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31.05.03 / Die Mär von der "bewussten Verschonung" / Am 31. Mai 1942 begannen die alliierten Großangriffe auf Köln, die der Dom scheinbar fast unversehrt überstand

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 31. Mai 2003


Die Mär von der "bewussten Verschonung"
Am 31. Mai 1942 begannen die alliierten Großangriffe auf Köln, die der Dom scheinbar fast unversehrt überstand

Auf der Konferenz von Casablanca im Mai 1943 wurde das Ziel der Alliierten Bomberoffensive rückwirkend definiert: "... die Kampfmoral der deutschen Bevölkerung soll soweit unterminiert werden, daß ihre Fähigkeit, bewaffneten Widerstand zu leisten, entscheidend geschwächt wird." Schon am 4. September 1939 - genau ein Jahr vor dem ersten deutschen Angriff auf London - begannen die Angriffe der Royal Air Force (RAF) auf Deutschland. Das erklärte Ziel der RAF, deutsche Städte mit Massenbombardements zu überziehen, um die Moral der Bevölkerung zu unterminieren, führte am 31. Mai 1942 zum ersten Höhepunkt des Luftterrors, dem 1.000-Bomber-Angriff auf Köln. Die weitverbreitete Ansicht, dieser und die bis zum Frühjahr 1945 folgenden Angriffe auf Köln hätten die Domkirche bewußt verschont, soll hier kritisch betrachtet werden.

Im wesentlichen werden zwei Gründe für die Behauptung angeführt, das Bauwerk wäre bewußt verschont worden: erstens hätte man in der englischen Luftkriegsführung Rücksicht auf dieses Symbol mittelalterlicher Baukunst und abendländischer Kultur genommen, zweitens hätte der Dom für die Bomberpiloten die für sie wertvolle Funktion eines Wegweisers gehabt.

Zunächst zur ersten These. Es drängen sich sofort zwei Fragen auf: wie hätte man rein technisch, wenn dieses denn gewollt gewesen war, erreichen können, daß die riesigen Bomberverbände mit dicht an dicht fliegenden Flugzeugen, die ihre Bombenlast aus großer Höhe abwarfen, ein - im Verhältnis zum Kölner Stadtgebiet - sehr kleines Ziel ausnahmen und verschonten? Die Kölner Innenstadt wurde schließlich zu 95 Prozent zerstört. Wer die Bilder vom zerstörten Köln vor Augen hat, sieht die beiden Türme des Doms wie zwei mahnende Finger aus einer Trümmerlandschaft ragen. Bei aufmerksamer Betrachtung offenbart sich die Tatsache, daß auch die dicht bis an das Gotteshaus geführte zivile Bebauung den Bomben zum Opfer fiel. Wie hätte das "Loch" für den Dom im dicht gewebten Bombenteppich entstehen sollen? Da dies bei den Tagangriffen schon so unwahrscheinlich ist, wie hätte dies in den vielen Nachtangriffen gelungen sein sollen?

Die zweite Entgegnung ist: wieso sollte unter den vielen Kulturdenkmälern profaner und klerikaler Art, die den Terror- und Vernichtungsangriffen auf Deutschland zum Opfer fielen, ausgerechnet das Kölner Wahrzeichen ausgenommen werden? Stephan Buchkremer, Retter des Aachener Doms und Mitgründer der Karlspreisverleihung, zitiert in einem Interview die Einstellung Winston Churchills: "Ich kämpfe gegen Deutschland und damit auch gegen die deutsche Kultur." Der gezielt bombardierte Aachener Dom erhielt 867 Treffer! Nur durch den Einsatz Buchkremers und seiner Brandschutztruppe wurde dieses europäische Kulturgut gerettet. Hierfür erhielt er das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Als Churchill 1955 den Karlspreis der Stadt Aachen erhielt, trat Buchkremer aus dem Vergabegremium aus.

Daß der Dom als markantes und höchstes Gebäude Kölns notwendige und einzige Orientierungshilfe für die fliegenden Terroristen gewesen sei, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Die einzigartige Lage am Rhein und die sich noch an der mittelalterlichen Stadtmauer und dem Festungsring orientierende halbrunde Bebauung der Stadt sowie ihre Größe dürften für die Tagangriffe zur Orientierung aus der Luft genügt haben. Bei den Nachtangriffen konnte wegen der Verdunkelung weder der Dom noch sonst ein Gebäude eine Rolle gespielt haben. Das gleiche gilt für Nebel, dichte Wolkendecke oder Regen. Schließlich kommt hinzu, daß die Engländer spätestens seit 1943 Radar verwendeten, was eine anderweitige Orientierung überflüssig machte. Zuletzt, auch Städte ohne ein so markantes Wahrzeichen sind von den "Architekten des Todes" gefunden worden.

Nach den vielen Fragen nun zur "Numerischen Sicherheit". Abgesehen von kleineren Schäden, die durch die 262 Bombardierungen Kölns am Dom entstanden, seien hier die wesentlichen Zerstörungen aufgeführt. Der Dom mußte am 29. Juni 1943, nachdem eine Sprengbombe auf dem Dach detoniert war, die vier Mittelschiffgewölbe eingestürzt waren, die Orgel zerstört worden war, die Giebelspitze der Nordfassade abgebrochen war und an der Südseite des Südturms ebenfalls große Schäden entstanden waren, für den Gottesdienst geschlossen werden. Am 3. November 1943 wurde infolge des Bombenhagels ein 80 Kubikmeter großes Loch in den nordwestlichen Strebepfeiler gerissen. Diese die Existenz des Domes gefährdende Wunde wurde noch 1943 durch eine Ziegelausmauerung geschlossen. An der Südseite wurde ein riesiges Loch in die Außenfassade gerissen. Noch am 2. März 1945, drei Tage vor dem Einmarsch der Alliierten in Köln, fand der letzte Luftangriff auf Köln statt. Auch dieser Angriff rief erhebliche Schäden an der mittelalterlichen Kathedrale hervor. Damit aber nicht genug, Bei der Beschießung der sich zurückziehenden deutschen Einheiten wurde dieses Symbol deutscher Kulturleistung am 15. März 1945 noch von 19 Artillerie-Granaten getroffen.

Das traurige Ergebnis der alliierten Zerstörungswut zeigte sich allerdings bei grober Betrachtung nicht von außen, sondern durch einen Blick auf den riesigen Trümmerhaufen im Innern des Gotteshauses, auf den der Regen ungehindert durch das Dach plätscherte. Einzig das konstruktive Gefüge, die gotische Bauweise des Doms hatte die Katastrophe verhindert.

Nur der scheinbar fast unversehrte äußere Zustand des Kölner Wahrzeichens inmitten einer Trümmerwüste, gepaart mit grenzenloser Naivität, kann dazu geführt haben, daß sich das Gerücht von der "bewußten Verschonung" des einzigartigen Gotteshauses in der Rheinmetropole so lange gehalten hat.

Das von Bomben zerstörte Köln: Wie zwei mahnende Finger ragen die beiden Türme der Domkirche aus der Trümmerlandschaft