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17.05.03 / Zwei große Ausstellungen in Berlin würdigen Fotografie als Kunst

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. Mai 2003


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Zwei große Ausstellungen in Berlin würdigen Fotografie als Kunst

Eine erschreckende Meldung geisterte kürzlich durch die Presse: Deutschlands Museen vor dem Bankrott, Ausstellungen abgesagt oder reduziert, drohende Schließungen, Magazine in desolatem Zustand. Empfindliche Etatkürzungen bei Bund, Ländern und Kommunen würden drastische Maßnahmen erforderlich machen, auch zeigten Besucherzahlen im vergangenen Jahr dramatische Einbrüche. Nicht zu Unrecht steht der diesjährige Internationale Museumstag am 18. Mai unter dem Motto "Museen haben Freunde". Ziel dieser Initiative ist es, auf die bunte Palette der Museumsarbeit und die thematische Vielfalt der rund 6.000 Museen in Deutschland aufmerksam zu machen.

Wenn ein einzelnes Haus auch mit finanziellen Nöten zu kämpfen hat, so bietet sich in vielen Fällen eine intensivere Zusammenarbeit an. Da haben sich zum Beispiel 18 Berliner Regionalmuseen zusam-mengetan und präsentieren nun vom 18. Mai bis 13. Juli eine große Fotoausstellung mit etwa 200 Fotografien aus der Zeit von 1860 bis 1997 im Museum Mitte von Berlin, Palais am Festungsgraben (mittwochs bis freitags 13 bis 17 Uhr, sonnabends 13 bis 20 Uhr, sonntags 11 bis 17 Uhr). Unter dem Titel "Im Blick: Berlin" sind Arbeiten verschiedenster Funktion, stilistischer Ausprägung und Herstellungsverfahren zu sehen. Einen Einblick in die unterschiedliche Sicht der Dinge und in die Herstellungsweise erhält man in dieser Ausstellung, die anschließend auch im Heimatmuseum Köpenick, im Stadtgeschichtlichen Museum Spandau und im Heimatmuseum Reinickendorf zu sehen sein wird. Gezeigt werden übrigens auch Arbeiten von Hermann Rückwardt (1845-1919), der im westpreußischen Löbau geboren wurde und im ostpreußischen Heilsberg aufwuchs. In Berlin besuchte er die Kgl. Gewerbeschule und ließ sich 1868 als Fotograf nieder. Rückwardt, der einerseits als hochprofessioneller Lichtbildner gilt, andererseits aber auch wußte, wie er seine Werke gewinnbringend vermarkten konnte, hat in vielen Einzelfotografien und Mappenwerken Berlin und seine Bauten festgehalten - eine Fundgrube für Architekturfreunde und Liebhaber des historischen Berlin.

Die Fotografie als historisches Dokument, als Medium, als Kunstwerk oder als Erinnerungsstütze, vielleicht auch als Zufallsprodukt - vielfältig ist die funktionale Bedeutung der Fotografie. Heute kaum noch bekannt ist die Kunstfotografie, eine Reformbewegung, die in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts aufgekommen war. Ambitionierte Amateure wollten sich damals von den kommerzialisierten Berufsateliers abgrenzen und der Fotografie Anerkennung als Kunst verschaffen. Es entstanden Arbeiten, die durch aufwendige Abzugstechniken geprägt waren und malerische Tendenzen wie den Impressionismus, den Jugendstil oder Symbolismus imitierten. Die Motive fanden die Fotografen in der Landschaft, dem Porträt und dem Genre. Wichtiger Verfechter dieser Kunstrichtung war der Insterburger Fritz Matthies-Masuren (1873-1938). Aus Anlaß seines 130. Geburtstages zeigt die Berliner Kunstbibliothek (Kulturforum am Matthäikirchplatz) noch bis zum 15. Juni (dienstags bis freitags 10 bis 18 Uhr, am Wochen-ende 11 bis 18 Uhr) eine Auswahl von rund 100 Fotografien aus dessen Sammlung. Matthies-Masuren hat selbst als Fotograf, aber auch als Redakteur, Publizist und Ausstellungsorganisator gearbeitet und so dieser Kunstrichtung zum Durchbruch verholfen. Wichtig war ihm, "die klare und störende Zeichnung der Einzelheiten", die eine Fotografie auszeichnet, "verschwinden zu lassen und damit die einfache große Erscheinung" der Kunst zu erreichen. Die Ausstellung dokumentiert nicht nur ein Stück Fotografiegeschichte um 1900, sondern auch die Persönlichkeit dieses ungewöhnlichen Ostpreußen aus Insterburg. Silke Osman

Hermann Rückwardt: Berlin um die Jahrhundertwende

Foto: aus "Berlin zwischen Residenz und Metropole", Nicolai Verlag