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23.08.03 / Die Tochter einer KZ-Aufseherin versucht zu verstehen

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. August 2003


Mitleidlose Mutter
Die Tochter einer KZ-Aufseherin versucht zu verstehen

KZ-Aufseherin! Was müssen das für Frauen gewesen sein, die die Inhaftierten in der Hölle auf Erden bewachten? Waren sie alle gewissen- und mitleidslos sowie den Nationalsozialisten fanatisch ergeben? Was empfindet man gar, wenn eine solche Frau, die die sogenannte "Endlösung der Judenfrage" mit in die Tat umzusetzen half, die eigene Mutter war?

In dieser Situation befindet sich Helga Schneider. In ihrem Buch "Laß mich gehen" beschreibt sie, wie ihre Mutter sie 1941 im Alter von vier Jahren verließ, um eben diesen schrecklichen "Beruf" zu ergreifen.

Die Autorin erzählt, wie sie sich 1971 auf die Suche nach ihrer Mutter machte, in der Hoffnung eine reuige Frau zu finden, die ihr endlich die Mutterliebe geben würde, um die sie sich seit ihrer Kindheit betrogen fühlte. Doch diese Hoffnung zerplatzte wie eine Seifenblase, als sie feststellen mußte, daß ihre Mutter hinsichtlich ihrer Vergangenheit keinerlei Bedauern aufbrachte, sogar das Gegenteil der Fall war.

Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach der Zuneigung ihrer Mutter sowie Abscheu vor deren damaliger Tätigkeit als KZ-Aufseherin und Assistentin bei Menschenversuchen, redete sie sich fortan den Tod ihrer Mutter ein.

Doch 27 Jahre nach dem ersten Wiedersehen traf ein Brief einer Freundin der Mutter bei Helga Schneider ein, in dem diese sie darum bat, ihre Mutter aufgrund deren rapiden körperlichen und geistigen Verfalls ein letztes Mal zu besuchen. Von dem Wunsch beseelt, daß ihre Mutter sich geändert haben könnte, leistete Helga Schneider dieser Bitte Folge. Diesmal zwang die Tochter ihre Mutter dazu, sich an die Zeit im KZ zu erinnern.

Die Autorin gibt die teilweise recht grausam anmutenden Erzählungen ihrer Mutter wieder und erklärt, wieso sie diese Frau, trotz der Tatsache, daß sie auch jetzt noch nicht die geringste Reue wegen ihrer unmenschlichen Taten aufbrachte, nicht hassen konnte.

Alles in allem ein sehr nachdenklich stimmendes Buch, das den Leser mit in den Strudel der widersprüchlichen Gefühle der Autorin gegenüber ihrer Mutter reißt. A. Ney

Helga Schneider: "Laß mich gehen", Piper, München 2003, geb., 173 Seiten, 15,90 Euro