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27.09.03/ Neu gestaltet: Das E. T. A. Hoffmann-Haus in Bamberg 

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. September 2003


Lebendige Illustration
Neu gestaltet: Das E. T. A. Hoffmann-Haus in Bamberg 
von Dietmar Stutzer

Fast ist an dem neuen Musikdirektor an der "königlich privilegierten Schaubühne zu Bamberg" von 1808 die schlimmste Drohung wahr geworden, die ein Orchester gegen seinen Dirigenten ausstoßen kann, nämlich die Ankündigung: "Und heute abend spielen wir aber, was Sie dirigieren!" Der Gespenster-Hoffmann und Spottgeist aus Königsberg, der ein so brillanter Jurist war und es gar nicht sein wollte, hatte sich mit einer Zeitungsanzeige von Berlin aus um eine Stelle als Musikdirektor "an einem Theater" beworben und, vielleicht zu seiner eigenen Überraschung, ein Angebot aus Bamberg bekommen und es alsbald auch angetreten. In der Zinkenwörth 50 bezog er seine endgültige Wohnung für fünf Bamberger Jahre bis 1813. Heute ist es der Schillerplatz 26 und enthält seit Mai 2003 das erste E. T. A. Hoffmann-Museum Bambergs, das diesen Namen mehr als verdient. Es ist das einzige Wohnhaus von Hoffmann, das in seiner ursprünglichen Baugestalt bis heute erhalten ist, sein Königsberger Geburtshaus ist im Krieg untergegangen, ob sich die Gebäude im polnischen Posen und in der zentralpolnischen Kleinstadt Plock erhalten haben, könnte mit der Hilfe polnischer Stadtarchive geklärt werden. Zum Wohlgefallen von Hoffmann war in seiner Bamberger Wohnung "auch ein Poetenstübchen dabey", das es bis heute gibt.

Nach einigen Aufführungen unter der Leitung des neuen Kapellmeisters war einmal mehr ein Eklat fällig. Hoffmann fand Widersacher, nicht zuletzt im eigenen Orchester. Die Musiker murrten vernehmlich, warfen ihm Unerfahrenheit im Dirigieren vor, "falsch" zu dirigieren, worunter verstanden wurde, am Flügel sitzend anstatt stehend mit der Geige in der Hand zu dirigieren. Dirigenten, die am Pult stehend den Zauberstab schwangen, kannte man kaum. Nur Beethoven wurde diese Neuerung nachgesehen, weil man wußte, daß er sich wegen seiner Schwerhörigkeit beim Taktgeben nach dem Bogen des ersten Geigers richten mußte. Doch Hoffmann war eben nicht Beethoven und Bamberg nicht Wien - er durfte das Kapellmeister-Amt nicht mehr ausüben, nur der Titel blieb ihm - und ein reduziertes Gehalt. Von da war er nur noch Theaterkomponist.

Der neue Theaterdirektor von Holbein beschäftigte ihn später als Faktotum für alles und jedes, auch als Maschinisten, Bühnenbildner und als Kartenverkäufer. Finanziell reichte es wieder einmal hinten und vorne nicht, also mußte er sich mit dem Erteilen von Gesangsstunden für "höhere Töchter" durchschlagen. Die Grundlage für die noch längst nicht ausgeleuchtete Liebe zu der 13jährigen Gesangsschülerin Julia Mark von 1811 war gelegt, von der bis heute unklar ist, ob ihn die von Hoffmann selbst als "über alle Maßen und wahnsinnig" beschriebene Liebe zu dem Mädchen fast in den Wahnsinn oder der zumindest latente "Wahnsinn" ihn in diese Liebe getrieben hat. Jedenfalls gehört es zu den rasch erworbenen Verdiensten des neuen Bamberger Museums, spürbar zu machen, daß Hoffmann gerade wegen der so ersehnten Freiheit von Amtszwängen und der "Trockenheyt der Juristerey" die Bamberger Jahre in ständiger manifester psychischer Gefährdung durchlebt - und meistens auch durchlitten hat.

Viel ist dem Leben von Adalbert Stifter ähnlich, mit dem sich erst seit recht kurzer Zeit literaturzugewandte Ärzte, vor allem Psych-iater, beschäftigen und dabei die lebenslangen schweren Depressionen offengelegt haben, gegen die Stifter so unermüdlich angegessen und angetrunken hat. Der sich verdichtende episodische Alkoholismus von Hoffmann, der ihn im Weinhaus Lutter & Wegener in Berlin so heimisch hat werden lassen, zeigt in die gleichen Richtungen. Die Bamberger Ausstellungsgestalter deuten diese Hinter- und Abgründe wenigstens an, so wie sie überhaupt alles Schön- oder Kleinreden und noch mehr alles Beschweigen vermeiden und ihr bis jetzt sparsam verfügbares Material vor allem ehrlich aufbereitet haben.

Nach seiner "gänzlichen Entfernung vom Theater" 1809 beginnt für Hoffmann als Komponist und dann auch als Wortautor eine produktive Zeit. Er ist nun wieder das, als was er sich am liebsten gesehen hat: Komponist, etwa der Oper Aurora, des Miserere für Chor und Orchester und von Kammermusik und findet als Schriftsteller mit musikkritischen und literarischen "Aufsätzen" und mit Erzählungen erste Beachtung, die später in die "Fantasiestücke in Callot's Manier" (1814/15) eingehen, etwa "Don Juan", die "Kreisleriana", die "Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza". Sie gehören in die Bamberger Zeit. Als Karikaturist - das selbstverständlichste seiner Talente - ist Hoffmann wieder unermüdlich tätig.

"Das Museum muß den Erwartungen eines gemischten Publikums gerecht werden. Der neugierige Laie soll ebenso auf seine Kosten kommen wie der versierte Hoffmann-Kenner. Für die Gestaltung einer ständigen Ausstellung eines Dichter-Hauses ist dies kein ganz leichter Auftrag. Die E. T. A. Hoffmann-Gesellschaft, die für die Betreuung des Museums zuständig ist, hat sich dieser Aufgabe gestellt - bislang mit eher geringen Mitteln. Dank der großzügigen Unterstützung mehrerer Sponsoren konnte schließlich 2002/03 eine neue Ausstellung erarbeitet werden. Nach den Ideen des Bühnenbildners Wolfgang Clausnitzer wurde das historische Flair des Hauses aus dem 18. Jahrhundert durch Installationen ergänzt, die biographische und literarische Sachverhalte sinnlich erfahrbar machen sollen. Dazu gehören das Spiegelkabinett, die Theaterloge und der Guckkasten in der zweiten Etage und der ,Zaubergarten', das Gartenatrium des Hoffmann-Hauses, der eine Art lebendiger ,Illustration' zu E. T. A. Hoffmann sein könnte." So beschreiben die Gestalter des Museums ihre Absichten. Sie haben sie nicht zuletzt durch das Begleitbuch, das allen Ansprüchen gerecht wird, die bei der jetzigen Ausstattung gestellt werden können, jedenfalls bis zu hoffentlich erreichbaren Erweiterungen der Ausstellungsbestände auch verwirklicht.

Der Führer durch das Museum und in gelungen gedrängter Form auch durch das Leben und das Werk enthält die Informationen - und zum größten Teil auch die Abbildungen zu Hoffmanns Leben und Werk, die im Museum auf Schautafeln zu sehen sind. Auch eine Skizze der Geschichte des Hauses gehört dazu, beginnend mit den Wohnverhältnissen des Ehepaars Hoffmann und mit den - peinlichen - Legenden, die im Lauf des 19. Jahrhunderts entstanden sind, bis hin zur Gründung und allmählichen Erweiterung des Museums.

Auch ein "Poetenstübchen" war mit dabei

Dämonisch: Blick in das neu gestaltete Museum mit dem Porträt Hoffmanns an der Decke

Foto: Gerald Raab/Fotoarchiv der Staatsbibliothek

Erhalten: Das Wohnhaus E. T. A. Hoffmanns am Schillerplatz 26 in Bamberg beherbergt heute ein Museum

Foto: Museum