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11.10.03 / Unverbrüchliche Freundschaft / Seit fünfzig Jahren ist die Stadt Bochum Patin des Kreises Neidenburg

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. Oktober 2003


Unverbrüchliche Freundschaft
Seit fünfzig Jahren ist die Stadt Bochum Patin des Kreises Neidenburg

Ganze 50 Jahre Patenschaft zwischen der Stadt Bochum und dem Kreis Neidenburg - Das diesjährige Heimattreffen stand ganz im Zeichen des 50jährigen Patenschaftsjubiläums. Beeindruckend ist, daß 58 Jahre nach der Vertreibung immer noch über 1.000 Landsleute das Heimattreffen in Bochum besuchen, ihre Erinnerungen und Erfahrungen austauschen und der Heimat gedenken.

Am Sonnabend war der große Saal im RuhrCongreß gut gefüllt. Nach der Begrüßung durch die Kreisvertreterin und Oberbürgermeister Stüber erfolgte der musikalische Reigen mit dem Andza-Chor, dem Blaswerk der Musik- schule Bochum und der Tanzformation GTS Schwarz-Gold. Die Moderation hatte der Ostpreuße Herbert Tennigkeit, der auch Gedichte in ostpreußischer Mundart vortrug. Ein gelungener Abend, der unvergessen bleiben wird. Zum Abschluß gab es eine Tombola, deren Erlös je zur Hälfte an eine karitative Einrichtung der Stadt Bochum und den Notfallfonds der Neidenburger Gesellschaft Deutscher Minderheit weitergeleitet wurde. Die Kreisvertreterin stellte in den Mittelpunkt der Begrüßungsrede mehrere erinnerungswürdige Eckpunkte des Patenschaftsverhältnisses.

Zunächst dessen Begründung im Jahre 1953 durch den Oberbürgermeister der Stadt Bochum, Fritz Heinemann, und den letzten amtierenden Bürgermeister von Neidenburg, Paul Wagner. Des weiteren erinnerte sie an die im Jahre 1961 von der Stadt Bochum errichtete "Neidenburger Siedlung", die seinerzeit in der Bundesrepublik einmalig war und die für mehrere leidgeprüfte Familien aus dem Kreis zu einem neuen Zuhause wurde. Dankbar erinnerte Marion Haedge an die Einrichtung der "Neidenburger Heimatstube", für die seitens der Patenstadt in all den Jahren die erforderlichen Räumlichkeiten für heimatkundliche Gegenstände und Exponate zur Verfügung gestellt werden. Nicht zuletzt wies sie auch auf die verschiedenen Reisen, gemeinsam mit offiziellen Vertretern des Rates und der Verwaltung der Stadt Bochum, sowie Bochumer Bürgern, hin, durch die im Zuge der Annäherung mehr Normalität im Sinne der Charta der Vertriebenen von 1950 geschaffen werden sollte. Zum Schluß sprach Marion Haedge im Namen der Kreisgemeinschaft Neidenburg der Patenstadt Bochum den Dank für die 50jährige fürsorgliche Begleitung der Schicksalsgemeinschaft aus und überreichte Oberbürgermeister Stüber als Erinnerung an dieses denkwürdige Datum und als Ausdruck der Dankbarkeit ein Stück "Gold der Ostsee", einen auf einer Wurzel drapierten Naturbernstein.

Der Sonntag begann mit der Kranzniederlegung am Ehrenmal an der Paulskirche in Bochum. Zu Beginn der Feierstunde konnte der zweite stellvertretende Kreisvertreter, Dr. Uwe Laurien, neben Vertretern der Patenstadt auch zahlreiche Ehrengäste und die Presse begrüßen. Anschließend verlas er ein Grußwort des Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages und Vorsitzenden der CDU im Ruhrgebiet, Dr. Norbert Lammert, der wegen auswärtiger Verpflichtungen nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen konnte. Ein weiteres Grußwort kam von dem evangelischen Pfarrer aus Neidenburg. Danach sprach Alfred Powierski das geistliche Wort mit anschließender Totenehrung. Er stellte seine Kurzandacht unter das Leitwort des 23. Psalms: "Der Herr ist mein Hirte ..." Er verglich das gute Patenschaftsverhältnis zwischen Bochum und Neidenburg mit dem Bild eines Hirten bzw. eines Paten. Pfarrer Powierski hatte den Weg zu den Herzen der Teilnehmer gefunden, die mit sichtbarer Anteilnahme seinen Worten folgten. Im Anschluß daran ging Oberbürgermeister Stüber auf die geschichtliche Entwicklung des Patenschaftsverhältnisses näher ein und leuchtete in diesem Zusammenhang den damaligen weltpolitischen Hintergrund näher aus.

Hatten die Begründer seinerzeit den vorrangigen Wunsch, daß aus dieser Patenschaft nützliche Verbindungen zwischen Ost und West erwachsen mögen, so wurde jede Annäherung durch kalten Krieg von vornherein unmöglich gemacht. Erst Glasnost und Perestroi-ka brachten dann Jahre später den Durchbruch. Hierzu führte er unter anderem aus: "Später bewegte sich manches in Richtung Osten. Friedliche Koexistenz und Wandel durch Annäherung - diese Begriffe stehen für eine Politik, die bislang starre Verhältnisse aufzulockern suchten. Die Spaltung für die Menschen hüben und drüben erträglicher zu machen war das erklärte Ziel." "Und schließlich gab es in der Folge von Glasnost und Perestroika unter Gorbatschow den entscheidenden Durchbruch bis hin zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten auf dem Wege zu einem vereinten Europa." "Davon hat auch die Kreisgemeinschaft Neidenburg profitiert. Was über Jahrzehnte nicht für denkbar gehalten war, ist Realität geworden. Zwei historische Besuche markierten den Prozeß der Veränderung. Juni 1991: Bürgermeister Rolf Schieck wird gemeinsam mit einer Delegation des Bochumer Rates und Vertretern der Kreisgemeinschaft offiziell im Neidenburger Rathaus empfangen; Mai 1993: Jozef Magol, Bürgermeister der Stadt Neidenburg, kommt zu den Feierlichkeiten anläßlich des 40jährigen Bestehens der Patenschaft nach Bochum und trägt sich in das goldene Buch unserer Stadt ein."

Oberbürgermeister Stüber erinnerte in dankbarer Anerkennung an den früh verstorbenen Kreisvertreter W.-J. Becker, der in schwieriger Zeit das Amt innehatte, und an Lm. Zehe, der beherzt auf die polnische Seite zuging und sie damit ins europäische Boot nahm. Ihm und auch der amtierenden Kreisvertreterin Marion Haedge dankte er für ihr engagiertes Eintreten zum Wohle der Menschen hier und dort. Traditionen und auch Menschen wie Dr. Ferdinand Gregorovius und Walter Kollo sowie denen, die in positiver Weise den europäischen Einigungsprozeß begleiten, fühlt sich die Stadt Bochum verpflichtet.

Der Festredner dieser Jubiläumsveranstaltung, der stellvertretende Sprecher der LO, Bernd Hinz, ging neben den bereits erwähnten Gesichtspunkten vor allen Dingen darauf ein, daß den Vertriebenen eine neue Heimstatt in schicksalhafter Verbundenheit in Bochum zuteil wurde. Ein Kristallisationspunkt für ihre Zusammenschlüsse (Heimattreffen), das langfristige Sichern ihres geretteten Erbes (Heimatstube), das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf Heimat (auch durch offizielle Besuche) wurden durch Bernd Hinz hervorgehoben. Berechenbar und verläßlich, trotz gewisser Meinungsverschiedenheiten in Sachfragen, kennzeichnet bis heute diese Verbindung. Dankbar wurde von Bernd Hinz auch das Engagement der Kreisgemeinschaft in der Heimat erwähnt. Dies kommt durch den Respekt und die Anerkennung, die der deutschen Minderheit in Neidenburg entgegengebracht werden, deutlich zum Ausdruck. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß die Erinnerung an den Kreis Neidenburg auch in Zukunft mit der Unterstützung der Patenstadt Bochum wachgehalten wird und die humanitär-sozialen Aufgaben gelöst werden. H. M.

Ehrlicher und wichtiger Partner der Kreisgemeinschaft: Oberbürgermeister Ernst-Otto Stüber. Foto: M. H.