28.03.2024

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08.11.03 / Ein in jeder Beziehung überraschendes Buch mit historischen Zitaten von aktueller Bedeutung

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. November 2003


Nicht auf den üblichen Trampelpfaden
Ein in jeder Beziehung überraschendes Buch mit historischen Zitaten von aktueller Bedeutung

In einer Zeit, in der der lautstarke Teil der veröffentlichten Meinung in Deutschland offensichtlich auf geschichtliche Erkenntnisse wenig Wert legt - es sei denn, es handelt sich um die oft zu machtpolitischen Zwecken ge- oder mißbrauchte "Vergangenheitsbewältigung" der zwölf Jahre NS-Diktatur -, erscheint Carl Albrechts Sammlung geschichtlicher Zitate im richtigen Moment. Auf den ersten Blick mag der skeptische Leser fragen: Was soll ich mit Zitaten anfangen, die allesamt aus Zeiten stammen, mit denen wir wenig bis gar nichts gemeinsam haben? Doch bereits ein erstes Blättern zeigt, daß diese Sammlung eine geradezu unheimliche Aktualität besitzt. Gleich zu Beginn finden wir einige herzerfrischende Aussagen des alten Bismarck, der einmal sagte: "Mit schlechten Gesetzen und guten Beamten läßt sich immer noch regieren. Bei schlechten Beamten aber helfen die besten Gesetze nichts." Ganz ähnliches hat hundert Jahre später ein politischer Antipode Bismarcks formuliert - der sozialdemokratische österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky, der einmal sagte, ein Staat könne sich glücklich schätzen, wenn er über gute und verläßliche Beamte verfüge.

Ein anderer Bismarck-Ausspruch könnte gleichfalls aus unseren Tagen stammen: "Die Politik ist keine Wissenschaft, wie viele der Herren Professoren sich einbilden. Sie ist eine Kunst. Sie ist ebensowenig eine Wissenschaft wie das Bildhauen und das Malen." Und nochmals Bismarck - wieder ist der Bezug zur Gegenwart verblüffend, wenn der "eiserne Kanzler" (noch in seiner Zeit als preußischer Ministerpräsident) sieben Jahre vor der Reichsgründung sagt: "Die Neigung, sich für fremde Nationalitäten und Nationalbestrebungen zu begeistern, auch dann, wenn dieselben nur auf Kosten des eigenen Vaterlandes verwirklicht werden können, ist eine politische Form der Krankheit, deren geographische Verbreitung sich leider auf Deutschland beschränkt."

Es muß jeden Leser geradezu reizen, Parallelen zur gegenwärtigen deutschen Befindlichkeit zu ziehen - etwa wenn Bismarck 1876 ausspricht, was auch 1976 aktuell war und vermutlich noch 2076 nicht überholt sein wird. Originalton Bismarck: "Ich habe das Wort Europa immer im Munde derjenigen Politiker gefunden, die von anderen Mächten etwas verlangten, was sie im eigenen Namen nicht zu fordern wagten. Im vorliegenden Fall versuchen Rußland sowohl wie England abwechselnd, uns als Europäer vor den Wagen ihrer Politik zu spannen." Wer möchte da nicht an gewisse Usancen innerhalb der heutigen Europäischen Union denken?

Albrecht erweist sich bei der Auswahl und Präsentation der Zitate als ein Anhänger des alten Preußen und der preußischen Tugenden - und da ist es nur folgerichtig, wenn er mehrfach das Augenmerk auf Friedrich den Großen lenkt, der in seiner Zeit ungewöhnliche Auffassungen vertrat (und verwirklichte). Man würde sie als "progressiv" bezeichnen - wäre diese Vokabel nicht so abgegriffen. So erfahren wir in diesem Buch, daß der Preußenkönig für eine liberale Erziehung der Jugend eintrat - allerdings in Verbindung mit dem Begriff der Pflichterfüllung. Wörtlich: "Man darf die Jugend nicht zu kurz halten, das verschüchtert sie. Hält man sie zu streng, so schlägt sie erst recht über die Stränge, sobald sie sich selbst überlassen wird. Da alle Menschen ihre Torheiten machen müssen, ist es besser, es geschieht in der Jugend als in späterem Alter. Man lasse die jungen Prinzen also jung sein. Liebt ihr das Vergnügen meinethalben. Nur dürft ihr ihm nicht den Vorzug vor Euren Pflichten geben".

Das Zitatenbuch zeigt deutsche und preußische Geschichte von einer Seite, die heutzutage leichthin als "politisch nicht korrekt" bezeichnet werden könnte. Aber gerade weil dieses Buch nicht auf den üblichen Trampelpfaden steckenbleibt, sondern versucht, zu zeigen wie es eigentlich gewesen ist, erfährt der Leser überraschende Einsichten. Da ist Friedrichs des Großen Anweisung an das Berliner Kammergericht, wonach "der geringste Bauer", ja sogar "Bettler" "ebenso ein Mensch ist, wie Seine Majestät sind" und dem folglich "alle Justiz gewährt werden muß, indem von der Justiz alle Leute sind, es mag ein Prinz sein, der wider einen Bauern klagt oder auch umgekehrt". Der Prinz sei vor der Justiz "dem Bauern gleich", und es müsse "nur nach der Justiz" verfahren werden, "ohne Ansehen der Person". In gewisser Weise war also das absolutistische Königreich Preußen lange vor der Französischen Revolution von 1789 ein Rechtsstaat.

Unter den bemerkenswerten Zitaten fehlt nicht der Ausspruch des Generalstäblers und Heerführers Helmuth von Moltke, des großen Schweigers: "Mehr sein als scheinen" - als Aufforderung an seine Offiziere, Bescheidenheit zu üben und sich nicht von materiellen Gütern verführen zu lassen. Auf überraschende Weise zeigt Albrecht anhand von Zitaten auch den viel geschmähten Kaiser Wilhelm II. in einem neuen, positiven Licht. Auch Papst Pius XII., über den heute sogar in der katholischen Kirche wenig Gutes gesagt wird, erscheint anders: etwa in seinem Ausspruch 1951, wonach "überall" das Leben der Völker durch die blinde Verehrung der numerischen Werte in Auflösung begriffen sei.

Albrecht macht in seiner Zitatenauswahl keinen Hehl daraus, daß er der heutigen Massendemokratie skeptisch gegenübersteht. Er zitiert Dostojewski ("Demokratie ist der Sieg der Zahl über die Vernunft"), aber auch Goethe ("Niemals hört man mehr von Freiheit reden, als wenn eine Partei die andere unterjochen will"). Auch der Schweizer Diplomat Carl J. Burckhardt kommt zu Wort: "Im Wesen der Demokratie liegt es, innenpolitische Liebhabereien und Leidenschaften auf das außenpolitische Gebiet zu übertragen, wo sie das furchtbarste Unheil anrichten können." Und, von Jacob Burckhardt, dem großen Historiker: "Seitdem die Politik auf die inneren Gärungen der Völker gegründet ist, hat alle Sicherheit ein Ende."

Am Ende präsentiert Albrecht eine Überraschung - einen Ausspruch des ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, des Sozialdemokraten Friedrich Ebert: "Wenn der Tag kommt, an dem die Frage auftaucht: Deutschland oder die Verfassung, dann werden wir Deutschland nicht wegen der Verfassung zugrunde gehen lassen."

Plato hatte bereits erkannt, daß "die Tyrannis aus keiner anderen Staatsform als der Demokratie" entstehe - "nämlich aus der höchsten Freiheit die stärkste und wildeste Knechtschaft". Dennoch tritt Albrecht für Zuversicht ein. Zur Verzagtheit bestehe kein Grund. Er warnt vor einer Diktatur der Demagogen und Volkstribunen, die sehr leicht aus dem Endstadium der Demokratie entstehen könne. "Wir werden uns daher rechtzeitig an Staatsformen erinnern müssen, die den Rechtsstaat garantieren", fordert er - und überdies plädiert er für ein "stetiges Regieren", bei dem die Staatsspitze in Generationen (und nicht in Legislaturperioden) zu denken versteht. Alles in allem: ein in jeder Beziehung überraschendes Buch, das auf leicht zu fassende Art ungewöhnliche Einsichten vermittelt. Carl Gustaf Ströhm

Friedrich Carl Albrecht: "Blick auf drei Jahrhunderte - Politische Zitate 1700 bis 2000", Klosterhaus-Verlag, Wahlsburg-Lippoldsberg 2003, broschiert, 66 Seiten, 9,80 Euro