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28.06.03 / Unbekanntes und Bekanntes / Tagung der Internationalen Ernst-Wiechert-Gesellschaft - Weites Forschungsfeld für zukünftige Generationen

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 28. Juni 2003


Unbekanntes und Bekanntes
Tagung der Internationalen Ernst-Wiechert-Gesellschaft - Weites Forschungsfeld für zukünftige Generationen

Die Siebente Wissenschaftliche Tagung der Internationalen Ernst-Wiechert-Gesellschaft (IEWG) zeigte Wiechert in seinem geistig-künstlerischen Umfeld. Mit dem ersten Vortrag "Ernst Wiecherts Verhältnis zu Schriftstellerkollegen seiner Zeit" bot Dr. Hans-Martin Pleßke einen umfassenden Überblick auf die Literaturgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bei Wiechert bestand zunächst eine engere Beziehung zu den Kollegen, die wie er den Ersten Weltkrieg erlebt hatten. Das waren unter anderem Paul Alverdes, Georg Britting, Arno Holz und Karl Benno von Mechow, die auch dem christlich geprägten Eckart-Kreis angehörten. Ihr Urteil über Wiechert war unterschiedlich. Positiv waren seine Beziehungen zu Hermann Hesse, Hans Carossa und Heinrich Wolfgang Seidel, den er höher schätzte als dessen Frau Ina. Er schätzte ebenso Selma Lagerlöf und Agnes Miegel und verehrte Ricarda Huch. Mit Rudolf G. Binding, Leo von König, Adelbert Alexander Zinn und Reinhold Schneider, sie alle Mitglieder der Michaelsbruderschaft, pflegte Wiechert einen intensiven Austausch. Frank Thiess und Hermann Kasack rühmten die Wärme und Güte Wiecherts Werk, und Marie-Luise Kaschnitz verehrte den Dichter aus Ostpreußen sehr und besuchte ihn. Harte Urteile von zeitgenössischen Kollegen über Wiechert nannte Pleßke auch. Der Rückzug in die private Sphäre wurde ihm vorgeworfen, oder ein "Predigt-Ton", ja sogar Heuchelei. Dem steht das Urteil Ben Chorins gegenüber, der Wiechert als die Stimme eines besseren Deutschlands bezeichnete.

Dieser Vortrag stellte die Weichen für die Tagung. Der Vergleich Wiecherts mit anderen Autoren und die Untersuchung von deren Einflüssen auf sein Werk werden aktuell.

Mit seinem Vortrag "Ernst Wiechert und seine Illustratoren" legte Werner Kotte teilweise ganz neue Forschungsergebnisse vor. Das galt besonders für Illustrationen zu der Erzählung "Der Kinderkreuzzug" aus der Sammlung "Der silberne Wagen". Eine Federzeichnung von Angelica de Felipe-Serrano zum "Kinderkreuzzug" ließ Kotte darauf aufmerksam werden, daß es noch mehr Zeichnungen geben müsse. Es gelang ihm, die Künstlerin ausfindig zu machen, die ihm zwölf weitere Zeichnungen und elf Briefe Wiecherts an sie zur Verfügung stellte. Ebenso interessant waren die Tuschzeichnungen "Die Fischer" des Schweizer Künstlers Willy Fries, die Wiechert so sehr an die Nehrungsfischer erinnerte, daß er eine Einleitung zu dem Bildband schrieb.

"Das einfache Leben" und "Missa sine nomine" wurden nicht in Deutschland, sondern von dem holländischen Buchkünstler Anton Pieck illustriert. Bereits 1940 erschien "Das einfache Leben" in einer Prachtausgabe mit sieben Illustrationen von Anton Pieck in der Südholländischen Verlagsanstalt. Die Märchen, die Wiechert im Winter 44/45 schrieb, wurden von Prof. Hans Meid illustriert. Kotte las aus dem umfangreichen Briefwechsel Wiecherts mit Hans Meid vor, der den Zuhörern einen Einblick in die letzte Lebensphase des Dichters bot.

Für Diskussionsstoff sorgte Dr. Leo- nore Krenzlin mit ihrem Beitrag "Ernst Wiechert und die Bücherverbrennung im Mai 1933". An die konservativen Autoren erging seinerzeit ein studentischer Aufruf, auf den Wiechert, wie über 50 seiner Kollegen, nicht reagierte. Es ist wahrscheinlich, daß ihn der Aufruf gar nicht erreicht hat, denn er befand sich mitten im Umzug von Berlin nach Wolfratshausen. Leonore Krenzlin entwarf ein präzise recherchiertes Bild der literarischen Szene im Frühsommer 1933 und sensibilisierte die Zuhörer damit für Wiecherts abwartend-zögerliche Haltung, aber auch für die Reaktion von Gottfried Benn, Georg Binding oder Anette Kolb, die sich persönlicher Sorgen wegen sogar "anzubiedern" versuchte.

Dr. Walter T. Rix wies in seinem Vortrag "Offenbarung und Welterkenntnis im Werk Ernst Wiecherts" ein Fülle von Verbindungen zu Selma Lagerlöf, Knut Hamsun, James Joyce, Theodor Storm, Schopenhauer, Nietzsche und Dostojewski nach. In den frühen Romanen, die Wiechert nachzudrucken verbot, findet sich eine Vergottung des Waldes und der "Tod des alten Gottes" (Nietzsche), während im "Andreas Nyland" Bezüge zu Dostojewski zu erkennen sind. "Die Majorin" zeigt durch den Zerfall des Alten die Entstehung des Neuen in der Liebe, bis in der "Missa sine nomine" die Vollendung in der Liebe und in der Vergebung geoffenbart wird. Gut und Böse sind im Menschen eine verschlungene Einheit, und der Erlösungsgedanke zieht sich durch das ganze Wiechertsche Werk. B. B / A. M.

 

Eine besondere Ehrung: Dr. Walter Rix bekommt die Ernst-Wiechert-Medaille von Dr. Bärbel Beutner überreicht Foto: Radeck