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16.08.03 / Zwiesprache im Museum / Ausstellungen in Hamburg zeigen Porträtfotografien aus zwei Jahrhunderten

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. August 2003


Zwiesprache im Museum
Ausstellungen in Hamburg zeigen Porträtfotografien aus zwei Jahrhunderten

Fordernd blickt sie ihr Gegenüber an. Neben der Kamera stehend, hält sie energisch den Drahtauslöser in Händen. Ihr entschlossener Gesichtsausdruck scheint ihr "Modell" motivieren zu wollen, doch dieses "Modell" ist sie selbst: Lotte Jacobi, eine der bedeutendsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts, "bannt sich selbst auf die Platte", eine selbstbewußte Frau, die sich in einer Männerdomäne zu behaupten weiß. Zu sehen ist das eindrucksvolle Selbstporträt aus dem Jahr 1929 in der Ausstellung "Zwiesprache", die im Altonaer Museum in Hamburg fotografische Porträts aus der Sammlung der Berlinischen Galerie zeigt (bis 31. August, dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr; im September und Oktober ist die Ausstellung auch in der Staatlichen Galerie Moritzburg in Halle zu sehen).

Erstaunlich, wie viele Frauen mit ihren fotografischen Arbeiten in Altona vertreten sind: Neben Lotte Jacobi, die 1896 in Thorn geboren wurde, fallen die ebenfalls aus Thorn stammende Elsa Thiemann (* 1910), die 1893 in Elbing geborene Grete Leistikow, Liselotte Strelow, geboren 1908 in Hinterpommern, und auch Erna Lendvai-Dircksen auf. Letztere fällt mit ihren Köpfen des Alltags, die unter dem Titel "Das deutsche Volksgesicht" Anfang der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts in Buchform veröffentlicht wurden, aus dem Rahmen. Während von den anderen Künstlern vornehmlich Fotos prominenter Zeitgenossen gezeigt werden, sind ihre "Modelle" Menschen wie du und ich, darunter ein erfrischend lachendes Mädchen von der Kurischen Nehrung. Ansonsten aber ist es die Prominenz des 20. Jahrhunderts, die ins Auge sticht: Porträts von Menzel bis Brecht, von Elly Beinhorn bis Max Schmeling, von Stefan George bis Erich Kästner. Auch der Tilsiter Johannes Bobrowski ist zu entdecken; lässig lehnt er an einer Ziegelwand, die Zigarette in der Hand; der Blick scheint nach innen gekehrt ...

So unterschiedlich wie die Porträtierten, so unterschiedlich ist auch die Art ihrer Darstellung. Fotografen wie Hugo Erfurth legten Wert darauf, selbst die Unebenheiten eines Gesichts hervorzuheben. Und so blicken Heinrich George oder Gerhart Hauptmann derart lebensecht auf den Betrachter, daß man tatsächlich versucht ist, mit ihnen "Zwiesprache" zu halten. Ganz anders noch einige Jahre zuvor, da war man bedacht, die Dargestellten so schön, so weich und zart wie möglich zu zeigen. Mädchen auf Bildern um 1900 gleichen Wesen aus einer anderen Welt. Diesen Wandel im Bild des Menschen im 20. Jahrhundert will denn auch diese Altonaer Ausstellung deutlich machen.

Einen besonderen Einblick in die Entwicklung der Fotografie erhält man auf einer anderen Ausstellung, die im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe am Hauptbahnhof noch bis zum 25. Januar 2004 zu sehen sein wird (dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, donnerstags 10 bis 21 Uhr). In der Schau "Porträtfotografie aus zwei Jahrhunderten" aus der Sammlung des Museums finden sich auch viele Künstler wieder, die mit anderen Arbeiten in Altona zu sehen sind, darunter Lotte Jacobi mit ihrem Porträt der Käthe Kollwitz, aber auch Hugo Erfurth, Liselotte Strelow oder Erna Lendvai-Dircksen. Auch der 1898 im westpreußischen Dirschau geborene Alfred Eisenstaedt, ein seinerzeit sehr bekannter Pressefotograf, ist mit einer Arbeit in der Ausstellung am Hauptbahnhof vertreten. Gezeigt werden dort neben Familienbildern, Prominentenporträts, Studien und Zyklen auch seltene Daguerreotypien, die "Großväter" der heutigen Fotografie. Nicht zuletzt diese silbern und kostbar schimmernden Kupferplatten mit ihren zarten, nur schwer zu erkennenden Motiven machen die gewaltige Entwicklung der Fotografie in den letzten zwei Jahrhunderten sichtbar. Silke Osman

Lotte Jacobi: Selbstporträt, 1929

Lotte Jacobi: Käthe Kollwitz, 1929

Fotos (2): aus "Atelier Lotte Jacobi", Nicolaische Verlagsbuchhandlung

Hugo Erfurth: Heinrich George, 1932 Foto: Altonaer Museum