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12.07.03 / Alles nur wegen der Störche

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Juli 2003


Alles nur wegen der Störche
von Siegfried Walden

Sie verlebten ihren Urlaub in dem idyllischen, kleinen Kirchzarten im Schwarzwald, und sie waren voll des Lobes über dieses herrliche Stückchen Erde. Elli und Fred strahlten, schließlich befanden sie sich auf ihrer Hochzeitsreise. Gleich am Anfang ihres Urlaubs führte sie ihr Weg auch an der St. Gallus-Pfarrkirche in Kirchzarten vorbei. Ein paar Meter vor dem Kirchturm blieb Elli plötzlich stehen. Sie hielt auch ihren Fred am Arm zurück. "O je!" rief sie ihm zu, "Fred, schau mal zum Kirchturm hinauf. Was siehst du dort?" - "Ach, wie schön," antwortete er, "ein Storchennest mit Störchen darin. Weißt du noch, Elli, als wir damals in unserem ersten gemeinsamen Urlaub Störche gesehen hatten?" - "Und ob ich das weiß", erwiderte Elli, "sie waren Schuld am Urlaubsergebnis, unserem Sohn. Fred, ich meine, wir sollten das Schicksal nicht heraus- fordern." - "Wie meinst du das? Wir sind doch glücklich und zufrieden hier", sagte Fred. "Das ist es ja, was ich meine", fuhr Elli fort, "stell dir vor, du und ich superglücklich wieder in Urlaub, dieses Mal sogar noch auf Hochzeitsreise und dann auch noch mit den Störchen als tägliche Begleiter, also ich habe da Bedenken, laß uns künftig einen Bogen um diesen Kirchturm machen ..." Er sagte noch: "Aber Elli, man macht doch keinen Bogen um die Kirche", aber sie hatte ihn betört, und von nun an machten sie den kleinen Umweg um die Kirche.

Ein paar Tage später, als sie wieder von einer Tour zurückkamen, die sie auch wieder mit dem Bogen um den Kirchturm absolviert hatten, sagte Elli, nachdem sie die Haustür geöffnet hatte: "Fred, hör mal, da weint ein Baby!" - "Was soll das? Babys schreien nun mal", erwiderte er. Aber je mehr sie in das Innere der Pension und in Richtung ihres Zimmer vordrangen, desto lauter hörten sie das Wehgeschrei. Dann wurde es klar: Das Babygeschrei kam aus ihrem Zimmer, und da sahen sie auch das kleine Menschenkind im Bett von Elli liegen.

Jetzt nahm auch Freds Gesicht einen ernsten Ausdruck an. "Was hat das zu bedeuten?" fragte er. "In dieser kurzen Zeit vom Kirchturms-Storchennest bis zu unserem Pensionszimmer ein Baby bekommen, obwohl wir sogar den Bogen um den Kirchturm gemacht haben?" - "Süß", sagte Elli, "ganz süß sieht das Kleine aus. Und wenn ich dich so anschaue, mein lieber Fred, eine gewisse Ähnlichkeit des Kindes mit dir ist nicht zu verkennen. Ich möchte fast sagen, ‚ganz wie der Vater'."

Da trat die Pensionswirtin ins Zimmer. "Entschuldigen Sie," sagte sie, "ich war außer Haus und meine Tochter, die die Zimmerbelegung nicht genau kannte, hat versehentlich einem neu zugereisten Ehepaar mit Baby Ihr Zimmer zugeteilt." Die Wirtin, der der Vorfall äußerst peinlich war, wollte noch mehr zur Entschuldigung sagen, kam aber nicht dazu, denn Fred umarmte sie mit den Worten: "Frau Wirtin, Sie sind ein Engel."

Am Abend, im Gesellschaftsraum, erzählten die Gäste ihre Tageserlebnisse, auch Elli und Fred. Ein Gast fragte sie: "Sind Sie so abergläubisch, daß Sie den Bogen um das Storchennest machen mußten? Wie alt sind Sie denn?" Fred antwortete: "Meine Frau ist siebzig, und ich bin zweiundsiebzig Jahre alt." Rief ein weiblicher Gast herüber: "Da können Sie ja froh sein, daß die Störche keinen Bogen um Sie herum gemacht haben." Und noch ein Gast fragte: "Aber Sie sprachen doch von Ihrer Hochzeitsreise?" - "Das ist richtig," sagte Elli, "es ist nämlich unsere Goldhochzeitsreise!"