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24.05.03 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. Mai 2003


"Richtig Geld" Reste-Essen in Deutschland
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Es ist, als ob ich schwebe!" rufen wir aus, wenn wir uns ganz leicht, unbelastet und heiter fühlen. Schweben tut beispielsweise, wer in eine kilometertiefe Schlucht springt. Wenn er ausklammert, was ihm unten blüht, kann er bis zum Aufprall eine wunderschöne Zeit genießen. Hans Eichel erlebt das gerade. Während er so dahinsaust, begegnen ihm lauter bunte Visionen von überirdischer Schönheit: 0,75 Prozent Wirtschaftswachstum für 2003! Die Konjunkturerholung, die schon in ein paar Monaten alles wieder richten wird und die Agenda, ja!, die Agenda, die ihn gleich mit starker Hand wieder nach oben über die Klippen zieht. Der Fallwind durchwirbelt sein Haar und er spürt: Es geht voran. Er weiß nichts von der Rezession im ersten Quartal, nichts davon, daß die zusätzlichen Steuerausfälle bis 2006 die befürchteten 126 Milliarden weit übersteigen werden und daß die Weltwirtschaft nach allem Möglichen aussieht - nur eben nicht nach dem großen Aufschwung ... ihm geht es gut. Also bis gleich, Hans, wir warten unten auf dich.

Die Vermögensteuer ist nicht totzukriegen. Wer noch was hat, soll das gefälligst abliefern, fordern Gewerkschaften und SPD-Linke. "Richtig Geld in die Hand nehmen" nennt DGB-Chef Sommer das und kriegt ganz feuchte Finger dabei. Die geizigen Reichen werfen ein, diese Steuer werde mehr Verwaltungskosten verursachen, als sie einbringt. "Vermögen" verteile sich auf Geld, Wertpapiere, Möbel, Häuser und Tausende Dinge mehr, die der Fiskus umständlich erfassen müßte.

Da ist natürlich was dran. Andererseits würden Eichels Fahnder nur auf diese Weise endlich umfassend erfahren, was die hinterhältigen Bürger ihm in den Tresoren, Konten und Wohnstuben alles vorenthalten. Von Omas Silberbesteck, den teuren Klamotten und Möbeln bis zum antiken Angelgerät von Onkel Fritz. Das muß komplett aufgelistet werden, zählt es doch schließlich zum "Vermögen". Wie alles, was sich zu Geld machen ließe. Moment mal - richtig! Was ist dann eigentlich mit dem "geistigen Vermögen"? Mathekenntnisse, Fremdsprachen, handwerkliche Begabung oder die Fähigkeit, hübsche Gedichte zu schreiben: All das ist doch was Wert - am Markt! "Vermögen" also.

Der blödeste, älteste Stammtischspaß war der mit der "Schönwettersteuer". Über den haben alle nur noch aus Höflichkeit gelacht - bis auf einen: Michael Vesper, Städtebauminister von Nordrhein-Westfalen. Dem hätten wir den Uralt-Knaller lieber nicht erzählen sollen. Der Grünen-Politiker hat ihn nämlich ernstgenommen und herausgefunden, daß in seinem Bundesland die Sonne weniger scheint als in Bayern. Deshalb müßten Solaranlagen-Betreiber an Rhein, Ruhr und im Norden subventioniert werden, um der schreienden meteorologischen Ungerechtigkeit zu begegnen. Wovon das finanziert werden soll? Die Staatskassen sind leer. Also muß eine Sonnenabgabe aus den privilegierten Landesteilen her: die Schönwettersteuer eben. Deutschlands Witzbolde sollten sich künftig zweimal überlegen, was sie da alles über ihre Lippen lassen: "Pst! Politiker hört mit!" Die Sache mit der Geistesvermögensteuer muß streng unter uns bleiben.

Doch Spaß beiseite. Die Lage ist bitterernst. Schon müssen Politiker fürchten, alsbald für ihr Versagen brachial zur Verantwortung gezogen zu werden. Die ersten bauen vor und verhüllen ihre wahre Identität unter ulkigen Tarnbezeichnungen. So nennt sich eine SPD-Abgeordnete neuerdings Sigrid Skarpelis-Sperk. Was offenbar als Pseudonym gedacht war, klingt indessen eher nach Alkoholkontrolle: "Nichts getrunken? Na, dann sagen Sie mal Skar..." Wer da heil durchkommt, muß in der Tat stocknüchtern sein.

Roland Koch ist dem US-Präsidenten "eher zufällig" im Weißen Haus über den Weg gelaufen, sagt Schröders Regierungssprecher. Das regt zum Nachdenken an. Wie hat er das gedeichselt? Kann man sich dort ein Zimmer nehmen und George Bush beim Frühstücksbüfett auflauern? Hat sich der hessische Ministerpräsident in die Serviette des mächtigsten Mannes der Welt einrollen lassen, um in seine Nähe zu gelangen? Oder hat er sich unter die Gartenfrösche gemischt, ist mit denen unbemerkt in den Park eingedrungen und dann durch die Katzenklappe ins Haus gehuscht? Verwirrt müssen wir eingestehen, daß wir über die verästelten Hintergründe der Weltpolitik nur sehr wenig Kenntnis haben.

Da ist es gut zu wissen, daß wir Politiker haben, die mit uns dieses schreckliche Schicksal solidarisch teilen: Während sich die FDP auf dem Bundesparteitag in Bremen Mut machte, streunte ihr schlechtes Gewissen ganz in der Nähe durchs Unterholz. Im südoldenburgischen Neunkirchen/Vörden las Jürgen W. Möllemann aus seinem Buch "Klartext für Deutschland". "Ich wußte nicht", "Ich dachte gar nicht daran", "Ich ahnte ja nicht" sind die Lieblingsformulierungen im Werk des genialen Liberalen. Das ist Bürgernähe: Politiker, die wie wir nichts wissen, nichts denken und nichts ahnen, von denen fühlen wir uns verstanden.

Derweil Möllemann sich ab- rackert, planen die besten Köpfe ihre Republik-Flucht. Nach Joschka Fischer (Siehe Folge 20) überlegt nun selbst Wolfgang Gerhardt, sich nach Europa abzusetzen. Seine Fans umjubelten den smarten Ex-FDP-Chef bereits zu Zeiten seines Vorsitzes als den "Mann mit dem gewissen Garnichts". Seine schillernde Ausstrahlung verschaffte der FDP das strahlende Charisma einer weißen Rauhfasertapete. Was wird aus Deutschland, wenn der auch noch weg ist? Dabei ist seit Wochenbeginn soviel Hoffnung im Land: Nachdem man uns ein paar Tage lang mit dem "Iwan" drohte, hat die Reformpolitik der Regierung nun endlich einen klaren, schönen Namen bekommen: "Wzenf" (kurz für "Wege zu einem neuen Fortschritt"). "Wzenf" - immer wieder verblüffend, wie elegant es Politiker verstehen, mit einem knappen Wort die Lage auf den Punkt zu bringen. Ab heute sind alle aufgerufen, ihren eigenen Wzenf dazuzugeben. "Ich buchstabiere nochmals, Herr Schröder: 'K' wie 'Kaputt'"

Zeichnung: Götz Wiedenroth