20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.11.03 / Undank ist der Deutschen Lohn

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. November 2003


Gedanken zur Zeit:
Undank ist der Deutschen Lohn
von Wilfried Böhm

Erstmals werden in der Bundesrepublik Deutschland die Renten gekürzt. Deutschlands Städte protestieren gegen ihre Finanznot und fürchten den Kollaps der Kommunen. Die Krankenkassen sind im Defizit. Das Geld für die Bildung als der wichtigsten Zukunftsinvestition fehlt. Die erwarteten Steuern bleiben aus. Die eurobedingten Preissteigerungen haben zu einer zusätz-lichen Kaufzurückhaltung geführt, die jedermann beim Einkauf des alltäglichen Grundbedarfs und bei jedem Restaurantbesuch spürt, auch wenn Statistiker versuchen, diese Entwicklung schönzurechnen. So oder so wird eine Steuerreform mit dem Ziel des Abbaus der Arbeitslosigkeit nur auf Pump möglich sein und so zu einer Schraube ohne Ende. Sparen an allen Ecken und Enden wirkt sich als Sozialabbau aus. Eine Inflation an Kommissionen aller Art aus tatsächlichen und vermeintlichen Fachleuten beweist die Ratlosigkeit der Regierung und der Parlamente.

Jedenfalls ist Deutschland nicht mehr in der Lage, den sogenannten Stabilitätspakt zu erfüllen, der einst vom Euro-Kanzler Helmut Kohl und seinem Finanzminister Theo Waigel erfunden wurde, um die Deutschen darüber hinweg zu täuschen, daß ihre geliebte D-Mark auf dem Altar "Europas" geopfert wurde und eine Einheitswährung den Wettbewerb der europäischen Währungen untereinander ablöste. Die heutige Bundesregierung handelt sich europaweit "Ermahnungen" ein, von der EU-Kommission, vom spanischen Premier Aznar und unlängst auch vom niederländischen Finanzminister Zalm, der Deutschland als dem "Erfinder des Paktes" vorwarf, "von der deutschen Stabilitätsdisziplin sei leider nicht mehr viel übrig", nicht ohne zugleich auf den "Präzedenzcharakter" der Verstöße gegen den Pakt hinzuweisen.

Angesichts dieser Entwicklungen würde Konrad Adenauer - einmal mehr - sagen: "Die Lage ist ernst", und er hätte recht. Doch weit und breit ist kein Adenauer zu sehen, der diese Lage meistern könnte - und erst recht kein Ludwig Erhard, aber auch keine Maggie Thatcher, die 1984 ihre Tasche auf den Brüsseler Verhandlungstisch knallte und die klassischen Worte sprach: "I want my money back." Rund zehn Milliarden - in Mark gerechnet - bringt seitdem der "Britenrabatt" dem Königreich jährlich ein, und Deutschland ist mit rund drei Milliarden - wiederum in Mark gerechnet - dabei, ihn aufzubringen: Jahr für Jahr.

Damit sind die deutschen Zah-lungen an die Europäische Union (EU), die zwischenstaatliche bürokratische Umverteilungsmaschinerie in Brüssel, angesprochen, um die die deutsche Politik herum-schleicht wie die Katze um den heißen Brei. Im Jahr 2007 soll eine neue EU-Finanzplanung beginnen, die Verhandlungen der EU-Regierungen darüber sollen Anfang 2005 abgeschlossen sein. Bis dahin jedenfalls wird alles weiter laufen wie gehabt: Deutschland ist und bleibt der bei weitem größte Nettozahler der EU - und wer glaubt schon, daß es anders werden wird, besonders nach der Ost-Erweiterung, die Deutschland teuer zu stehen kommen wird! Der famose Konvent mit seinem Vertrag für eine Europäische Verfassung sieht vor, daß auch über die Finanzplanung einstimmig beschlossen werden muß. Wenn dann 25 Regierungen an einem Tisch sitzen, wird jeder, der noch einen Wunsch hat, so lange blockieren, bis er zufrieden ist.

Der Heidelberger Professor Franz-Ullrich Willeke hat unlängst nach einer Auswertung der Zahlungsbilanzstatistik der Deutschen Bun- desbank darauf hingewiesen, daß Deutschland seit der Wiedervereinigung von 1990 bis 2002 an die EU Nettobeträge in einem Gesamtwert von 278,9 Milliarden DM, das sind 142,6 Milliarden Euro, entrichtet hat! Mit anderen Worten: Deutschland hat in dieser Zeit rund 280 Milliarden Mark mehr an die EU gezahlt, als es von ihr zurückbekam! Statt Deutschland wegen seiner enormen innerdeutschen Aufwendungen zur Überwindung der vom Sozialismus angerichteten Schäden zu entlasten, stiegen seine Nettozahlungen an die EU weiter an. Willeke kommt zu dem Schluß, daß die defizitäre Haushaltslage Deutschlands und die Schwächung der öffentlichen Investitionstätigkeit auch mit diesen hohen Nettobeträgen zusammenhängen.

Dem spanischen Ministerpräsidenten Aznar, der deutsche Haushaltsdiszilin anmahnte, rechnet der deutsche Wissenschaftler vor, daß Spanien allein von 1992 bis 1997 von der EU Nettoleistungen von 28,8 Milliarden Ecu erhalten hat und damit einer der größten Nettoempfänger ist. Da Deutschland in diesen Jahren zumeist mit mehr als 60 Prozent für die Nettobeiträge der EU aufkam, wurde Spanien de facto mit rund 17 Milliarden Ecu oder Euro aus Deutschland subventioniert. Damit hat Spanien einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zur gegenwärtigen Stabilisierung seines Haushalts, auf die Aznar gern voll Stolz hinweist, von Deutschland erhalten. Willeke weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß es allerdings nicht den gegenwärtigen internationalen Gepflogenheiten entspräche, "jemandem zu danken, dem man etwas zu verdanken hat". Andere Nettoempfänger sind Griechenland, Portugal und Irland, und künftig werden es alle neuen Mitgliedsstaaten der Ost-Erweiterung sein.

Angesichts dieser bisherigen und zu erwartenden Entwicklungen können und dürfen Deutschlands Zahlungen ins Ausland - übrigens auch seine überhöhten Beiträge an die Vereinten Nationen - bei den Anstrengungen zur Bewältigung der gegenwärtigen krisenhaften Situation im eigenen Land nicht länger außen vor bleiben. Das liegt nicht nur im deutschen, sondern nicht zuletzt auch im europäischen Interesse.

Leider ist kein Adenauer in Sicht, der die deutsche Krise meistert

Die hohen Zahlungen an die EU engen den finanziellen Spielraum ein