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22.11.03 / Gisela Henze von der Hermann Sudermann Stiftung berichtet über ihre Arbeit im Sinne des Dichters

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. November 2003


Ein Testament mit Folgen
Gisela Henze von der Hermann Sudermann Stiftung berichtet über ihre Arbeit im Sinne des Dichters

Dichter sollten keine Testamente machen", diese Feststellung traf Herbert Eulenberg (1876-1949) - Jurist und selbst Schriftsteller - in seinem Artikel "Sudermann als Jurist" (Berliner Tageblatt vom 21. Dezember 1928) und beschrieb das Vermächtnis Hermann Sudermanns äußerst überspitzt als ein Buch "mit einer Unzahl einander aufhebender Paragraphen".

Sudermann hatte das Testament mit dem 30. Mai 1928 datiert. Wie auch seine Tagebücher verwahrte er die Niederschrift nicht in Berlin, sondern in dem geliebten Schloß Blankensee, des Dichters Refugium in Brandenburg, einer Landschaft, die der ostpreußischen Heimat ähnelte. Elfriede Lauckner-Thum, die Frau seines Stiefsohns Rolf Lauckner, hat in ihrem Diarium festgehalten, daß es Elma Schulz war, die das Dokument am Tag vor Sudermanns Tod nach Berlin holte. Dessen Kusinen Elise und Rosa Bruder hatten seinerzeit die junge Frau aus Heydekrug mit in den Grunewald-Haushalt gebracht - als "Hausmädchen" bedachte Sudermann sie im Testament.

Der Abschnitt IX. darin enthält sein großzügiges Blankensee-Vermächtnis, zu dem ihn die Erinnerung an das eigene entbehrungsreiche Leben als junger Schriftsteller veranlaßt hatte: "Das Schloß Blankensee als meine eigenste Schöpfung soll solange als möglich gehalten werden, damit es mitsamt seiner Einrichtung zu gemeinnützigen Zwekken verwandt werden kann, und zwar als Zufluchtsstätte für kranke und bedürftige Schriftsteller. Fünf Testamentsvollstrecker sollten Sudermanns letzten Willen ausführen und den Nachlaß verwalten: seine Freunde Ludwig Fulda und Karl Rosner (beide Schriftsteller, Rosner auch Geschäftsführer und Vertreter des Cotta-Verlages, dessen Autor Sudermann war), sein Freund Oskar Vogt (Hirnforscher), die einzige Tochter Hede und der Stiefsohn Rolf Lauckner (Jurist und Schriftsteller). Die Tochter schlug die Erbschaft aus, und an ihre Stelle trat der Rechtsanwalt Richard Moszkowski.

Leider konnte dieses Kuratorium Sudermanns Wunsch nicht erfüllen: Die Einkünfte aus den Urheberrechten waren weitaus niedriger, als erwartet. Damit konnten nicht einmal die räumlichen Voraussetzungen für einen Aufenthalt von Schriftstellern geschaffen werden; denn es war klar, "daß die innere Umgestaltung dieses alten Barockhauses am Blankensee vorerst noch Unsummen verschlingen müßte, um für solche von Sudermann gedachte Bestimmung überhaupt geeignet zu sein" (Eulenberg). Um Sudermanns Blankensee-Vermächtnis im Rahmen des Möglichen doch noch zu erfüllen, wurde am 4. März 1929 die Hermann Sudermann Stiftung gegründet, die laut Satzung dem Zweck dienen sollte, "kranke und bedürftige Schriftsteller zu unterstützen". Sie war eine mildtätige Organisation mit Sitz in Berlin W, Schöneberger Ufer 39, die Geschäfte führte Rolf Lauck-ner, nach ihm Margarete Koehler (ab 1954) und Irmela Fliedner (ab 1961), seit 1995 Gisela Henze. Bis heute hat die Stiftung Spenden in Höhe von 120.000 Euro an 110 Schriftsteller/innen vergeben - wie gut, daß Hermann Sudermann ein Testament gemacht hat!

Weil der Landsitz Blankensee einer Stiftung gehörte, wurde er zu DDR-Zeiten nicht enteignet und konnte 1994 nach der Wiedervereinigung der Brandenburgischen Schlösser GmbH übergeben werden. Sie sanierte und restaurierte Haus und Park Blankensee und vermietete das Anwesen als Tagungsstätte an die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Eine großzügige vertragliche Vereinbarung gestattet der Hermann Sudermann Stiftung die alleinige und unentgeltliche Nutzung des früheren Sudermannschen Arbeitszimmers als Gedenkraum. Dieser Stiftungszweck, die Un-terhaltung und der Betrieb der Hermann Sudermann-Gedenkstätte auf Schloß Blankensee, verschaffte der Stiftung 1995 den Status der Gemeinnützigkeit.

Im nordwestlichen Anbau des Schlosses, 1903 von Otto Stahn errichtet, hat die frühere Verwalterin Wohnrecht auf Lebenszeit. Später kann die Stiftung dieses sogenannte Gärtnerhaus aufgrund desselben Vertrages ebenfalls alleinig und unentgeltlich nutzen. Wenn es die finanzielle Situation erlaubt, sollen Autorinnen und Autoren dort zeitlich befristet arbeiten können. Dann wird Sudermanns testamentarische Vorstellung von Blankensee als einer "Zufluchtsstätte für Schriftsteller" wenigstens in kleinem Maß doch noch verwirklicht werden können. Führungen (betreut dankenswerterweise von den Damen des Bauernmuseums in Blankensee, Telefon 03 37 31-8 00 11), Konzerte auf Sudermanns Bechstein-Flügel und Lesungen sollen helfen, das kleine Stiftungsver- mögen zu erhalten und womöglich aufzustocken. Damit die Stiftung weiterhin ihren Zweck erfüllen kann, ist sie aber auf finanzielle Unterstützung angewiesen: Das Vermögen speist sich nur noch aus seinen Erträgen, weil 70 Jahre nach Sudermanns Tod im November 1998 das Urheberrecht an seinen Werken erloschen ist.

Die Stiftung möchte die Erinnerung an Hermann Sudermann, an sein Werk und so- ziales Wirken wecken und lebendig erhalten. Die Einrichtung des Sudermann-Zimmers in Blankensee, auch Broschü-ren, zu denen sie Druckkostenzuschüsse gab, waren Schritte in diese Richtung. Aktuell verfolgt sie zwei Projekte: Eine ägyptische Studentin wird in Deutschland mit dem Ziel einer Promotion zum Thema "Die Sudermann-Rezeption in Ägypten" forschen, und die Stiftung wird sie dabei betreuen. Außerdem ist eine Ausstellung zu Hermann Sudermanns 75. Todestag in Vorbereitung, die in der Kommunalen Galerie in Berlin-Wilmersdorf präsentiert werden wird (7. Dezember 2003 bis 25. Januar 2004).

Bedürftige und kranke Schriftsteller sollten unterstützt werden