28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.07.03 / Ein ganz schön dummes Rindvieh

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. Juli 2003


Ein ganz schön dummes Rindvieh
Von Kurt Baltinowitz

Verärgert schaltete Paul den Fernseher aus und knurrte: "Ist doch bald zum Verrücktwerden ... jeden Abend das gleiche: Quiz-Shows, Serien, Talk-Shows und amerikanische Filme, als wenn man nichts Besseres senden könnte ... Hörst du mir überhaupt zu, Emma?"

"Watt meenst du?" reagierte Emma, zusammengekauert in der Sofaecke und ein aufgeschlagenes Buch auf den Knien haltend.

"Anscheinend willst du wohl mit mir nichts mehr zu tun haben. Seit zwei Wochen bist du kaum ansprechbar, hast ständig das Buch vor der Nase ... Was ist das überhaupt für eine Schwarte?" forschte Paul.

"Ein Lehrbuch!" gab Emma zu verstehen. "Hat dir wohl wieder die Meiersche angedreht?"

"Nur empfohlen ... Sie studiert im gleichen Buch. Wissenschaft der Gegenwart. Wir werden eine Aufklärungskampagne starten und auch ..."

"Also doch wieder so ein Komplott mit der fetten Nudel", bemerkte Paul grinsend.

"Du beßt un blöwst e Blubberkopp!" konterte Emma. "Wir studieren ein ernsthaftes Thema, die Tierwelt betreffend."

Verständnislos den Kopf schüttelnd, langte Paul zu seiner obligatorischen Brasil, machte ein paar Züge und sagte dann: "Beschäftige dich man lieber mehr mit unseren Schafen und Ziegen. Da hast du doch Tierwelt genug. Den Ziegenbock hast du ja raffiniert der Meierschen zugeschanzt ... Ach ja, mein Puttchen, dürfte ich vielleicht erfahren, um welches ernsthafte Thema es sich handelt, das ihr beim Wickel habt?"

"Kuhologie!" antwortete Emma spontan.

"Kuhologie?" wiederholte Paul stirnrunzelnd. "Von Kuhologie habe ich noch nie etwas gehört."

"Kannst du auch nicht! Kuhologie ist ein völlig neues Studiengebiet. Die Seminare sollen sogar von den ,Grünen' gefördert werden, sagte die Meiersche. Und das Landwirtschaftsministerium sei auch an der Kuhologie interessiert", klärte Emma ihren Lorbaß auf.

Paul grinste nur, blies einige Rauchringe gegen die Decke und meinte nach einer geraumen Weile: "Na gut, ich kann ja nichts Gegenteiliges beweisen, aber ich sehe keinen Sinn in deinem sogenannten Studium. Du klemmst dich so dahinter und vernachlässigst sogar mich. Wenn ich Kuhologie richtig deute, dann handelt es sich um Kühe, nicht wahr?"

"Donnerlittchen, bist du aber e plietsches Mannche!" lästerte Emma und fuhr, offensichtlich von der Wichtigkeit ihres Selbststudiums überzeugt, mit ernsthafter Miene fort: "Ich käme, wenn ich das Buch durchstudiert habe, versprach mir die Meiersche, auf ein Kurzseminar, wo man mich am lebenden Objekt schulen würde. Inzwischen leiht die Meiersche sich eine Kuh, so eine schwarzbunte, eine Herdbuchkuh, wie sie es auch in Ostpreußen gab. Und dann laden wir interessierte Leute aus nah und fern ein, denen wir das wichtige Haustier Kuh näher bringen - in unseren Garten ... Du hast doch bestimmt nichts dagegen, Paulchen?"

Wie gewohnt, verzichtete Paul zu widersprechen, forschte dennoch, wie das alles ablaufen sollte.

"Darüber mach dir man keine Gedanken", sagte Emma selbstsicher. "Ich halte das Eingangsreferat, erläutere wesentliche Punkte, und meine Freundin führt die Kuh den Leuten vor, zeigt ihnen die markantesten Merkmale einer Milchkuh. Sich darauf vorzubereiten, kostet viel Energie. Was glaubst du denn, warum ich unentwegt studiere? Jede freie Minute!"

"So, so", brummte Paul schmunzelnd, nahm erst einen Schluck Bier und meinte dann: "Demnach müßtest du ja schon in der Lage sein, einem das Rindvieh zu erklären."

"Aber natürlich!" brauste Emma auf. "Frag mich doch ab! Hier, nimm das Buch und frag drauf los! Ich hab' intensiv und akribisch studiert."

"Ich brauch' dein Buch nicht. Ich kenne eine Kuh aus- und inwendig. Also, fangen wir mal gleich an: Wie viele Beine hat eine Kuh!"

"Acht!" sagte Emma stolz.

Paul lachte laut auf. "Wie kommst du denn auf den Blödsinn?"

"Steht doch im Lehrbuch!" ereiferte sich Emma. "Zwei vorne, zwei hinten, zwei rechts und zwei links!"

Paul glaubte, sich verhört zu haben. Entsetzt musterte er seine sonst doch so intelligente Ehefrau und fragte: "Ist mit dir etwas nicht in Ordnung? Hast du Gedächtnislükken?"

"Wieso? Ich gebe doch nur das wieder, was im Lehrbuch steht!" gab Emma achselzuckend zurück. "Kannst ja selbst nachlesen."

"Nachher", winkte Paul ab und schritt zur nächsten Frage: "Warum hat die Kuh so einen langen Schwanz?"

"Damit sie die Fliegen verjagen kann. Außerdem findet er in der Ochsensuppe Verwendung ... So steht es in meinem Lehrbuch!"

Genervt erhob sich Paul, schritt ein paarmal nachdenklich im Wohnzimmer auf und ab, faßte sich plötzlich an den Kopf und sagte: "Mir scheint ein Licht aufzugehen: Also, die Meiersche hat dir das Buch empfohlen. Du warst begeistert und hast dich gleich reingekniet."

"Na und? Eß ett denn verboade, Wissenschaft to stodeere?"

"Keineswegs", meinte Paul, "aber man sollte sich den Lehrstoff auch genau ankucken, ihn kritisch unter die Lupe nehmen."

"Watt meenst denn doamett?" wollte Emma wissen.

"Daß du wahrscheinlich jemandem auf den Leim gegangen bist", hielt Paul seiner ungläubig dreinschauenden Emma vor und bat sie, ihm doch mal das Lehrbuch über Kuhologie zu reichen. Neugierig blätterte er kurz darin herum, betrachtete die Titelseite - und auch die Rückseite, auf der sich ein ziemlich klein geschriebener Text befand, den er besonders intensiv studierte; dann lachte er lauthals los.

"Watt eß denn doa so lächerlich an deem Book?" fragte Emma kleinlaut und wollte schon das Buch wieder an sich nehmen, doch Paul wehrte ab und sagte: "Du bekommst es gleich, aber ich les' dir mal das vor, was du übersehen hast: Wenn Ihnen die humorvolle Betrachtung über die Kuh gefallen hat, dann vergessen Sie bitte nicht, auch den nächsten Band über Schweinologie zu erstehen! Hast du das nicht gelesen?"

"Ach watt ... Hat mir die Meiersche etwa ein falsches Buch empfohlen? Oder hat sie das absichtlich gemacht?" rätselte Emma bedrückt.

"Das ist wohl an dem", sagte Paul grinsend. "Sie wollte dir glatt eins auswischen, gewissermaßen die Retourkutsche dafür, daß du ihr den Ziegenbock angedreht hast."

"Also nä", seufzte Emma, "woropp manche Lied oak koame!"

"Ja, ja", spöttelte Paul, "nicht mal mehr seiner besten Freundin kann man trauen ..."- "Datt kannst wohl sägge ... Un nu moak man wedder de Flimmerkist an", sagte Emma und kuschelte sich an ihren Paul.

 

Mohrungen damals: Am Markt Foto: Archiv