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07.06.03 / Königsberger Gebiet will trotz Bürgschaft nicht für Schulden aufkommen

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 07. Juni 2003


Wirrwarr um Dresdner-Bank-Kredit
Königsberger Gebiet will trotz Bürgschaft nicht für Schulden aufkommen
von M. Rosenthal-Kappi

Schreckensmeldungen über die bevorstehende Zahlungsunfähigkeit des Königsberger Gebiets füllten in den vergangenen Wochen die Presseorgane der Region, als bekannt wurde, daß die Moskauer MDM-Bank die Schulden des Gebiets bei der Dresdner Bank aufgekauft hat. Die Finanzgruppe MDM - ein seit 1993 bestehendes Bank- und Finanzierungsunternehmen, das sich während der Krisenjahre 1998 bis 2000 im russischen Bankenwesen erfolgreich etablieren konnte und 2001 eine Niederlassung in London gründete - erklärte, nun rechtmäßige Gläubigerin für die Forderung zu sein und die Eintreibung der Schulden notfalls mit gerichtlichen Schritten betreiben zu wollen.

Zur Vorgeschichte: Im Februar 1998, das heißt zu Zeiten, als Leonid Gorbenko Gebiets-Gouverneur war, hatte der sogenannte Regionale Entwicklungsfonds für das Königsberger Gebiet bei der Dresdner Bank einen Kredit in Höhe von zehn Millionen US-Dollar aufgenommen, für den die Gebietsverwaltung bürgte. Das Geld sollte für "die sozialen Interessen der Gebietsbewohner" und die Entwick-lung der Wirtschaft verwendet werden. Ein Teil der Summe floß in Reparaturwerften in Königsberg und Rauschen sowie in Aktien von Firmen, die sich mehrheitlich im Besitz der Gebietsadministration befanden. Einen Großteil erhielt die Geflügelfarm "Kaliningradptitseprom", die nach ihrer Modernisierung als "führender russischer Konzern zur Herstellung von Geflü- gelfleisch" und gleichzeitig als großer Erfolg der Politik Gorbenkos gefeiert wurde.

Unberücksichtigt blieb dabei, daß die Geflügelfarm zuvor bereits bei der russischen Bank "Baltika" hoch verschuldet war. Der Gebietsadministration hingegen wurde ein positiver Geschäftsplan mit garantierten Rückzahlungssummen vorgelegt. Als am 31. März 2000 die Dresdner Bank die Rückzahlung der Kreditsumme verlangte, stellte sich heraus, daß die Firma trotz guter Absatzzahlen und internationaler Auszeichnungen für ihre Produkte zahlungsunfähig war. Als Sündenbock für diesen Handel sollte der damalige Vize-Gouverneur Michail Karetnyj herhalten, von dem der Vorschlag stammte, den Kredit bei der Dresdner Bank aufzunehmen, und der mit der Aufgabe betraut war, dieses Geld dann nach seinem Gutdünken im Gebiet zu verteilen. Das gegen ihn eingeleitete Verfahren wegen Veruntreuung mußte jedoch bald wieder eingestellt werden, da seine Schuld an der Situation nicht bewiesen werden konnte.

Seit dem 1. April 2000 sind Verzugszinsen für den Kredit bei der Dresdner Bank aufgelaufen, so daß der Betrag, für den die Gebietsverwaltung gebürgt hatte, inzwischen auf 15,5 Millionen Dollar angewachsen ist.

Die Gebietsverwaltung erklärte daraufhin den mit der Dresdner Bank abgeschlossenen Vertrag zunächst einmal für null und nichtig aufgrund wesentlicher formaler Fehler. Beim Abschluß des Vertrages mit der Dresdner Bank habe es von Anfang an Ungereimtheiten gegeben, und die Vertragsparteien seien gar nicht zeichnungsberechtigt gewesen.

Der "Königsberger Express" nennt einige Punkte, die den rechtmäßigen Abschluß des Vertrages tatsächlich in Frage stellen. Erstens sei es fraglich, warum die Gebietsverwaltung überhaupt einen Kredit bei einem ausländischen Institut benötigte, obwohl russische Banken zu günstigeren Konditionen finanziert hätten. Da das Königsberger Gebiet damals schon eine von Moskau geförderte Sonderwirtschaftszone war, hätte eine Kreditaufnahme mit der Staats-Duma abgestimmt werden müssen. Die wurde jedoch erst nach Vertragsunterzeichnung von dem Vorgang informiert. Als wichtigste Formfehler seien das völlige Fehlen einer Angabe über den Verwendungszweck des Kredits in den Verträgen sowie fehlende Vereinbarungen über die Rückzahlungsmodalitäten zu werten. Dem Ex-Gouverneur wirft das Blatt vor, die Bürgschaft für den Kredit im Namen der Gebietsverwaltung übernommen zu haben, obwohl die Summe nicht in den Gebietshaushalt einfloß, sondern dem Regionalen Entwickungsfonds zur Verfügung gestellt wurde, der die Summe letztendlich veruntreut habe.

Die derzeitige Gebietsadministration will offenbar mit der Angelegenheit nichts zu tun haben; sie schweigt sich zu dem Thema aus. Man verläßt sich darauf, die Rechtmäßigkeit des Kreditvertrags anzuzweifeln und nach dem Motto zu verfahren: Wenn der Vertrag nicht rechtens war, dann muß auch nichts zurückgezahlt werden! Die juristische Überprüfung und die gerichtliche Entscheidung in der Sache stehen noch aus.

Inzwischen sind sogenannte Fondsmarkt-Experten damit beschäftigt, das Geschäftsgebaren der MDM-Finanzgruppe anzuprangern. Die Kreditforderung wurde als unrechtmäßig erklärt und als gezielte PR-Aktion des Unternehmens abgetan. Hinter dem Vorgehen stünden weniger wirtschaftliche Interessen als der Versuch, im Königsberger Gebiet politischen Einfluß zu nehmen. Die Firmenstrategie sei, marode Betriebe und Privatbanken aufzukaufen, um so den Einfluß der Moskauer Finanzelite in Rußlands Provinzen zu stärken. Seit dem Jahr 2000 befindet sich die Unternehmensgruppe auf Expansionskurs. 2001 kaufte sie eine Bank in St. Petersburg, 2002 erwarb sie weitere Banken in Jekaterinburg und St. Petersburg und gründete Niederlassungen im Ural. Mittlerweile zählt sie zu den zehn größten Bankhäusern Rußlands.

Neuesten Gerüchten zufolge soll nun "Duke-Investments", eine auf Zypern eingetragene Gesellschaft, die Schuldforderungen aus dem Kredit der Dresdner Bank übernommen haben.

Dresdner Bank: Der Blick durch ihr Verwaltungsgebäude an der Gallusanlage 8 in Frankfurt auf ihr Hochhaus am Jürgen-Ponto-Platz suggeriert eine Klarheit und Transparenz, die man sich von ihren Geschäften im und mit dem Königsberger Gebiet wünschte. Foto: Thomas Klewar, Dresdner Bank