23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
12.07.03 / Wieso diese Ungleichbehandlung? / Vertreibungsunrecht in Polen und der CR weitgehend gleich

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Juli 2003


Wieso diese Ungleichbehandlung?
Vertreibungsunrecht in Polen und der CR weitgehend gleich
Gastkommentar von Rudi Pawelka

Auch beim diesjährigen Deutschlandtreffen werden die Schlesier die Lösung der aus der Vertreibung herrührenden offenen Fragen anmahnen. Sie werden sich dabei auf demokratische und rechtsstaatliche europäische, aber auch christliche Werte berufen, aufgrund derer es selbstverständlich ist, sich bei den Opfern zu entschuldigen und zu versuchen, das wieder gutzumachen, was noch gutzumachen ist. Die Bundesrepublik Deutschland hat beides gegenüber den NS-Opfern in einer noch nie dagewesenen Art und Weise getan.

Polen betreffend wird häufig behauptet, eine Entschuldigung sei längst erfolgt. Dabei wird dann auf die Erklärung der polnischen Bischöfe aus dem Jahr 1965 und auf die Rede des ehemaligen polnischen Außenministers Bartoszewski vor dem Deutschen Bundestag verwiesen. Das Wort der polnischen Bischöfe "Wir gewähren Vergebung und bitten um Vergebung" mag zwar entschuldigenden Charakter haben, jedoch sollte nicht vergessen werden, daß diese Aussage schon bald wieder zurückgenommen wurde, als sich in Polen Unmut dagegen regte. So erklärte Karol Wojtyla, Erzbischof von Krakau, am 1. Februar 1966: "Die deutschen Bischöfe wurden (durch den Brief der polnischen Bischöfe) gezwungen, sich zur Schuld zu bekennen. Dies ist ein Ausdruck dessen, daß sich die Deutschen überhaupt zu den an der polnischen Nation begangenen Verbrechen bekannten. Dies hat niemand im Laufe der ganzen 20 Jahre geschafft. Wir spielten die Rolle des Beichtvaters, so wie wir das im Beichtstuhl mit dem Sünder tun ... Die Botschaft hat in ihrem Kontext das Ziel, die Deutschen zum Eingeständnis von Schuld zu zwingen, wie der Beichtvater im Beichtstuhl. Das ist die Plattform, von der man den Text der Botschaft betrachten muß."

In einer vielbeachteten Rede erklärte Bartoszewski am 28. April 1995 im Bundestag: "Wir beklagen das individuelle Schicksal und die Leiden von unschuldigen Deutschen, die von den Kriegsfolgen betroffen wurden und ihre Heimat verloren haben." Es waren zwar begrüßenswerte Worte, sie enthalten aber keine Entschuldigung, denn ein Bedauern für unschuldige Opfer ist etwas anderes. Erwartet wird schon eine echte Entschuldigung, und zwar von den Spitzen des Staates.

Was ist aber sonst im Hinblick auf eine Heilung des Unrechts geschehen? Gab es den Versuch einer Wiedergutmachung oder Entschädigung? Gibt es für Vertriebene das Angebot, ihr Recht auf die Heimat wahrzunehmen? Ist ihnen wenigstens das garantierte Recht auf freie Ein- und Ausreise oder ein besonderes Niederlassungsrecht gewährt worden? Oder gibt es für die deutsche Volksgruppe schon ein Minderheitenrecht, das europäischem Standard entspricht und die deutsche Sprache als Verkehrssprache sowie eine kulturelle Selbstbestimmung anerkennt? Die Fragen kann sich jeder selbst beantworten. Lediglich im Hinblick auf die Verfolgung von Tätern gibt es gegenüber der Tschechischen Republik (CR) einen Unterschied. In zwei Fällen hat die polnische Justiz immerhin Strafverfahren eingeleitet, um den Völkermord an den Deutschen im Osten zu sühnen. Zwar ist dies nicht viel angesichts vieler Zehntausender Täter, und ein Urteil hat es noch nicht gegeben, dennoch zeigt der Vorgang zumindest, daß man sich der eigenen Schuld bewußt stellt.

Im Prinzip unterscheidet sich das Verhalten Polens gegenüber den Vertriebenen nicht von dem Verhalten der Tschechischen Republik, dennoch findet das tschechische Verhalten ungleich mehr öffentliche Beachtung. Wenn man sich mit Politikern oder Journalisten unterhält, wird man häufig feststellen, daß ein großes Informationsdefizit über die Situation in Polen vorhanden ist. Nach der polnischen Erklärung vor einem Jahr, nach der alle Vertreibungsdekrete aufgehoben sein sollten, glaubt man vielfach, es bestünden keine offenen Fragen mehr. Daß die Dekrete bis heute ihre Wirkung nicht verloren haben, scheint kaum zu interessieren. Weist man nach, daß neue Enteignungen auch heute gegenüber Deutschen aufgrund der Dekrete von 1945/46 stattfinden, ist man irritiert. Im Vergleich zur Tschechischen Republik wird Polen auch oftmals weitaus höheres Verständnis entgegengebracht. Da ist einmal die Opferrolle, die dem Land trotz nicht gerade seltener Eroberungskriege gegen seine Nachbarn zuerkannt wird. Die polnischen Teilungen und Hitlers Angriffskrieg sowie die Besetzung, unter der das Volk zu leiden hatte, sind dabei durchschlagend. Außerdem kann Polen eigene Vertriebene nachweisen, was zur Folge hat, daß bei Berichten über Orte in den deutschen Vertreibungsgebieten sehr oft der Eindruck erweckt wird, als sei die Bevölkerung eins zu eins ausgetauscht worden, die Vertreibung der Deutschen damit verständlich. Daß die Zahl deutscher Vertriebener sehr viel größer war und von den Sowjets ausgesiedelte Polen eine Minderheit in den annektierten deutschen Gebieten sind, geht meist völlig unter.

Es erstaunt sehr, wieso Polen anders behandelt wird als die Tschechische Republik, obgleich das Unrecht in beiden Staaten weitgehend gleich ist. Hier ist Aufklärung geboten, denn es kann nicht sein, das Schicksal und die Diskriminierung von Menschen zu vergessen. Wir erwarten Lösungen, die in die Zukunft weisen und der Verständigung dienen.

Rudi Pawelka: Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien - Nieder- und Oberschlesien e.V. Foto: Leverkusen