23.04.2024

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01.11.03 / EU-Verteidigungsunion doch mit Großbritannien?

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. November 2003


Londons Wackelkurs
EU-Verteidigungsunion doch mit Großbritannien? 
von Pierre Campguilhem

Großbritannien sei nicht gegen einzelne vertiefende Gruppierungen auf dem europäischen Kontinent wie die Europäische Verteidigungs Union. Es wolle sogar an diesen aktiv teilhaben. Dies war der Kernpunkt der Äußerungen des Sprechers der britischen Botschaft in Paris gegenüber dieser Zeitung. Der Diplomat zeigte sich offen und selbstsicher, als sei die kürzlich beim UN-Sicherheitsrat einstimmig erfolgte Abstimmung zugunsten der Politik der Alliierten im Irak ein Grund für die britischen Behörden, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen.

Der Botschaftssprecher begrüßte die Wahl des niederländischen Außenministers Jaap de Hoop Scheffer zum Generalsekretär der atlantischen Allianz. Als westorientierter Politiker, der schon bei der Nato fungiert hat, wird er den Briten Lord Robertson ablösen. In der Rangfolge habe nämlich die Nato für die britische Diplomatie immer noch Vorrang vor der Europäischen Union und der Uno. Das Vereinigte Königsreich sei nicht gegen ein gemeinsames Europa der Verteidigung, wünsche sich allerdings, daß die darauf zielenden Initiativen zu einer Verschränkung mit der Nato und nicht zu einer Rivalität mit derselben führen. Hinsichtlich des Gipfels von Malines, bei welchem Belgien, Deutschland, Frankreich und Luxemburg sich dazu verpflichtet haben, eine europäische Verteidigung zügig voranzutreiben, sagte der Botschaftssprecher, Großbritannien sei davon überzeugt, daß ein Europa der Verteidigung sich mit Großbritanniens Hilfe aufbauen lasse. Sollte sich Paris jedoch für einen nuklearbetriebenen Flugzeugträger statt für das klassische Modell entscheiden, gefährdete dies die Unterstützung aus London. Von Diplomaten waren keine klaren Äußerungen über die derzeit laufenden Verhandlungen zwischen den beiden Verteidigungsindustriegiganten Boeing und dem britischen BAe Systems zu hören. Bei der letzten Luftfahrtausstellung im Pariser Vorort Le Bourge ist in der Tat angekündigt worden, daß der Vorstandsvorsitzende von BAe Systems eine Fusion der beiden Konzerne anstrebe. Abmildernd sagte der Diplomat, es dürfe sich eher um eine "Allianz" als um eine "Fusion" handeln.

Die ganze Geschichte Großbritanniens sei ein Pendeln zwischen dem Kontinent und Übersee. Seiner Einschätzung nach fühle sich BAe Systems als europäische Firma verwundbar, könne jedoch das Projekt "Eurofighter" wegen geltender Verträge nicht verlassen. Bezüglich der Verhandlungen über eine europäische Verfassung schloß der Botschaftssprecher eine Volksabstimmung in seinem Land über dieses Thema nicht aus. Die Ratifizierung werde im Londoner Parlament erfolgen. Es gehe nun darum, in einem Text diese Mischung von "nationaler Staatshoheit" und "ge- teilten Identitäten" zu verankern. Seine Regierung befürworte mit Nachdruck die Schaffung der Stelle eines EU-Außenministers, denn wichtig sei für London, eine Politik des Multilateralismus in eigener Sache weiterzuführen. Unverbindlich sprach er von den Möglichkeiten, ein Europa aufzubauen, das sich nach den Grundlinien der "sich ändernden Geometrie" richtet. Dieser Begriff war einer der Hauptgedanken des französischen Außenministeriums und Alain Juppés, so daß vermutet werden kann, daß die Pariser Stelle des "Foreign Office" gegenwärtig die maßgebenden Gremien der französischen Politik besonders schonen will. Westorientierung und Pragmatismus scheinen derzeit die britische Diplomatie zu kennzeichnen. Ein Einsatz der Nato im Irak sei so derzeit ausgeschlossen. Hingegen wolle Großbritannien aus seinem eigenen Budget Geld für den Wiederaufbau des Irak geben, und das zusätzlich zum von den EU-Behörden versprochenen Beitrag. Großbritannien wolle keine exklusive Politik führen. Das erkläre, daß trotz aller Meinungsunterschiede London an dem sogenannten G5-Gipfel der fünf Innenminister (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien) im Badeort La Baule, wo über die Bekämpfung des Terrorismus diskutiert wurde, teilgenommen habe. Das erkläre auch die gemeinsame Diplomatie mit Deutschland und Frankreich in Richtung Teherans bezüglich seines Atomprogramms. Da das Vereinigte Königreich zur Zeit im Irak (der Diplomat sprach von einer "Stabilisierungsphase") engagiert ist, scheint es jedoch eher dem amerikanischen Bündnispartner als dem europäischen Kontinent zugewandt zu sein. Londons Schaukelpolitik geht auf diese Weise immer weiter.