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19.07.03 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Juli 2003


Strafe muss sein / Jetzt kommt Claudia Roth über Italien 
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Streit ist eine tolle Sache. Endlich mal alles rauslassen, die Sau inklusive. Wie gern wollten wir im Gefolge des Kanzlers auch unseren Italien-Urlaub stornieren. Hatten nur leider gar keinen gebucht. Wirklich ärgerlich jetzt. Mit Feuereifer hätte ich auch den Italiener um die Ecke boykottiert. Der ist aber leider ein Inder, der bloß auf italienisch macht. Kann also gar nichts dafür. Der echte Italiener ein Haus weiter wiederum betreibt ein chinesisches Restaurant. Da könnte das falsch verstanden werden. In Deutschland stimmt eben nichts mehr.

Seit dem Wochenende ist es nun zu spät. Alle haben sich wieder vertragen und umschleimen einander auf das Fürchterlichste. In einer perversen Orgie geheuchelter Respektsbekundungen verkleben sich Deutsche und Italiener gegenseitig das fröhliche Schandmaul. Sehr, sehr schade - wie sollen wir nun durch den Sommer kommen?

Ein bißchen Hoffnung bleibt. Mitten in dem Getöse hüpfte die Grünen-Abgeordnete Claudia Roth aus ihrem Tümpel und verkündete, sie habe zwar gar nicht nach Italien gewollt, fahre nun aber doch für ein paar Tage hin "wegen Stefani". Tja, Ihr Italiener, das habt Ihr jetzt davon: Zur Strafe kommt Claudia Roth zu Euch. Das Allergemeinste ist: Die Italiener dürfen nicht einmal laut loslachen, wenn Frau Roth aus dem Flugzeug steigt und ihr erstes Interview gibt - sonst gibt's gleich wieder was hintendrauf aus Berlin! Mit zusammengebissenen Zähnen werden sie all den Unsinn still und artig abnicken müssen, mit dem die Grünen-Politikerin ihre Mitmenschen bei solchen Gelegenheiten regelmäßig foltert. Gegen diesen Übergriff erscheint das jüngste Nachkarten des SPD-Europaparlamentariers Schulz, Italien habe eine rassistische Regierung, recht leicht verdaulich.

Aber der große Zank ist wohl vorüber. So bleibt uns vorerst nur, dankbar zurückzublicken auf eine entzückende Mitsommer-Komödie. Die Bilder im Buch unserer Vorurteile strahlen heller denn je. Wir mögen die Italiener, steht da, aber wir nehmen sie nicht ernst - wie freche, niedliche Kinder. Auch Erwachsene machen Fehler, doch danach bleiben ihnen nur zwei Auswege: Entweder sie verharren bei dem Irrtum und "ziehen die Sache durch". Oder sie senken in nobler Zerknitterung das Haupt, entschuldigen sich und bitten die Bärbel Schäfers dieser Welt um eine zweite Chance. Die Berlusconis, Stefanis und anderen Rotznasen drugsen in solchen Situationen nur herum: "Ich wollte ja keinem wehtun. Aber entschuldigen tu' ich mich nicht, so!" Beim "So!" stampfen sie zur Verstärkung mit einem Fuß auf den Boden. Nichts anderes hatten wir von unserem Klischee-Italiener erwartet und nichts anderes hat er gemacht. Doch auch die Deutschen haben sich an die ihnen zugewiesene Rolle gehalten: Statt sich kreischend mit den Italienern zu balgen, streckten sie die Unbotmäßigen mit einem einzigen furiosen Schwerthieb nieder, um dem gestrauchelten Frechdachs nachher in kühler Huld die Hand zu reichen. Ganz und gar Siegfried! Die Italiener werden uns nach dieser Vorstellung noch mehr respektieren und noch weniger leiden können als bisher. Wir finden die Italiener unsererseits nun noch drolliger und nehmen sie noch weniger für voll als ohnehin. Alles ist so, wie es immer sein sollte. Wovon kann man das sonst noch sagen - heute, in diesem aus den Fugen geratenen Zeiten. Ja, die Welt kann so schön sein!

Von Dankbarkeit erfüllt ist auch unser Kanzler. Er genießt seinen Italien-Urlaub in vollen Zügen, obwohl er gar nicht hingefahren ist. Statt seiner hat sich nämlich die gesammelte Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit über die Berge begeben. Davon träumt jeder Streßgeplagte: Statt sich auf eine mühevolle, weite Reise hinauszuquälen, einfach die Probleme für ein paar Wochen wegschicken und schön gemütlich zu Hause bleiben. Das wird Schröder gerade zuteil: Während alle amüsiert der italienischen Operette folgen, merkt niemand, wie hierzulande alles munter drunter und drüber geht und alle lassen den Kanzler in Ruhe.

Für wenigstens etwas Unruhe sorgt eine Sache, die unter dem harmlosen Titel "Rosenholz" bekannt ist. Es handelt sich um Stasi-Akten, auch und vor allem über Westdeutsche, die, getrieben von der Liebe zum Frieden, zum Sozialismus und zum Geld, regen Kontakt zu ihren Freunden in gewissen Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik unterhielten. Kurz nach dem Mauerfall erlösten uns die amerikanischen Verbündeten von den giftigen Aufzeichnungen und benutzten sie vermutlich als Argumentationshilfe bei Meinungsverschiedenheiten mit diesem oder jenem deutschen Politiker, dessen wahre Identität im Rosenholz verborgen gediehen war. Natürlich vertrauen wir unseren transatlantischen Freunden, daß sie die wirklich unschönen Passagen über prominente Zuträger längst (für den eigenen Hausgebrauch) herausgefiltert haben. Was aber, wenn ihnen da doch einer durchgerutscht ist?

Vierzehn von sechzehn Bundesländern plädieren daher dafür, erst mal nachzusehen, was drinsteht im Rosenholz, bevor mißverständliche Einzelheiten über verdiente Demokraten ans Licht der geifernden Öffentlichkeit schwappen. Mecklenburg-Vorpommerns SPD/PDS-Regierung will die lästigen Daten am liebsten gleich wieder im Panzerschrank verschwinden sehen. Was sollen die Realsozialisten auch mit dem alten Kram? Ihre Angestellten haben die Akten dereinst schließlich selber angelegt. Und das Volk geht das sowieso nichts an.

Überhaupt "das Volk" - Generationen von aufgeklärten Vordenkern haben es nicht davon abhalten können, sich immer wieder penetrant in die öffentlichen Angelegenheiten, manchesmal selbst in die Politik, einzumischen. Sicher, wenn Wahlen in diesem Lande irgendetwas verändern könnten, wären sie längst verboten. Und doch haben die Urnengänge etwas Irritierendes für die Politiker, viele machen sie regelrecht krank. Edmund Stoiber wird vor jeder dieser Veranstaltungen von heftigen demokratischen Fieberschüben gepackt und beginnt zu phantasieren.

So faselt der Bayernpremier, die Landtagswahl im September vor den geröteten Augen, davon, den Pöbel über die anstehende EU-Verfassung abstimmen zu lassen! Wir kennen solche Abstimmungsrituale aus der barbarischen Frühzeit der Demokratie. Damals war tatsächlich das Volk mit der Verabschiedung von Staatsordnungen beauftragt und baute nur Mist. In solchen Verfassungstexten war weder die Parteienfinanzierung angemessen geregelt noch waren die Politiker-Diäten für einen standesgemäßen Lebenswandel hinreichend. Will Stoiber da wieder hin? Edmund, wach auf und nimm ein Zäpfchen. N

Edmund Stoiber vom Demokratie-Fieber erfaßt: "Volksabstimmung über EU-Verfassung"?

Schröder: "Das ist doch seriös genug, oder?"

Zeichnung: Hanitzsch /Süddeutsche Zeitung