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02.08.03 / "Treue und dankbare Preussen" / Die Hugenotten bereicherten ihre neue Heimat mit fränzösischer Lebensart

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 02. August 2003


"Treue und dankbare Preussen"
Die Hugenotten bereicherten ihre neue Heimat mit fränzösischer Lebensart

Es war die Bereitschaft, der vergewaltigten Kreatur ohne Ansehen der Konfession und der Abstammung zu helfen, die den Großen Kurfürsten veranlaßte, mit dem Potsdamer Edikt zehntausenden Hugenotten, die vor der 1685 in Frankreich erneuerten Protestantenverfolgung ostwärts flüchteten, in Brandenburg-Preußen nicht nur ein Asyl, sondern eine neue Heimat zu geben. Hier drückte sich eine nationale und religiöse Toleranz aus, die in Europa ihresgleichen nicht wiederfand.

Ein eigenartiger Kulturaustausch vollzog sich: die Hugenotten, als willkommene Träger französischer Kultur aufgenommen, wurden zu "treuen und dankbaren Preußen", wie sie selbst immer wieder bekannten. Die 250. Wiederkehr des Tages von Potsdam am 29. Oktober 1935 wurde von ihnen gefeiert als der Tag der preußischen Heimat und der französischen Abstammung, als Tag des Dankes an die Hohenzollern und der Treue zu Preußen, die in dem Hugenottenabkömmling und Heimatdichter der Mark Brandenburg, Theodor Fontane, ihren zeitlosen Ausdruck fand.

Berlin, Stettin, Königsberg, Insterburg und Gumbinnen wurden zu Siedlungszentren dieser französischen Réfugiés, wo sie sich sehr rasch als gleichberechtigte und gleichgeachtete Bürger mit der einheimischen Bevölkerung vermischten.

Überall wurde der Große Kurfürst diplomatisch tätig, um den Verfolgten Schutz und Hilfe zu gewähren. Aus Schlesien und Österreich, der Schweiz, Holland und der Pfalz strömten Flüchtlinge herbei, die in Brandenburg einen Hort der Toleranz und Freiheit sahen. Das "Suum cuique" - jedem das Seine -, diese wahrhaft soziale Devise des Schwarzen-Adler-Ordens, war in Preußen nicht erst seit dessen erstem König ungeschriebenes Gesetz. Schon 1664 hatte der Große Kurfürst seinem Nachfolger in seinem Testament eingeschärft: "Eure von Gott untergebenen Untertanen müßt ihr ohne Ansehen der Religion als ein echter Landesvater lieben, ihren Nutzen und ihr Bestes in billigen Dingen allzeit gerne zu befördern suchen". Potsdam 1685 und Potsdam 1945! Fürwahr, zwei Welten! Preußen, ein "Hort des Militarismus und der Reaktion"? Es wird für immer ein Ruhmesblatt preussisch-deutscher Geschichte bleiben, daß es der gleiche Große Kurfürst gewesen ist, der in der damals einzigen Kolonie Preußens "Neubrandenburg" - in der Gegend von Kamerun - nicht nur den Export von Sklaven verbot, sondern befahl, sich nähernde Sklavenjägerschiffe in den Grund zu bohren.

Man sollte meinen, daß es eigentlich eine bedeutsame Aufgabe des heutigen Deutschlands sein müßte, sich dieser wie vieler anderer humanistischer Großtaten unserer Geschichte zu erinnern, um an ihnen die uns aus dem Geschehen der jüngsten Vergangenheit angedichteten Eigenschaften unseres Volkscharakters zu widerlegen, um der Selbstachtung oder wenigstens der Objektivität willen der Welt klarzumachen, daß jene Abscheulichkeiten, die im Namen unseres Volkes geschehen sind, einen Bruch mit unserer Geschichte und Tradition, insbesondere der des preußischen Staates, darstellen, dem Deutschland seine Einheit verdankt. Es blieb dem roten Usurpator der preußischen Kernlande vorbehalten, die 300. Wiederkehr der 1661 durch den Großen Kurfürsten gegründeten "Churfürstlichen Bibliothek zu Cölln an der Spree" zu benutzen, um seinen allen preußischen Überlieferungen hohnsprechenden Unrechtsstaat als "konsequenten Verfechter der besten Tradition des preußischen und deutschen Nationalerbes" preisen zu lassen. Eine im Westen Berlins begangene Feier konnte damals nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Bundesrepublik mit der gleichgültigen Art, mit der damals der nach Westdeutschland verbrachte Teil der Preußischen Staatsbibliothek behandelt wurde, einmal mehr einen Mangel an politisch-historischen Instinkt bezeugte.

Unter des großen Kurfürsten Nachfolger, Friedrich I., gewinnt dieses junge, aufstrebende Brandenburg-Preußen durch den Krönungsakt in Königsberg am 18. Januar 1701 die Königswürde und damit die Anerkennung als unabhängige europäische Macht. Die Gestalt des ersten preußischen Königs, dessen Ansehen als Monarch und Mensch durch die Größe seiner beiden Nachfolger verdunkelt erscheint, ist in unserer Erinnerung belastet durch Eitelkeit und Schwäche, durch barocken Prunk und unpreußische Überladenheit.

Dennoch bleibt unvergessen, daß er in seinem armen Lande mit der Krone nicht nur einen Mittelpunkt äußerer Art schuf, sondern daß er und seine Gattin Sophie Charlotte von Hannover einen Leibniz und einen Schlüter an ihren Hof zu fesseln wußten. Die Universität Halle, die Akademien der Künste und der Wissenschaften verdanken ihm ihre Entstehung. Der Sohn Friedrichs I. und der klugen und gebildeten Sophie Charlotte war Friedrich Wilhelm I. Das Bild, das gemeinhin von ihm gezeichnet wird, ist das eines robusten, rücksichtslosen, auch vor Ungerechtigkeiten und Mißhand- lungen nicht zurückscheuenden, oft brutalen Herrschers, der in gutgemeinter väterlicher Gesinnung, aber streng, ja tyrannisch sein Preußen regierte. Hans Joachim Schoeps hat Friedrich Wilhelm I. den für Preußen repräsentativsten Monarchen genannt. Er war es aus verschiedenen Gründen. Zu diesen zählen nicht nur seine streng religiöse Auffassung, die ihn persönlich überwachen ließ, wie das Korn steht, wie der Bauer sich nährt, "ob eine Kammer auch wirklich zur Ausführung bringt, was ihr zum Besten des gemeinen Mannes befohlen", zu ihnen gehören vor allem seine große Redlichkeit und Sparsamkeit ebenso wie seine Auffassung vom Herrscheramt und seine persönliche Lebensführung. Welch ein Kontrast zwischen dem von einem fast hausbacken-naiven Gottesglauben erfüllten Hof von Berlin und Potsdam und dem an anderen deutschen und europäischen Residenzen von Verschwendungssucht, Üppigkeit und Frivolität gezeichneten Leben!

Die Kabinettsorder vom 17. Juni 1718 über die Aufhebung der Leibeigenschaft vermittelt uns den ganzen inneren Gehalt seines als Gottes Auftrag empfundenen Landes-Vatertums:

"Dem Geheimen Etats-Rat von Creutz befehle ich hiermit an, die Leibeigenschaft von den Bauern abzuschaffen und sie zu Freybauern zu machen, die Hoff-Wehren will ich hiermit erb- und eigentümlich auf ihre Kindes-Kinder schenken, dagegen sollen sie in jedem Amt einen körperlichen Eid ablegen, daß sie Mir treu, hold sein wollen, ihre Prästanda fleißig zu entrichten, die Höfe nicht verlassen als mit dem Tod, und wenn sie abbrennen, will Ich sie Holz geben, dagegen sollen sie die Bauernhöfe in gutem Stand setzen und nicht so verfallen lassen, als wenn Krieg wäre. Wenn eine General-Calamität ist, da Gott vor sey, alsdann will Ich sie als ein treuer Vater unter die Arme greifen ..."

Daß Friedrich Wilhelm I. seine Armee von 38.000 auf 83.000 Mann verstärkte, daß seine Sorge und Liebe in besonderer Weise seinen Soldaten galt, hat ihm nicht nur den Namen "Soldatenkönig" eingebracht, sondern hat ihn eine preußenfeindlichen Nachwelt als den "Urheber des preußisch-deutschen Militarismus" erscheinen lassen. Sie unterschlägt dabei allerdings, daß dieser Preußenkönig - abgesehen von dem Scharmützel mit dem Schwedenkönig Karl XII. vor Stralsund - nicht nur nicht einen einzigen Krieg geführt, seinen Sohn vor "ungerechten Kriegen" gewarnt, sondern über 1.000 neue Schulen gegründet und den Pflichtunterricht in seinem Lande eingeführt hat, so daß Leopold von Ranke sagen konnte: "Wenn Bürger und Bauern in den Brandenburgischen Landen mehr als anderswo zur Kultur des menschlichen Geschlechtes herangezogen worden sind, so hat Friedrich Wilhelm I. den Grund dazu gelegt." Die Nachwelt sollte sich erinnern, daß es dieser König war, der - dem verpflichtenden Erbe seines Großvaters folgend - rund fünfzehntausend ihres Glaubens wegen aus Österreich vertriebenen Salzburgern in Ostpreußen eine neue Heimat gab, aus der sie erst von Stalin verjagt wurden.

Gerade in unserer Zeit, die Humanität und Toleranz oft im Munde führt, sei festgestellt, daß es seit jeher in Preußen nicht nur eine religiöse Duldsamkeit gab, sondern daß dieser Staat fremdes Volkstum, das in seinen Grenzen lebte, nicht germanisiert hat. Zahlreiche Splitter fremden Volkstums haben sich jedoch freiwillig assimiliert und sind ohne staatliche Einwirkung zu Deutschen geworden, weil sie die staatliche Gestaltungskraft, die kulturelle Attraktivität, wirtschaftliche Prosperität und die Unabhängigkeit der Gerichte einer so gestalteten Hoheitsgewalt zu schätzen wußten. Es gibt nicht wenige polnische Dokumente, die dieser preußischen Toleranz das beste Zeugnis ausgestellt haben.

(Dieser Text basiert auf der Broschüre "Was hat uns Preußen heute noch zu sagen?" von Dr. Heinz Burneleit und Uwe Greve, eine Publikation der Ost und Mitteldeutschen Vereinigung - OVM)

"Jedem das Seine": Dieses Motto war in Preussen ungeschriebenes Gesetz

Am 17. Juni 1718 wurde die Leibeigenschaft in Preussen aufgehoben

Der preussische König hat in seinem Land grosse Duldsamkeit geübt

Bartholomäusnacht: Es war der Höhepunkt der Hugenottenverfolgung in Frankreich und der Anlaß dafür, daß viele dieser Protestanten ihre neue Heimat in Preußen fanden. Foto: ullstein

Hermann von Salza: Er war einer der bedeutendsten Missonare des Ostens