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27.09.03/ Frauen fanden erst spät Aufnahme an Akademien

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. September 2003


Der lange Weg zur Kunst
Frauen fanden erst spät Aufnahme an Akademien

Es gab Zeiten, da mußten Frauen ins Kloster gehen, um intellektuell oder künstlerisch zu arbeiten. Bis zum 16. Jahrhundert war dies gang und gäbe, wenn Frauen sich bilden wollten. Dort wurde gelesen, aber auch geschrieben, komponiert und gemalt. Der Preis für diese innere Freiheit war allerdings ein Leben in völliger Abgeschiedenheit. Meist illustrierten die Nonnen die Heilige Schrift, aber auch Altarbilder und Fresken entstanden.

Im 17. Jahrhundert galt die Kunst bereits als angesehenes Metier, doch Frauen waren dabei eine Seltenheit. Sie stammten entweder aus dem Malermilieu (als Töchter, Ehefrauen oder Witwen) oder aus der Oberschicht, denn eine Malerausbildung kostete ein stattliches Lehrgeld. Zu den damals anerkannten Künstlerinnen gehörte die 1647 in Frankfurt am Main als Tochter des Kupferstechers und Verlegers Merian geborene Maria Sibylla Merian. Sie erhielt Malunterricht bei ihrem Stiefvater und konzentrierte sich später, da ihr als Frau die Ölmalerei verboten war, auf das Malen mit Aquarell- und Deckfarben. Ihre Naturstudien faszinierten damals, wie sie es heute tun.

Die Akademien lösten im 18. Jahrhundert die Zünfte und Gilden ab, in denen die Maler organisiert sein mußten, um Aufträge zu erhalten. Auch sie waren eine reine Männerdomäne. Frauen wurden nur in Ausnahmefällen aufgenommen, daran änderte auch die Französische Revolution nicht viel. Frauen fehlten somit die Kenntnisse für die damals hochangesehene Historienmalerei, da es ihnen verwehrt war, in der Akademie das Zeichnen antiker Skulpturen, das Kopieren alter Meister und das Aktstudium am lebenden Modell zu erlernen. Ihnen blieb "nur" die Porträtmalerei, die sie allerdings in großer Meisterschaft ausführten. Zu den damals anerkannten Künstlerinnen gehören Anna Dorothea Therbusch aus Berlin und die Schweizerin Angelica Kauffmann, zwei selbstbewußte Frauen, die sich in einer Männerwelt durchaus behaupten konnten.

Auch im 19. Jahrhundert war es für Frauen noch nicht selbstverständlich, als freie Künstlerinnen zu arbeiten. Nur vereinzelt gelang es ihnen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, den Besuch einer Akademie durchzusetzen, meist auch nur durch allerhöchsten Befehl. Doch wurden schon erste Zeichen- und Kunstschulen von renommierten Künstlern eröffnet, wo Frauen eine oft solide Ausbildung erhielten. In der 1845 gegründeten Königsberger Kunstakademie zum Beispiel fanden Frauen erst seit 1890 Aufnahme. Und Lovis Corinth, der Meister aus Tapiau, gründete 1900 in Berlin seine "Malschule für Weiber", die regen Zuspruch fand. - Ein glücklicher Zufall führte 1901 auch Charlotte Berend in diese Malschule in der Klopstockstraße 48. Sie sollte 1904 den Meister aus Tapiau ehelichen. Ihre Kunst aber übte sie auch nach der Familiengründung (mit zwei Kindern) aus, wenn sie auch ihr Talent hinter dem des Ehemannes zurück-stellen mußte. So forderte Corinth sie auf, nicht die gleichen Motive wie er selbst zu malen. Vor allem den Walchensee hatte er für sich "reserviert". "Ich habe", so erinnerte sich Charlotte Berend-Corinth später, "neben der Führung des Haushaltes und der Betreuung der lieben Kinder nie nachgelassen, täglich an der Staffelei zu stehen und zu malen. Nur so blieb ich dem Genius, mit dem ich lebte, eine Gefährtin, der er alles sagen konnte, was ihn beschäftigte." So eng die beiden Künstler auch miteinander verbunden waren, so eigenständig entwickelte Charlotte ihre schöpferischen Kräfte und schuf Bilder, die keineswegs abhängig waren von ihrem großen Lehrer. Nach dessen Tod eröffnete sie 1927 sogar eine eigene Malschule in der Klopstockstraße 48 ...

Käthe Kollwitz, die große Königsbergerin, erinnerte sich an ihre Anfänge als Künstlerin: "Ich will zurückgehen darauf, daß der Vater schon seit meiner Kindheit den ausgesprochenen Wunsch hatte, mich zur Künstlerin heranzubilden, zugleich in dem Gedanken, es würden sich da nicht große Hemmungen dazwischen- schieben. So ließ er von meinem 14. Jahre ab mich von den besten Kräften in Königsberg unterrichten. Zu allererst bei Kupferstecher Mauer, später bei Emil Neide ... Da ich als Mädchen keine Zulassung zur Akademie hatte, bekamen ich und eine junge Tilsiterin Privatstunden bei Neide ..." Später studierte die 1867 geborene Kollwitz an der Schule des Berliner Künstlerinnenvereins und besuchte 1904 in Paris die berühmte Académie Julian. - Nach dem Ersten Weltkrieg dann hatten sich die Zeiten gewandelt: Käthe Kollwitz erhielt 1919 einen Lehrstuhl an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin. - Auch Paula Modersohn-Becker hatte die Berliner Künstlerinnenschule besucht; zuvor jedoch hatte sie ersten privaten Zeichenunterricht in London erhalten (1892).

Heute haben Frauen in der Kunst nicht mehr mit derartigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie haben sich in allen Sparten etabliert, sei es als Bildhauerinnen und Malerinnen, sei es als Fotografinnen oder Videokünstlerinnen. - Einen umfassenden Überblick über starke Frauen in der Kunst erhält der aufmerksame Leser in dem jetzt bei Prestel herausgekommenen Buch von Elke Linda Buchholz Künstlerinnen - Von der Renaissance bis heute (Hrsg. Peter Delius. 128 Seiten, 140 Abb. davon 50 in Farbe, geb. mit farbigem Schutzumschlag, 29,95 Euro). Neben einem Lebenslauf und einem typischen Werk aus dem Schaffen der Künstlerin wird auch eine kurze Wertung vorgenommen. Zu den 50 Porträts gibt es darüber hinaus einen Überblick über die Kultur-szene der einzelnen Jahrhunderte und einen tabellarischen Überblick über andere wichtige Ereignisse aus der Zeit. Ein spannender Abriß europäischer Kultur- geschichte. Silke Osman

Walther Frahm: Professor Heinrich Wolff und zwei Schülerinnen 1903 an der Königsberger Kunstakademie (Bleistiftzeichnung im Besitz des Museums Ostdeutsche Galerie Regensburg). Frauen waren erst seit 1890 an der Akademie zugelassen.