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27.09.03/ Prag hofft auf besseren Schutz heimischer Produkte 

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. September 2003


Tschechische Spezialitäten: Unreife EU-Verordnungen
Prag hofft auf besseren Schutz heimischer Produkte 
von Dietmar Stutzer

Noch heute macht in Tschechien die Nahrungsmittel- und vor allem die Getränkeindustrie stolze 17 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung aus.

Die damalige Tschechoslowakei hat ab 1970 den Schutz geographischer Ursprungsbezeichnungen für Lebensmittel- und Getränkespezialitäten in ihr Rechtssystem aufgenommen, und zwar mit der eindeutigen Zielrichtung, den Export zu stützen, insbesondere natürlich für die Erzeugnisse der Brau- und Getränkewirtschaft.

Deshalb wurden bevorzugt zwischenstaatliche Schutzabkommen für Ursprungsbezeichnungen tschechoslowakischer Produkte abgeschlossen. Für den Inlandsmarkt spielte das allerdings keine Rolle, denn der war ein Mangelmarkt, auf dem gekauft wurde, was zu haben war.

Nach 1989 schienen solche Schutzmaßnahmen erst recht überflüssig zu sein: Die Verbraucher stürzten sich förmlich auf Warenangebote aus dem Westen; die einheimische Produktion wurde verdrängt. Doch ähnlich wie in Polen dauerte diese Phase nicht lange. Mittlerweile hat die einheimische Lebensmittelindustrie ihre eigenen Märkte zurückerobert, und die Käufernachfrage richtet sich vor allem auf Inlandsprodukte. Geographische Herkünfte gewinnen vor dem Hintergrund dieser neuerlich veränderten Nachfrage an Gewicht.

Deshalb soll jetzt entsprechend den Vorgaben der Europäischen Union (siehe PAZ 38/03, S. 7) dieses System des Schutzes geographischer Ursprungsbezeichnungen auf dem Inlandsmarkt präsent gemacht werden, beginnend mit einer speziellen Käsesorte "Olomoucké tvaruzky", die charakteristisch ist für eine der von Boden, Klima und Topographie her meistbegünstigten Agrarlandschaften des Landes - die "Hannah", jenes fruchtbare Ackertiefland in der Senke von Olmütz.

Tatkräftige Hilfe seitens der EU erwartet sich Tschechien bei zwei Fällen von "Piratentum" beim Ge- bzw. Mißbrauch geographischer Ursprungsbezeichnungen für Getränke. Bei dem aufsehenerregendsten Fall geht es, wie könnte es beim Bierland Böhmen anders sein, um den erfrischenden Gerstensaft, genauer um das "Budvar" der Groß- und Traditionsbrauerei in Budweis. Dieses wird nämlich auch auf der anderen Seite des Atlantiks verkauft, und zwar unter seinem alten deutschen Namen "Budweiser" von dem weltgrößten Braukonzern Anheuser-Busch in den Vereinigten Staaten.

Für Anheuser-Busch ist das "Budweiser" die wichtigste Marke überhaupt; kein Bier rund um den Globus wird häufiger verkauft als dieses - ohne daß das seit 1876 registrierte amerikanische "Bud" jemals etwas mit der namensgebenden südböhmischen Stadt und noch weniger mit der dortigen Brauerei zu tun gehabt hätte.

Allerdings wurde es bereits 19 Jahre vor der Gründung des tschechischen Aktienbrauhauses Budweiser/Budvar eingeführt. Erst seit Oktober 1895 begann dort das Bierbrauen in großem Stil, während die entsprechenden Traditionen jedoch Jahrhunderte zurückreichen. Das Braurecht wurde der Stadt Budweis in ihrem Gründungsjahr 1265 durch König Ottokar II. zuerkannt.

In der Bundesrepublik Deutschland verfügt nur das böhmische Budweiser über die Markenrechte, so daß das US-Bier allenfalls als "Anheuser-Busch" zu haben ist.

Anderswo wird heftig um die Rechte gestritten. In Ungarn erteilte das dortige Patentamt erst Ende 2002 dem alleinigen tschechischen Anspruch auf die Marke eine Abfuhr. Im selben Jahr hatte es ein gleichlautendes Urteil in Italien gegeben. Weitere Niederlagen für die böhmischen Vertreter gab es in Argentinien, Australien, Brasilien, Dänemark, Finnland, Neuseeland und Spanien. Dort dürfen weiterhin nur die US-Amerikaner ihr "Budweiser" verkaufen.

Die 1998 begonnenen Auseinandersetzungen zwischen der Brauerei in Südböhmen und dem Biergiganten aus St. Louis haben weltweit große Aufmerksamkeit erregt, ohnedaß sich etwas zugunsten der tschechischen Seite geändert hätte. Wenn nun aber die EU- Kommission ihren selbsterteilten Schutzauftrag für die geographischen Herkunftsbezeichnungen wirklich ernst nimmt, dann muß sie für das neue tschechische Mitglied am 2.Mai 2004 einen "Bierkrieg" gegen die USA erklären, so eindeutig ist hier der Verstoß gegen ihr eigenes Recht.

Doch auch in Europa gibt es ähnliche Problemfälle. In Tschechien und der Slowakei sowie bei vielen Besuchern steht der Zwetschgenbrand "vizovickà slivovice" der Traditionsbrennerei Rudolf Jelinek in hohem Ansehen. Auch er erfüllt alle Kriterien der beiden EU-Schutzverordnungen und ist überdies ein Markenname mit entsprechender Präsenz in den Regalen selbst kleiner dörflicher Lebensmittelgeschäfte, die es im Nachbarland noch reichlich gibt.

Das alles konnte eine Schweizer Vertriebsfirma allerdings nicht daran hindern, nachgemachten Obstbrand unter dieser Herkunftsbezeichnung vor allem in den USA und Frankreich zu vertreiben. Auch in diesem Fall sieht man den Reaktionen der EU nach dem 1.Mai 2004 erwartungsvoll entgegen.

Als 1992 die Bemühungen einsetzten, den "Schutz geographischer Ursprungsbezeichnungen" einzuführen, lautete in Brüssel eine beliebte Preisfrage: Was wird künftig geschützt - der "Allgäuer" oder der "Limburger"? Denn in der Käsespezialität "Allgäuer Limburger" oder auch "Allgäuer Emmentaler" sind gleich zwei einander ausschließende Ursprungsbezeichnungen kombiniert.

Die Belgier und die Holländer, beide im Besitz je einer Provinz Limburg, erklärten scherzhaft, daß weiterhin jeder Limburger Käse herstellen dürfe, der wisse, wie das gehe - sofern er hierfür "Lizenzgebühren" entrichte.

Dieselbe Frage wird sich mit dem EU-Beitritt Tschechiens wiederholen, dann allerdings mindestens im europäischen Maßstab.

Am Tresen in Frankfurt oder Dortmund verlangen die Durstigen "ein Pils". Selbst im grenznahen südböhmischen Hohenfurth bestellen Gäste aus dem 35 Kilometer entfernten Linz "ein Pilsener", auch wenn sie wissen, daß das Bier aus der Brauerei Eggenberg im nahen Krumau stammt und nicht aus dem westböhmischen Pilsen.

Zahllose Brauereien rund um den Globus haben ein "Premium Pils" in ihrem Angebot und verwenden somit eine "geographische Urprungsbezeichnung".

Wer "Pilsener Bier" oder nur "ein Pils" bestellt, dem müßte die EU-Kommission in Zukunft das Recht verschaffen, daß sein Bier tatsächlich aus Pilsen kommt.

Die Fachleute in Prag haben diese Problematik gegenüber Brüssel bisher nicht angesprochen, aber natürlich ist sie gerade beim künftigen tschechischen EU-Partner bestens bekannt.

Klar ist vor allem eines: nämlich daß die Kritik des Jahres 1992, die EU-Kommission habe sich mit dem Konflikt zwischen Ursprungs- und Gattungsbezeichnung für ein Lebensmittel oder ein Getränk nicht wirklich auseinandergesetzt, mit den bevorstehenden Beitritten der ostmitteleuropäischen Länder erst richtig aktuell wird.

Wird Brüssel Washington den "Bierkrieg" erklären?

Alte BierWerbung:

Um den Markennamen "Budweiser" gibt es seit Jahren heftigen Streit

Bild: Archiv