern schnell volle Freiheiten gewähren werden. Dazu ist die Zivilverwaltung auch zu detailliert strukturiert, fast wie eine Regierung. Der neue oberste Zivilverwalter Paul Bremer, der als traditioneller Konservativer bezeichnet werden kann und sich nicht nur in der Terrorismusbekämpfung (secretary of couter-terrorism) auszeichnete, sondern auch schon unter Ronald Reagan und Henry Kissinger hohe Regierungsfunktionen und Botschaftsaufgaben wahrgenommen hat, wird von Präsident Bush als "Macher" bezeichnet. Er sei durchdrungen von amerikanischem Geist und dem Willen zu Frieden und Freiheit für den Irak. Daneben sind für fast alle ministerialen Bereiche wie Finanzen, Landwirtschaft, Information, Handel, Kultur, Äußeres und Verteidigung Zivilverwalter eingesetzt. In besonderer Funktion ist vor allem Larry DiRita. Er war Stabs- chef im Sekretariat des Verteidigungsministeriums (secretary of defense) der USA und ist nun höchster Berater Bremers in Verteidigungsfragen. Auch aus dem US-Verteidigungsministerium kommt Michael H. Mobbs. Der Absolvent der renommierten Yale-Universität war vor allem zuständig für die Abrüstungsverhandlungen mit der UdSSR seit Mitte der 80er Jahre und ist somit ebenso wie DiRita gestandener Republikaner der Reagan-Ära. Speziell für die Regionen zuständig sind Bruce Moore (Norden und Kurdistan), Walters (Süd) und Barbara K. Bodine (Mitte). Gerade Barbara Bodine hat eine bedeutende Aufgabe als Koordinatorin der Region um Bagdad. Ebenso wie Mobbs und DiRita ist sie in der Ägide Kissinger groß geworden und war in derselben Dienststelle zur Terrorismusbekämpfung tätig wie Bremer. Sie kennt die arabische Region aus ihrer Zeit als Botschafterin im Jemen und ihrer Arbeit für den Wiederaufbau Kuwaits nach der irakischen Invasion von 1991.

Die Spitzenpositionen der Zivilverwaltung sind so mit den Republikanern besetzt, die Mitte der 80er Jahre durch eine "Politik der Stärke" gegenüber der UdSSR Gorbatschow zu Glasnost und Perestroika veranlaßt haben und den Zusammenbruch des Ostblockes anstießen. Es sind Anti-Kommunisten, die für eine totalitäre und sozialistische Baath-Partei und deren Anhängern nicht viel übrig haben.

Was die Zivilverwaltung im Irak realisieren wird, ist nicht schwer vorauszusehen. James Fallow entwarf in der Zeitschrift Atlantic Monthly ein Szenarium, welches das Vorgehen der alliierten Siegermächte in Deutschland nach 1945 als Beispiel nimmt: neben der militärischen Verwaltung und Kontrolle aller wichtigen staatlichen Aufgaben wird eine "Entbaathifizierung" vorgenommen, indem Husseins Apparat gänzlich ausgeschaltet und liquidiert werden soll.

Daneben werden Kriegsverbre-cherprozesse und eine ökonomische Transformation eingeleitet. Ari Fleischer, Sprecher des US-Präsidenten, betonte jedoch, daß es eine Art Marshall-Plan nicht geben wird. Der Irak muß durch seine Ölein-nahmen die Kosten des Krieges und des Aufbaus selbst bezahlen. Die Uno wird kein wichtige Rolle beim Wiederaufbau des Irak spielen.

Die Probleme zwischen der Zivilverwaltung durch die USA und irakischer Übergangsregierung sind programmiert. Dies nicht nur, weil es Kompetenzgerangel geben wird, sondern weil irakische Oppositionelle den Amerikanern offen mit Terror drohen.

Baqir al Hakim, der Führer der Islamischen Revolution im Irak, hat solche Terrorakte für den Fall angekündigt, daß die USA ein Protektorat im Irak errichten wollen. In diesem Zusammenhang ist die Haltung des Iran sehr bedeutsam, in dem eine islamische Revolutionsregierung an der Macht ist, die von Schiiten geleitet wird, jener Religionsgruppe im Irak, die mit revo- lutionärer Unterstützung aus Teheran rechen kann. (Siehe auch Beitrag auf Seite 6.)