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08.11.03 / Fall Katyn nicht bei den Akten / Das heutige Rußland ist nur zögernd bemüht, Verantwortung zu übernehmen

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. November 2003


Fall Katyn nicht bei den Akten
Das heutige Rußland ist nur zögernd bemüht, Verantwortung zu übernehmen 
von P. Campguilhem

Unter der Federführung von Stéphane Courtois, dem Herausgeber des "Schwarzbuchs des Kommunismus" ist soeben beim angesehenen Pariser Verlag "Editions du Rocher" ein kleines Buch erschienen, das dem Massaker von Katyn gewidmet ist und verdiente, ins Deutsche übersetzt zu werden.

Sein Autor ist der russische Historiker Viktor Zaslawsky, der Professor an der Universität Louis-Guido Carly in Rom ist, so daß das Werk original auf italienisch verfaßt wurde. Stéphane Courtois hat die französische Übersetzung vorgestellt. Courtois führt seine geschichtswissenschaftlichen Arbeiten über den Totalitarismus im zwanzigsten Jahrhundert fort.

Die Sowjetunion, sowohl unter Stalin als unter seinen Nachfolgern, hat immer versucht, ihre Verantwortung im Katyner Massaker zu verneinen und zu vertuschen. Die Dokumente, die im Buch gedruckt sind, beweisen jedoch, daß das stalinistische Politbüro der KPdSU die volle Verantwortung für dieses Verbrechen trägt.

Am 5. März 1940 beschloß das Politbüro jener Partei die Ermordung von mehr als 25.700 polnischen Kriegsgefangenen. Die Beschlußfassung wurde persönlich und eigenhändig von Stalin, Wo- roschilow, Molotow und Mikoyan unterzeichnet. Es handelte sich um ihr Einverständnis mit einem Vorschlag Berijas. Kalinin und Kaganowitsch waren bei dieser Tagung des Politbüros abwesend, teilten aber nachträglich ihr Einverständnis mit.

Chruschtschow war zu jener Zeit kein Mitglied des Politbüros der KPdSU, sondern Erster Sekretär in der Ukraine und bat um die Erlaubnis, 65.000 Mitglieder der Familien der zu ermordenden Offiziere nach Kasachstan zu deportieren. 4.100 Leichen wurden 1943 von den Deutschen aus reinem Zufall in Katyn entdeckt.

Es wird vermutet, es gäbe noch mindestens zwei gemeinsame Gräber, wahrscheinlich in Weißrußland. Berufsmörder aus den Reihen der Sondereinheiten des NKWD führten diese Hinrichtungen durch Genickschuß durch.

Diese Berufsmörder haben geschwiegen und wurden nicht zu Opfern von Säuberungen. 1959 wurden auf Antrag des Chefs des KGB, Schelepin, die persönlichen Akten der Ermordeten vernichtet, um alles in Vergessenheit zu bringen.

Über Katyn wurden Dokumente, die die Verantwortung des sowjetischen Regimes belegten, gefunden. Besonders ein geheimes Dossier, das den Beschluß des 5. März 1940 beinhaltete. Selbst während der Perestroika weigerte sich Gorbatschow, das Dokument zu veröffentlichen. Im Dezember 1991 gab er es Jelzin, welcher es Lech Walesa, dem damaligen Präsidenten der Republik Polen, weiterleitete.

Ist das Massaker von Katyn nur ein Geschichtspunkt oder eine wegweisende Lehre für die Zukunft? Gemäß dem Verfasser dieses neuen Buchs über eines der bekanntesten Verbrechen des kommunistischen Regimes ging es in Katyn um einen Klassengenozid. Für Stalin und die damalige Führung der KPdSU ging es darum, den bürgerlichen polnischen Klassenfeind auszurotten, um so mehr, als sich unter den Ermordeten zahlreiche Reserveoffiziere befanden. Bislang ist der Führung des postsowjetischen Rußland die ganze Angelegenheit, wie die Erklärungen Wladimir Putins anläßlich seines Staatsbesuchs in Warschau am 16. und 17. Januar 2002 beweisen, unangenehm.

Laut Putin solle man nicht die alten Geschichten bis zum Überdruß wiederholen. Auf jeden Fall weigerte sich der neue Chef des Kremls auch aus diesem Grund, an einer Zeremonie teilzunehmen, bei der die Toten des Warschauer Aufstands geehrt wurden. In Rußland wird der Verein "Memorial", der nach den Verbrechen des sowjetischen Regimes forscht, von der gegenwärtigen russischen Regierung nicht unterstützt.

Der Fall "Katyn" wirft auch ein grelles Licht auf die Politik der Westalliierten in bezug auf die Sowjetunion der Nachkriegszeit.

Während des Krieges, sicherlich in der Hoffnung, "Realpolitik" mit Stalin treiben zu können, drückte sich Winston Churchill vor den Forderungen seines sowjetischen Verbündeten bezüglich dessen, was die britische Propaganda den "Katyner Zwischenfall" nannte, und brachte der polnischen Londoner Exilregierung keine Hilfe entgegen, als Sta-lin wegen Katyn die diplomati-schen Beziehungen mit ihr brach. Die Folgen der Konferenzen von Jalta und Potsdam sind gut be-kannt.

Wie Viktor Zaslawsy bemerkt, brauchte der Westen die Wende des Koreakrieges, um endlich dieses Verbrechen Stalins und seines Politbüros zu brandmarken.

Was Stalins Methoden anbetrifft, steht die Arbeit der Geschichtsschreiber am Anfang,

Die Sowjetunion hat immer versucht, den Mord von Katyn zu leugnen