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22.11.03 / "Topographie des Terrors" - ein Berliner Projekt, das (fast) niemand braucht

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. November 2003


Teures Gedenken
"Topographie des Terrors" - ein Berliner Projekt, das (fast) niemand braucht

Eine Berliner Lokalzeitung veröffentlichte gerade die Ergebnisse einer Umfrage, welche Kultur- und Bildungseinrichtungen die Berliner vor dem Hintergrund der katastrophalen Finanzlage für verzichtbar halten. Am leichtesten würden sie den Verlust eines Opernhauses verschmerzen. Gar nicht in Frage käme die Schließung des Zoos (im Westen) beziehungsweise des Tierparks (im Osten) oder einer Universität.

Für ein anderes millionenschweres Objekt, das noch gar nicht steht und das niemand - von den Betreibern natürlich abgesehen - braucht, an dem Bund und Land trotzdem ungerührt festhalten, liegen keine Umfragewerte vor: das Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors", das an zentraler Stelle, auf dem Areal des kriegszerstörten Prinz-Albrecht-Palais, entstehen soll. Bis 1945 hatten dort die Gestapo-Zentrale und das Reichssicherheitshauptamt ihren Sitz.

Bis in die neunziger Jahre illustrierte eine - durchaus informative - Ausstellung in einem improvisierten Pavillon die Geschichte des Ortes. Nach der Wiedervereinigung waren einschlägige Aktivisten der Meinung, daß ein Provisorium nicht mehr ausreiche. Eine Stiftung "Topographie des Terrors. Internationales Dokumentations- und Besucherzentrum Berlin" wurde unter Beteiligung von Bund und Land gegründet. Diese schrieb 1993 einen Wettbewerb aus, den der Schweizer "Stararchitekt" Peter Zumthor gewann. Sein Entwurf sieht einen schmalen Baukörper mit einem komplizierten Betonstab-Tragwerk vor. Die Zwi-schenräume dieser "reinen Struktur" sollen durch gegos- senes Industrieglas aufgefüllt werden. 3.000 Quadratmeter Nutzfläche sollen so entstehen, davon ein Drittel als Ausstellungsfläche. Am 8. Mai 1995 wurde der symbolische Baubeginn gefeiert, 2000 war der Gebäudetorso weitgehend fertig.

Seitdem stocken die Arbeiten. Denn schnell wurde klar, daß die vom Senat festgelegte Kostenobergrenze von 36 Millionen Mark nicht einzuhalten war. 1998 kalkulierte man bereits 45 Millionen Mark, im Jahre 2000 über 60 Millionen und inzwischen 39 Millionen - Euro! Wegen dieser Kostenexplosion besteht seit drei Jahren ein faktischer Baustopp. Die zuständige Baufirma Heibus steht in Insolvenz. Doch die Stiftung schwärmt weiter von Spezialbibliothek, Datenbanken, Dokumentationszentrum für NS-Verbrechen, elektronischer Vernetzung und Forschung. Kein verantwortlicher Politiker wagt es, dieser Geldverschwendung ein Ende zu machen. Im Gegenteil, gerade hat sich Stadtentwicklungssenator Peter Strieder mit Peter Zumthor auf einen Weiterbau verständigt.

Wegen der geschichtspolitischen Vorgaben, mit denen das "Topographie"-Projekt befrachtet ist, ist vorhersehbar, daß hier statt seriöser Forschung nur Volkspädagogik betrieben werden soll. Historische Forschung muß ergebnisoffen und politisch zweckfrei sein, sonst ist sie keine. Sinnvoll wäre ein derartiges Zentrum allenfalls auf dem Gelände des Bundesarchivs im Süden Berlins. Dort hätte man den raschen, unverzichtbaren Zugriff auf die NS-Akten des "Berlin Document Centers" und andere Archivbestände. Die "Topographie des Terrors" ist doppelt überflüssig, weil ein ähnliches Konzept bereits für den "Ort der Erinnerung" beim Holocaust-Denkmal geplant ist.

Um sachlich begründbare Zwecke geht es aber gar nicht. Die "Topographie des Terrors" soll sich mit dem Holocaust-Denkmal und dem Jüdischen Museum von Daniel Liebeskind zu einer innerstädtischen, "einzigartigen Erinnerungs- und Gedenkmeile" verbinden.

Kulturstaatsministerin Christina Weiß, die sonst auf ihre begrenzten Mittel verweist, kündigte inzwischen an, der Bund werde die Hälfte der Kosten übernehmen. Die andere Hälfte muß vom bankrotten Berlin aufgebracht werden, wo faktisch über jedem Opernhaus, Theater, Kulturzentrum, über jeder Universität, Kunsthochschule und Bibliothek das Damoklesschwert der Schließung schwebt. Niemand kann die Hand dafür ins Feuer legen, daß die 39 Millionen Euro die endgültige Kostengrenze sind. Wie hoch die anfallenden Betriebskosten sein werden, steht ebenfalls in den Sternen.

Die Bewältigungsschickeria aber marschiert weiter, mag die kulturelle Substanz links und rechts des Weges ruhig in Scherben fallen. Thorsten Hinz

Auf wundersame Weise haben sich die Kosten verdoppelt