28.03.2024

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15.11.03 / Die ostpreußische Familie

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. November 2003


Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
Ruth Geede

Lewe Landslied und Freunde

unserer Ostpreußischen Familie,

heute werden wir uns wieder einmal auf die große Suche begeben. Nach verlorenen, vermißten, aus dem Blickfeld verschwundenen Menschen, die einmal zu unserm Lebenskreis gehörten. Und je älter man wird, desto stärker gehen die Gedanken an die Kinderzeit und Jugendjahre zurück, und die Frage taucht immer wieder auf: Was ist aus den Spielkameraden und Mitschülern von einst geworden?

So ergeht es auch einer Leserin, für die ich Mittlerin sein soll, denn sie möchte - aus welchen Gründen auch immer - in der Zeitung nicht mit ihrem Namen erscheinen. Sie lebt heute fern der Heimat auf einem anderen Erdteil. Aber diejenigen, die sie anspricht, werden wohl erkennen, wer die Fragen stellt, die nach Upalten, Kreis Lötzen, zurückführen. Unsere Leserin besitzt noch ein Foto von ihrer liebsten Freundin, Charlotte Marks aus Upalten. Das am 18. März 1943 aufgenommene Bild zeigt ein Kind mit streng nach hinten gekämmten Haaren und großen, ernsten Augen, das viel älter als zehn Jahre wirkt. Leider ist es zur Veröffentlichung nicht geeignet. Dafür das Foto von der Sonntagsschule Upalten - vielleicht erinnert sich noch jemand aus der großen Schar der Kleinen an die Weih-nachtsfeier, bei der die Aufnahme gemacht wurde. Vorne links steht, wie die einheitliche Kleidung vermuten läßt, wohl ein Zwillingspaar, zwei blonde Jungen. Unsere Leserin kann sich noch gut an einige Namen erinnern, und sie seien genannt:

Geschwister Masannek, Dohmann, Schirrmacher, Edith und Lieselotte Küß-ner, Siegfried Klimmek, Inge Rikeit, Inge, Edith und Waltraud Sackel, Charlotte Aberger, Elly Mytanz, Waltraud, Gertrud und Irmgard Grigo, Hilde Tahl, Gertrud Menzel, Waltraut Gutowski, Ruth Weißbrot, Christel Peilo, Günther Höhmke, Kurt Mengel, Gertrud Liszio und Edith Buzin. Erkennbar sind die Lehrerin, Frau Höhmke, und ein Herr von Bethel. Da auch die bereits erwähnte Charlotte Marks auf dem Bild zu sehen ist, muß es in den ersten Kriegsjahren aufgenommen sein. Unsere Leserin würde sich sehr freuen, wenn sich jemand aus dem Kreis der ehemaligen Sonntagsschüler melden würde.

Und noch ein Foto: Es zeigt Gustav Kolberg aus Upalten, 1940 aufgenommen, als er bereits bei der Kriegsmarine war. Gustav Kolberg hatte noch mehrere Brüder, einer hieß Max und war der beste Freund des heute 77jährigen Bruders unserer Leserin, die auch auf eine Nachricht von dieser Familie hofft. Bitte alle Antworten an unsere Ostpreußische Familie, Kennwort Upalten, senden.

Schwerer wiegt die Suchfrage von Alfred Seidenberg, der schon auf zwölf (!) verschiedenen Wegen nach seinem Bruder Gerhard Seidenberg gesucht hat und noch nie auch nur den geringsten Erfolg verzeichnen konnte, selbst das Suchreferat in Moskau mußte passen. Auch unsere Ostpreußische Familie hat er schon einmal bemüht, leider auch vergeblich. Nun will ich ihm noch einmal das Wort geben, zumal er jetzt weitere Angaben macht. So legt er eine Kopie des letzten Lebenszeichens von Gerhard Seidenberg bei, eine 1946 geschriebene Karte an seinen Vater. Der Gesuchte wurde am 24. Mai 1930 in Waldfrieden, Kreis Insterburg, geboren. Bis zum Aufbruch zur Flucht lebte er mit seiner Mutter, Schwester und Bruder Alfred in Schwägerau, Kreis Insterburg. Der Vater, Max Seidenberg, und der älteste Bruder waren eingezogen. Der damals 14jährige Gerhard sollte mit eigenem Pferdefuhrwerk die Flucht antreten, während die Mutter, Alfred und die erst vier Monate alte Schwester im geschlossenen guts-eigenen Landauer mitfahren durften. Ihnen gelang die Flucht, Gerhard aber nicht. Was geschah, davon berichtet die Karte, die Gerhard am 23. November 1946 in Waldhausen, einem Nachbarort von Schwägerau, schrieb. Er hatte dort einen an den Nachbarn Mattutat aus Schwägerau gerichteten Brief von seinem Vater gefunden, der inzwischen aus russischer Kriegsgefangenschaft nach Berlin-Wilmersdorf entlassen worden war. Der Inhalt dieser Karte im Wortlaut:

"Lieber Pappa! Da ich heute Deinen lieben Brief, den Du an Mattutats geschrieben hast, gefunden habe, muß ich ein paar Zeilen schreiben. Ich bin hier ganz alleine, habe Mutti müssen alleine fahren lassen, weil unser Pferd kurz vor der Abfahrt zur Flucht Kolik bekommen hatte. Mutti fuhr mit Alfred und Margichen mit Herrn Bäcker, ich blieb zurück und fuhr mit Herrn Dehn. Bin aber so lange von den Schwägerauern getrennt geblieben und lebe im Samland als Treckerführer. Habe bisher ganz in Gedanken an Euch Alle einigermaßen gelebt. Bisher habe ich von Mutti noch keine Nachricht bekommen. Nun sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Sohn Gerhard. Schreibe doch bald Antwort, wie es Dir geht. Hier hat sich Mutti noch nicht gemeldet. Brief folgt."

Der Brief wurde nie geschrieben oder erreichte weder den Vater noch andere Familienangehörige. Nach Aussagen von Bekannten ist Gerhard lediglich zwei Tage in Waldhausen gewesen, bevor er vermutlich in das Samland gegangen ist. Seit diesem Zeitpunkt verliert sich die Spur von Gerhard Seidenberg. Nie konnte die Familie erfahren, wie sein weiterer Lebensweg war und wo er wohl endete.

Es bleibt also die Frage: Wer war nach November 1946 noch mit dem Gesuchten zusammen, eventuell im Samland oder später vielleicht in einem russischen Lager? Alfred Seidenberg wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich etwas über das Schicksal seines Bruders zu erfahren. (Alfred Seidenberg, Josef-Faber-Straße 11 in 77933 Lahr-Reichenbach, Telefon/Fax: 0 78 21/6 75 88.)

Verlieren sich die Spuren der Gesuchten alle in den Jahren, in denen die Vertreibung aus der Heimat die große Zäsur in unser aller Leben brachte, so führt der nächste Wunsch in das Deutschland der Nachkriegszeit zurück. Er wird gestellt von Lothar Bertram-Kaszmarek, der kein ständiger Leser unserer Zeitung ist, denn sonst hätte er am vorjährigen Ostpreußen-Treffen in Leipzig teilgenommen - leider erfuhr er zu spät davon. Vielleicht wäre seine Hoffnung, Irene Schönfeld aus Allenstein dort zu finden, tatsächlich in Erfüllung gegangen - nun soll der Weg über unsere Ostpreußische Familie weiterführen. Irene Schönfeld, *19. August 1934, wurde zusammen mit ihrem Vater kurz vor Kriegsende aus Allenstein vertrieben. Sie fanden eine Bleibe in Madelungen, Landkreis Eisenach. Anfang der 50er Jahre begann Irene eine Forstarbeiterlehre in Altenstein bei Bad Liebenstein. Die Lehrlinge waren damals im Schloß Altenstein untergebracht. Jetzt lasse ich Herrn Bertram-Kaszmarek erzählen:

"In Altenstein lernten wir uns kennen und hielten auch Kontakt bis zum Aufstand am 17. Juni 1953, den ich als Schüler auf der Forstschule Ballenstedt erlebte. Aufgrund dieses Ereignisses mußte ich als Sohn eines ehemaligen Zollbeamten der "Nazizeit" im vierten Semester die Schule verlassen - im Zuge der Bereinigung der Studienanstalten der "DDR" von Elementen der Bourgeoisie. Da ich diesem System nicht genehm war, wurden unsere Briefe - wie ich im Laufe meiner Rehabilitierung nach der Wende erfuhr - unterschlagen, damit war zwangsweise unsere Verbindung unterbrochen. Die erforderlichen Nachweise zum Zwecke der Rehabilitierung nach der Wende waren sehr zeitaufwendig und führten erst Ende der 90er Jahre zu einem für mich positiven Ergebnis. Das teile ich Ihnen so ausführlich mit, damit Sie Verständnis für meine so späte Suchfrage haben."

Herr Bertram-Kaszmarek hat trotz intensiver Nachforschungen lediglich erfahren können, daß der Vater von Irene Schönfeld damals Sägewerkszuschnitte in Madelungen fertigte und plötzlich in der Mitte der 50er Jahre den Ort mit unbekanntem Ziel in Richtung Westen verlassen hat. Seine Tochter soll mit ihm gegangen sein. Alle Nachfragen, auch vor Ort in Eisenach, Altenstein und Madelungen blieben ohne Ergebnis. Auch in den Heimatkarteien konnte die Familie nicht geortet werden, da der Vorname des Vaters unbekannt ist. Erschwerend kommt hinzu, daß Irene Schönfeld mit größter Wahrscheinlichkeit inzwischen durch Heirat einen anderen Namen trägt. Aber vielleicht liest sie die Zeilen oder es melden sich Verwandte oder Bekannte, die dem Suchenden Hinweise über den Verbleib der Freundin aus schwerer Zeit geben können.

Auch nach einem halben Jahrhundert ist ein Wiederfinden durchaus möglich - unsere Ostpreußische Familie hat es schon oft bewiesen! Hoffen wir also auch in diesem Fall. (Lothar Bertram-Kaczmarek, Bocks Gärten 53 in 06254 Kötschlitz, Telefon 03 46 38/ 2 16 18.)

Sehr gefreut hat sich unser Leser Klaus Wenke, als er in Folge 43 den Beitrag "Ein Westfale in Ostpreußen" über den Architekten Fritz Heitmann las. Denn der Artikel beginnt mit einem Hinweis auf die "Villa Grenz", ein im englischen Landhausstil erbautes Haus in der Haarbrückerstraße 24 im Königsberger Stadtteil Amalienau - sein Elternhaus! Besitzer des um 1905 gebauten Hauses im schönsten Jugendstil war Landesgerichtsrat Dr. Wenke. Herrn Wenkes Mutter und Schwester verließen die von Bomben verschonte Villa im Januar 1945. Während der Kämpfe um Königsberg wurden das Haus und vermutlich auch die Nachbarhäuser zerstört, obgleich es in der Umgebung keine Kriegsschäden gegeben hat. Heute steht dort ein Mehrfamilienhaus. Herr Wenke hat die heutigen Bewohner gefragt, ob sie wüßten, wann und wie die Villa zerstört wurde, aber sie konnten nichts darüber sagen. Auch ein Besuch im dortigen Staatsarchiv erbrachte nichts. Was geschah mit dem Haus und wann? Vielleicht wissen ehemalige Anwohner Näheres? Herr Wenke würde sich über jede Auskunft freuen. (Klaus Wenke, Am Eichenhof 13 in 28832 Achim, Telefon 0 42 02/39 70.)

So, das waren heute ein paar sehr ausführlich geschilderte Suchwünsche. Doch je detallierter wir die Fragen bringen, desto mehr Aussicht auf Erfolg besteht. Und auf den warten wir doch immer gemeinsam als echte Familie!

Eure

Ruth Geede

Weihnachtsfeier: Sonntagsschule Upalten, Kreis Lötzen

Gustav Kolberg: Im Kriegsjahre 1940 als Angehöriger der deutschen Kriegsmarine Fotos (3): privat

Villa Grenz: Haarbrückerstraße 24 in Königsberg