20.04.2024

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23.08.03 / Hexenzauber

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. August 2003


Hexenzauber 
von Betty Römer-Götzelmann

Wir sind in einem Seminar im Ostheim in Bad Pyrmont. Es wird eine Referentin entschuldigt: "... sie hat die Gürtelrose." Neben mir schreien mehrere Frauen, "... die muß sie besprechen lassen", am lautesten die Seminarteilnehmerin direkt neben mir. Sie kommt aus Magdeburg, früher lebte sie in Kö- nigsberg. Später unterhalten wir uns über das Besprechen, das mancherorten wohl noch immer üblich ist. "Für kleine Wehwehchen brauchen wir keinen Arzt", sagt sie. Das erinnerte mich an eine Warze, die ich mir beim Melken unserer Kühe auf dem Siedlerhof in Sachsen-Anhalt eingehandelt hatte. Ich hatte sie am Mittelfinger der linken Hand; sie wurde immer dicker und häßlicher und war auch hinderlich. Eines Tages sagte meine Zimmervermieterin - man lebte in unserer Jugend als "Möblierte Dame ohne Herrenbesuche" - zu mir: "Willst du dir diese häßliche Warze nicht wegmachen lassen?" - "Eher heute als morgen", sagte ich, "einige meiner Freundinnen haben es versucht, es gelang nicht, die Ärzte sind da machtlos, sie kommen immer wieder."

"Dazu brauchen wir keinen Arzt, das mache ich." Sie erklärte mir, daß es beim nächsten Vollmond um Mitternacht sein könnte, vorausgesetzt, sie käme zu diesem Zeitpunkt an eine "Heringsseele", was ja in der damaligen DDR nicht immer zusammentreffen mußte: Vollmond und ein Hering mit einer Seele im HO ...

Der Vollmond leuchtete in unsere Stube, wir hatten wieder einmal die Stromsperre. Tante Alma fragte mich aus ihrem Sessel heraus in die schummrige Dunkelheit: "Sollen wir es heute machen? Ich habe eine Heringsseele, du mußt allerdings ganz fest daran glauben, daß die Warze genommen wird." - "Ja, gehen wir es an." - Welchen ihrer Götter mochte sie wohl einschalten? Meine prußischen und masurischen Gottheiten konnte sie nicht zu Hilfe rufen, sie ließen sich nur an Pregel, Rominte und Memel herab, und dann auch nur mit der bekannten Zauberformel.

Wir hielten uns mit Reden bis kurz vor Mitternacht wach. Tante Alma traf dann ihre Vorbereitungen. Sie rückte ein kleines Tischchen ans Fenster, das von dem gleißenden Mondlicht schaurig schön erhellt war. Als die Kirchturmuhr vereint mit dem Stubenperpendikel die 12. Stunde schlug, nahm Tante Alma die Seele des Herings, die zwischen ihren Fingern silbern glänzte. Sie strich mit dieser über meine Warze, nachdem ich nochmals eindringlichst ermahnt worden war, ja an diese Zeremonie zu glauben. Ich gab mich ganz dem Hexensabbat hin. Die Zauberin murmelte etwas. Dieses Gemurmel ging mir durch Mark und Bein. Sie strich mit dem glitzernden, glitschigen Heringsinnenleben immer wieder zart über meine dicke, häßliche Warze. Ich wiederum bemühte mich, ganz intensiv daran zu glauben, daß mir geholfen wür- de ... dennoch kämpfte ich mit dem Lachen.

Am anderen Morgen lachte ich nicht mehr. Die Warze war vollkommen verschwunden, hatte sich in das Innere des Fingers - wohin nur? - zurückgezogen. Mutter sagte mir später: "Auf solche unerklärlichen Heilmethoden verstanden sich viele alte Frauen zu Hause in Ostpreußen." Es sei ihr immer unheimlich gewesen, wenn beispielsweise bei kranken Tieren hinter verschlossenen Türen im Stall diese Altchen ihre Besprechungen vornahmen. Andererseits habe sie auch erlebt, daß manch einer nicht in den Stall oder nur in seine Nähe kommen durfte, weil derjenige mit dem bösen Blick die Tiere hätt besprechen können.

Typisch ostpreußisch: Enge Verbundenheit zwischen Mensch und Tier

Foto: Hallensleben

 

Charlotte Schramm 
De Heematlosen

Dat traute Heem

blööf goanz alleen tohus.

Oone Haw un Goot

wurd wi verdraewe,

wi kunn ons joar nich waere.

Vull Leed und Sorg

wör för ons de Tied.

Nu sin wi heematlos

un enne joanze Welt tohus.

De scheene Heemat ös

för ömmer wech,

oaver öm Hart

ös se ewig

för ons jeblaewe.