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19.07.03 / Tschechen deuten ihre Heimatgeschichte neu

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Juli 2003


In der Mitte Europas
Tschechen deuten ihre Heimatgeschichte neu

William Shakespeare war der Meinung, daß Böhmen am Meer liegt, was der geographischen Kenntnis seiner Zeit zu verdanken ist. In Wahrheit müssen die Tschechische Republik und ihre Nachbarn zur Kenntnis nehmen, daß sie in der Mitte des Kontinents zu Hause und zu aller erst von den Entwicklungen betroffen sind, die heute noch als Fragezeichen für die Zukunft Europas gelten. Verkrampfungen sind da wenig hilfreich!" Dieser Meinung ist nicht nur Dr. Erhard Busek, österreichischer Vizekanzler a. D., in seinem Geleitwort zu dem Buch "Wo ist unsere Heimat?", sondern auch die Autoren Petr Pithart, Petr Prihoda und Milan Otahal vertreten die Auffassung, daß es an der Zeit sei, die "inneren Unzulänglichkeiten" zu überwinden und historische Ereignisse fern von heißen wie kalten Krieg neu zu bewerten.

Die Autoren zeichnen den ereignisreichen Weg dieser krisengeschüttelten Region. Sie widmen sie dem Entstehen der modernen tschechischen Nation, setzen sich mit dem neuzeitlichen Nationalismus der Tschechen auseinander, der die leistungsstarken Deutschen in Böhmen überging, und die Nachbarn wie Ungarn und Polen irritierte. Nach Erringung der politischen Eigenstaatlichkeit 1918 erschwerte dann auch genau dieser Nationalismus eine harmonische Einbindung der jungen Republik in den europäischen Kontext. Innenpolitische Spaltung und außenpolitische Isolation führten schließlich zu dem was in die tschechisch-deutsche Geschichte als "München 1938" einging. Die Zerschlagung der Tschechoslowakischen Republik durch das Dritte Reich 1939 bildet den vorläufigen Schlußpunkt dieser selbstkritischen Beleuchtung des "tschechischen Mythos" durch die Autoren, die dieses nun erstmalig in deutscher Sprache verlegte Werk schon 1976 allerdings aufgrund des kommunistischen Regimes unter falschen Namen herausbrachten. Ihnen wurde "mora- lischer Hyperkritizismus" vorgeworfen, dabei wollten sie nur eine selbstkritische Grundhaltung in die nationalbewußte öffentliche Meinung tragen. Dies ist ihnen bis jetzt zwar nicht gelungen, aber da sie seit der "Samtenen Revolution" 1989 in öffentliche Ämter getreten sind, müssen sie ihre Geschichtsauffassung nicht mehr aus dem Untergrund heraus verbreiten. R. B.

Petr Pithart, Petr Prihoda, Milan Otahal: "Wo ist unsere Heimat? Geschichte und Schicksal der böhmischen Krone", Langen Müller, München, geb., 368 Seiten, 24,90 Euro