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07.06.03 / Der Alte Fritz als Touristenmagnet - und seine Gegner

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 07. Juni 2003


Friedrich II. in Friedrichshagen
Der Alte Fritz als Touristenmagnet - und seine Gegner
von Ekkehard Schultz

Am südöstlichen Stadtrand von Berlin liegt der Ortsteil Friedrichshagen. Vor 250 Jahren zunächst als Siedlung für Glaubensflüchtlinge aus Böhmen, aber auch für Kolonisten aus Sachsen und Hessen errichtet, wurde die sehr wald- und seenreiche Gegend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum beliebten Tagesausflugsgebiet für alle, die für kurze Zeit der rasch wachsenden Großstadt den Rücken kehren wollten. Gefördert durch die attraktive Lage und guten Anschluß an den öffentlichen Nahverkehr zog Friedrichshagen um die Jahrhundertwende zahlreiche Künstler sowie Besitz- und Bildungsbürgertum an, die dort schnell heimisch wurden.

Bis heute sind die unmittelbare Nähe zur Natur sowie die Ruhe, die der Stadtteil allgemein ausstrahlt die wesentlichen Markenzeichen des Ortsteiles geblieben. Doch in diesem Jahr wurde diese Ruhe etwas gestört durch die jüngste Wiederaufstellung eines Denkmales, welches an den Gründungsvater des Ortes, Friedrich den Großen, erinnert. Bereits 1904 - vor knapp 100 Jahren - war sein originalgetreuer Vorgänger auf dem Marktplatz aufgestellt worden. In den Nachkriegsjahren buchstäblich "verschwunden", ragt nun seit dem 11. Mai zum 250jährigen Gründungsjubiläum des Ortes wieder eine originalgetreue Nachbildung an der alten Stelle des Standbildes in die Höhe.

Die Finanzierung des fast drei Meter hohen Kupfergusses sowie des Sockels in Höhe von etwa 114.000 Euro wurde ausschließlich aus Spenden von kleinen Firmen und Einzelpersonen bestritten. Die Federführung für diese Aktion liegt seit fast zehn Jahren in den Händen von deren Initiator Alfred-Mario Molter. Die Anfertigung erfolgte nach Entwürfen des Bildhauers Spartak Babajan in der Kunstgießerei Seiler in Schöneiche bei Berlin. Der 3,20 Meter hohe Sockel zu Füßen des Alten Fritz (1712-1786) wurde von dem Stuckhaus Köpenick, das sich mit einem Drittel der Sockelkosten selbst beteiligte, hergestellt.

Für die Wiedererrichtung des Denkmals sprachen vor allem städteplanerische und touri- stische Erwägungen. Einerseits soll damit dem zentral gelegenen Marktplatz, durch die Dominanz sozialistischer Gebrauchsarchitektur der siebziger Jahre einer der un- attraktivsten Orte in Friedrichshagen, eine größere Anziehungskraft verliehen werden. Gleichfalls sollen durch das Denkmal mehr Touristen angelockt und damit auch mehr Kaufkraft in den peripheren Stadtteil gezogen werden.

Doch solche Argumente läßt eine sich besonders in den letzten Wochen öffentlichkeitswirksam präsentierende Schar von Gegnern - angeführt von Ortspolitikern und Lokalhistorikern - nicht gelten: Für sie stellt Friedrich II. einen "Menschenschinder" und "Blutsauger" dar, der an diesem Ort nichts verloren habe. Dabei stehen solche Formulierungen, die an das Spracharsenal aus der Zeit des kalten Krieges erinnern, pikanterweise selbst im Kontrast zum Geschichtsbild, das in der untergegangenen DDR im letzten Jahrzehnt ihres Bestehens gepflegt wurde. Immerhin demonstrierte die Wiederaufstellung des bekannten Denkmals von Christian Daniel Rauch in der Allee Unter den Linden die Bereitschaft zu einer zumindest teilweisen Lockerung eines allzu starren politischen Korsetts. Selbst wenn aus heutiger Sicht davon auszugehen ist, daß damals eine Mischung aus städteplanerischen, künstlerischen wie auch militärischen Erwägungen eine Rolle spielte, wird der tatsächliche Gewinn, den die Stadt damit erzielt, kaum noch bestritten. Im Hinblick auf ein Denkmal, in dem sich lediglich die Gründungsgeschichte eines Ortsteils widerspiegeln soll, wirken solche Vorwürfe doppelt grotesk.

Tatsächlich geht es den Protestlern - die sich mehrheitlich als "kritische Intellektuelle" verstehen - jedoch weniger um die Person Friedrichs II., die ja durchaus interessante Kontroversen auslösen könnte: Der entscheidende Grund für ihre Initiativen ist, daß von ihnen jede Einweihung eines Denkmals oder Straßenschildes als Niederlage gewertet wird, in der eine ausschließliche Orientierung an "fortschrittlichen Werten" nicht sichtbar wird. Eine "Ikone der Deutschkonservativen und Reaktionäre" werde da "auf den Sockel gehoben", so die bezeichnende Stellungnahme, die der Ortshistoriker Reinhard Roggisch erst vor wenigen Tagen der Öffentlichkeit präsentierte.

Gestärkt durch solche Argumente, bleiben auch die örtlichen Politiker der SPD, die eine Mehrheit in der Kommunalvertretung besitzt, demonstrativ der Denkmalseinweihung am 11. Mai fern. Dabei genügt ein Blick auf die Planungen mit neuen Denkmälern, Gedenktafeln und Straßenbezeichnungen im Berliner Raum, daß die Rede von einem "konservativen" Trend jeder Grundlage entbehrt. Ganz im Gegenteil: Erst vor einem guten halben Jahr wurde eine langwierige Diskussion um die Aufstellung eines Rosa-Luxemburg-Denkmals geführt, die nur unter Hinweis auf die zahlreichen bereits bestehenden Ehrungen der Kommunistin einstweilig an Bedeutung verloren hat. Auch die zahlreichen Bezüge im Stadtbild auf Karl Liebknecht, Karl Marx und Fried-rich Engels sowie zahlreiche kommunistische Verfolgte im Nationalsozialismus sind schon für Kurz- besucher unübersehbar, obwohl dabei häufig über den kommunalen Bezug gestritten werden kann. Sogar dem sowjetischen Diktator und Massenmörder Stalin wird mit zahlreichen Zitaten auf Ehrentafeln am Treptower Siegesdenkmal immer noch große Ehre zuteil - ein Zeichen einer wahrlich weitreichenden preußischen Toleranz.

Unter dem Zeichen des bestehenden Aufklärungsbedarfs werden nunmehr mehrere Gesprächsrunden zwischen Landes- und Kommunalpolitikern, Historikern und Vertretern der unterschiedlichen Interessenvertretungen in den nächsten Wochen stattfinden. Ohne die Berechtigung derartiger Veranstaltungen pauschal zu bestreiten, läßt sich jetzt schon prognostizieren, daß damit die guten Möglichkeiten, die Wiederaufstellung des Standbildes als Symbol eines gemessenen, unverkrampften Umgangs mit der eigenen Geschichte und der Wiederentdeckung der eigenen Tradition zu nutzen, reduziert werden. Vielmehr beweist die kleinliche Dis-kussion, daß Zweifel an dem politischen Selbstbewußtsein der Berliner Republik nach wie vor ihre Berechtigung haben.

Friedrichshagen: Neu erstanden ist hier das Demkmal des großen Preußenkönigs. Foto: Schultz