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16.08.03 / Es fehlen die Visionen / Roland Koch über die unterschätzte Gefahr von Steuersenkungen

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. August 2003


Es fehlen die Visionen
Roland Koch über die unterschätzte Gefahr von Steuersenkungen

Nachdem sich Angela Merkel und Edmund Stoiber positiv zur geplanten Steuersenkung der Regierung geäußert hatten, kamen unerwartet harte Widerworte von seiten des CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch. In einem Interview mit Claus Kleber im heute-journal erklärte der hessische Landeschef, warum er entschieden gegen die Steuerreform ist.

"Wenn man mich fragt, ob ich gern zehn Prozent weniger Steuern zahlen würde, dann sage ich aus voller Überzeugung ja. ... Wenn ich die Frage gestellt bekomme, ob ich möchte, daß meine Kinder das bezahlen müssen, weil wir selbst es uns im Augenblick nicht leisten können, dann sagt eine Mehrheit der Deutschen richtigerweise nein. Ich auch.

Die Wirtschaft hat die Steuersenkung, die 2005 ohnehin kommen würde, längst in ihre Kalkulationen eingerechnet. Das heißt, da passiert gar nichts. Die Bürger haben im Augenblick durchaus - wie wir an den Sparquoten sehen - Geld, das sie ausgeben könnten. Das tun sie aber nicht, weil sie Angst haben - Angst um ihren Arbeitsplatz, Angst um die Ausbildungsplätze ihrer Kinder, Angst um ihre Rente.

Der Kanzler hat am 14. März seine große Agenda 2010 vorgestellt und gesagt: Das ist es. Wenn wir das machen, sind alle Probleme gelöst. Heute hört man nichts mehr davon. Jetzt wird die nächste Festveranstaltung unter dem Motto "Laßt uns die Steuern senken" durchs Dorf getrieben. Das verstehe ich aus Schröders Sicht. Das ist so, wenn man in Schwierigkeiten ist. Aber ich glaube, eine Opposition muß darauf bestehen können, auch übermorgen den Bürgern zu sagen, was sie für richtig hält, dann nämlich, wenn diese Maßnahmen scheitern.

Es ist nur redlich zu sagen, daß das, was die Regierung bisher beschrieben hat, nicht zu einer Steuersenkung zum 1. Januar führt ... Die Wirkungen sind zu gering, um eine so dramatische zusätzliche Staatsverschuldung jenseits aller Planungen hinnehmen zu können. Hans Eichel hat im Augenblick 24 Milliarden Euro im Bundeshaushalt eingeplant, bei Ländern und Gemeinden kommt noch einmal so viel dazu, aber das ist nicht die reale Zahl. Denn Eichel plant mit zwei Prozent Wachstum. Es ist jedoch völlig ausgeschlossen, daß dies nächstes Jahr erreicht wird. Er plant mit weniger Arbeitslosigkeit, dies soll ihm vier bis sechs Milliarden Euro an die Bundesanstalt für Arbeit einsparen. Es ist aber ziemlich ausgeschlossen, daß dies im nächsten Jahr so eintritt bei den Rahmenbedingungen, die wir haben. Da liegen die Risiken. Wir werden leider Gottes ohne Steuersenkung schon sehr viel mehr Schulden machen. Deshalb kann man in dieser Lage mehr Schulden für Steuersenkungen nicht verantworten.

Das größte Problem ist im Augenblick, daß wir keine Visionen mehr haben. Wir haben keine Idee, womit wir in Zukunft Geld verdienen wollen. ... Wir machen statt dessen Konjunkturpolitik mit der Gießkanne. Wir investieren an den verschiedensten Stellen, aber es kommt kein Signal: Deutschland kann wieder etwas, Deutschland ist Weltspitze, Deutschland hat Produkte, die man verkaufen kann auf der Welt zu den Löhnen, die wir brauchen, um damit gut arbeiten zu können. Eigentlich wäre das die Aufgabe der Regierung." R. B.