27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.11.03 / Der heilkräftige Kohl ist eine gesunde Delikatesse und wird auch von der modernen Medizin geschätzt

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. November 2003


Nicht nur zur Gaumenfreude
Der heilkräftige Kohl ist eine gesunde Delikatesse und wird auch von der modernen Medizin geschätzt

Die Heimat des Wildkohls soll im mediterranen Gebiet liegen, aber große Anbaugebiete der verschiedenen Kohlarten gibt es heute in allen Landschaften der Welt mit wintermildem, luftfeuchtem Klima. Beeindruckend sind die riesigen Weiß- und Rotkohlfelder in Schleswig-Holstein. 60 Prozent der Weißkohlköpfe sind zur Herstellung von Sauerkraut bestimmt. Bis Ende November müssen sie vom Feld sein. Nur der Grünkohl wird erst nach Beginn der Frostperiode geerntet. Dann hat er den richtigen Geschmack gewonnen, weil sich der Stärkegehalt seiner krausen Blätter in Zucker verwandelt.

Die altbekannten Rezepte kommen traditionsgemäß zu Ehren. "Kohl- und Pinkel-Essen" sind ein gesellschaftliches Ereignis. Heute gibt man wohl nicht mehr soviel Schmalz in den Topf wie ehedem, aber Rauchfleisch und pikante Würste gehören immer noch zum zünftigen Grünkohlgericht, das zur besseren Verträglichkeit auch mit reichlich Schnaps begossen wird. Gegen den gefürchteten Kater, der am Morgen darauf peinigen kann, soll reichlich roher Krautsalat verzehrt werden.

Auch heute wissen die verwöhnten Gaumen der Genießer noch zu würdigen, was den Zeitgenossen des römischen Chronisten Plinius (79-23 vor Christus) schmeckte: die zarten Sprossen des Spargelkohls (Brokkoli) und die Röschen des Strauchkohls. Vom Luxus feiner Tafelfreuden konnte eine alte Bäuerin in Dithmarschen berichten, denn ihr Bruder, Chefkoch in einem Sterne-Restaurant, kreiert exklusive Kohlgerichte. "Die heißen dann in verführerischer Beschreibung einiger Zutaten cauliculi, cymal oder Brassicaceae, das sind die wissenschaftlichen Namen für Kohl. Von den Kelten werden die festen, vielblättrigen Kohlköpfe in unser Land gekommen sein. Urahn der Kohldynastie aber ist der Chinakohl, sagt mein Bruder." - "Auf einer 2.000 Jahre alten Speisekarte wurde er bereits als ,zart und knackig' beschrieben. Dschingis-Khan soll eine besondere Vorliebe für dieses Gemüse gehabt haben, wenn es zerschnitten und in Reiswein konserviert worden war. Bei seinen Beutezügen durch Europa vermißte der große Heerführer diese Delikatesse. Darum ließ er die hier angebauten Kohlköpfe zerschnippeln, in Ermangelung von Reiswein salzen und einstampfen. Das machen wir ja noch heute so, auf eine feinere Art allerdings, und geben dem Kraut ja auch gern Gewürze, Wacholderbeeren oder Kümmel und Wein bei!" erzählte die Bäuerin.

Auch gegen allerlei Zipperlein wußte die erfahrene Frau noch wirksame Rezepte, die sie schon von ihrer Großmutter übernommen hat und mir gern verriet: "Die großen Außenblätter von Weiß- oder Wirsingkohl, mit dem Nudelholz geglättet, bis die dicke Mittelrippe zerquetscht ist, lindern für Stunden die Qualen, wenn man sie Ischias- und Rheumakranken auf die schmerzenden Stellen bindet. Und roher Kohlsaft wirkt tatsächlich blutreinigend, hilft gegen Magen- und Darmbeschwerden! - Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker ...!"

Daß sich die übergewichtigen jungen Patienten eines Krankenhauses, die hier einer Reduzierkost zugestimmt und die Diät akzeptiert hatten, sich aber gegen den übergroßen Hunger in der Küche der Station zusätzlich in Salzwasser gekochten Blumenkohl oder Kohlrabi abholen können, wenn der große Hunger sie plagt, erzählte mir meine Tochter, die dort als Kinderärztin arbeitete, bevor sie eine eigene Praxis eröffnen konnte. Die Kalorien dieser Kohlarten zählen also nicht im Diätplan, aber ihre Heilkräfte kannte bereits Dioskurides (ca. 50 nach Christus), der berühmte griechische Arzt und Pharmakologe des Altertums. Die deutsche Äbtissin, Mystikerin und Naturwissenschaftlerin Hildegard von Bingen (1098-1173) erwähnte lobend "kappus" (Weißkohl) und "rubea caulus" (Rotkohl) in ihrer "Physica".

Auch die moderne Medizin weiß um die Heilkräfte des Kohls, setzt sie ein bei Husten und Bronchitis, Rheuma, Gastritis, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren. Die Hauptwirkstoffe seiner Senf-öle schützen die Schleimhäute vor der aggressiven Magensalzsäure, lindern und beschleunigen die Heilung. Fertigarzneimittel aus zerkleinertem und ausgepreßtem rohen Kohl sind rezeptfrei im Handel, denn Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Ergänzend zur Diät darf man täglich einen Liter Kohlsaft trinken, bei Gastritis dreimal täglich einen Teelöffel davon vor dem Essen einnehmen. Weißkohlsaft ist der Saft von Bressica oleracea var. capitata f. alba.

Auch für Personen, die keinerlei Beschwerden haben, sind Kohlgerichte - nach neuesten Erkenntnissen und der heutigen Lebensart angemessen fettarm zubereitet - eine gesunde Deli- katesse und ganz besonders als roh zu genießende Salate zu empfehlen. Anne Bahrs

Kohlernte: Richtig konserviert hält sich Kohl bis zum Frühjahr frisch. Foto: BfH