25.04.2024

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01.11.03 / Friedenshoffnung für Nahost?

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. November 2003


Friedenshoffnung für Nahost?
Neue Friedensinitiative 
von R. G. Kerschhofer

Die Einladung hatte eine Podiumsdiskussion erwarten lassen: Im Wiener "Bruno Kreisky Forum" sollte der israelische Linkspolitiker und frühere Justizminister Jossi Beilin mit dem Arafat-Vertrauten und vormaligen palästinensischen Informationsminister Yassir Abed Rabbo über die Frage "Wohin steuert der Friedensprozeß im Nahen Osten?" diskutieren. Tatsächlich aber gab es die gemeinsame Präsentation eines detaillierten Entwurfs für einen israelisch-palästinensischen Friedensvertrag! Die seit Jahren zwischen den beiden Kontrahenten und ihren Delegationen geführten Verhandlungen hatten kurz davor zu einem Ergebnis geführt, das als "Genfer Übereinkommen" bezeichnet wird, denn Schweizer Finanziers und das Schweizer Außenministerium hatten als Sponsoren fungiert.

Das gemeinsame Auftreten von Beilin und Abed Rabbo in der einstigen Kreisky-Residenz kam nicht zufällig: Kreisky hatte als erster westlicher Politiker Schritte gesetzt, um Yassir Arafat salonfähig zu machen. Abed Rabbo erwähnte, daß er vor 20 Jahren hier erstmals mit Kreisky zusammentraf. Und auch Beilin war mehrmals da - schon zu Lebzeiten Kreiskys und später als Vortragsredner. Grundprinzip der Verhandlungen war es, so die Referenten, die Vorgeschichte auszuklammern, also keine Schuldzuweisungen vorzunehmen und nicht nach "Gerechtigkeit", sondern nach praktikablen und ausgewogenen Lösungen zu suchen: "Die Menschen sollen leben können." Kompromisse sollten innerhalb jedes einzelnen der Konfliktbereiche erarbeitet und nicht etwa ein Bereich im Austausch gegen einen anderen geopfert werden. Das Übereinkommen basiert auf der Zwei-Staaten-Lösung mit voller gegenseitiger Anerkennung. Folgerichtig soll das Rückkehrrecht der vertriebenen Palästinenser nur symbolischen Charakter haben. Eine streng limitierte Zahl von Personen soll nach Israel zurückkehren dürfen. Alle übrigen werden in ihren bisherigen Aufenthaltsländern integriert, vom palästinensischen Staat aufgenommen oder finanziell entschädigt. Die Grenzziehung folgt größtenteils den Linien vor 1967. Einige grenznahe Siedlungen werden an Israel angegliedert und dafür andere Gebiete den Palästinensern abgetreten. Der von Arabern bewohnte Teil Jerusalems wird Teil des palästinensischen Staates. Der Tempelberg kommt formell unter palästinensische Hoheit, aber eine internationale Behörde soll für die Sicherheit der heiligen Stätten sorgen. Für den Verkehr zwischen Gaza-Streifen und Westjordanland soll ein unter israelischer Hoheit, aber palästinensischer Verwaltung stehender Korridor eingerichtet werden. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es umfangreiche Sicherheitsregelungen einschließlich einer internationalen Sicherheitstruppe. Beilin erwähnte, daß das Übereinkommen laut Umfrage bei 39 Prozent der Israelis Zustimmung finde. Auf größte Ablehnung stoße dabei nicht etwa der Plan für den Tempelberg, sondern die Freilassung palästinensischer Gefangener! Eine andere bemerkenswerte Äußerung Beilins: Er lehne die von der israelischen extremen Linken propagierte Ein-Staat- Lösung kategorisch ab, denn er sei Zionist und wolle nicht akzeptieren, daß die Israelis eines Tages Minderheit sein könnten. An dieser Haltung sollten sich europäische Politiker ein Beispiel nehmen!

Das Übereinkommen hat, wie die Referenten selbst einräumen, einen Schwachpunkt: Beilin verfügt über keine Vollmachten, und auch Abed Rabbo hat zwar Rückendeckung durch Arafat, aber kein umfassendes Mandat. Wie ernst ist dann das alles zu nehmen? Auffällig ist jedenfalls die Behandlung des Übereinkommens in den internationalen Medien:

Es wurde nämlich weitestgehend totgeschwiegen! Die israelische Zeitung Haaretz hatte zwar schon am 13. Oktober den Entwurf abgedruckt und über wütende Reaktionen von Sharon und Co. berichtet. Umgekehrt gab es positive Stellungnahmen "linker" Israelis, darunter des Schriftstellers Uri Avneri, sowie der französischen l'Humanité. Auch gibt es Pro- und Kontra-Polemiken im Internet. Und österreichische Medien berichteten über den Abend im Kreisky-Forum. Doch sonst war nichts, wenigstens vorläufig. Wenn aber etwas in Israel hohe Wellen schlägt, jedoch dem Rest der Welt, insbesondere der amerikanischen Öffentlichkeit sorgfältig vorenthalten wird, dann ist dies ein untrügliches Zeichen dafür, daß es die gegenwärtigen Machthaber in Israel und in den USA als eine ernste Bedrohung ihrer Pläne betrachten! Und genau darauf sollten verantwortungsbewußte Politiker und Medien eindringlich hinweisen.

Neue Schutzmauer in der Westbank: Palästinensische Kinder spielen ohne Scheu vor den Grenzanlagen. Foto: AFP

Die Grenzziehung in Palästina soll der Linie von 1967 folgen