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29.11.03 / Die ostpreußische Familie

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. November 2003


Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
Ruth Geede

Lewe Landslied

und Familienfreunde,

kaum war die Frage von Herrn Schaffrath aus Kelkheim in Folge 44 erschienen, kam schon die erste Meldung: "Ich habe ein Ende des Fadens gefunden!" Herr Schaffrath hatte als kleiner Junge nur ein halbes Jahr in Schirwindt gelebt, weil 1942 sein Vater aus Aachen dorthin versetzt worden war - aber diese kurze Zeitspanne genügte, um gravierende Eindrücke bei ihm zu hinterlassen. Die auch sichtbar blieben, denn er besitzt noch viele Fotos aus jener Zeit, auf denen vor allem die Familie Görke zu sehen ist. Nun wollte er diese Aufnahmen der Schirwindter Familie zukommen lassen und bat uns, einen Kontakt zu eventuellen Nachkommen herzustellen. Also versuchten wir es über unsere Ostpreußische Familie. Schneller und sicherer ging es nicht, denn bei Herrn Schaffrath meldete sich prompt ein ehemaliger Schirwindter, Gerhard Preikschat aus Meiningen. Er gab den richtigen Hinweis, und der Faden, von dem Herr Schaffrath schrieb, war nur kurz, denn bereits vier Tage später erreichte uns seine Erfolgsmeldung: "Ich bin so froh! Ich habe Irmgard Görke, die letzte ihrer Familie aus Schirwindt, in Köln gefunden! Vielen Dank!" Na, vielleicht werden wir noch mehr über dieses Wiederfinden hören. Eigenartig berührt mich, daß die Ostpreußin aus der östlichsten Grenzstadt des Deutschen Reiches nun heute so nahe der westlichsten deutschen Stadt wohnt: Aachen, der Heimatstadt von Herrn Schaffrath.

Ein herzliches Dankeschön kam auch aus Australien von unserer Heimatfreundin Elvira Seemann. Sie hatte sich das Lied "Wir treten zum Beten" gewünscht, das sie als Königsberger Kind oft bei der Morgenandacht in der Agathe-Riemer-Schule gesungen hatte. Ich hatte ihr zugesichert: Hab' ich, kann es Ihnen zusenden - aber das war doch etwas zu voreilig gewesen. Obgleich ich mehrere Gesangbücher bemühte, auch meine alten ostpreußischen, konnte ich den Choral nicht finden. Mein tatkräftiger Helfer beim Bewältigen der Familienpost, Dr. Detlef Arntzen, konnte zwar wie ich die erste Strophe nahtlos singen, aber auch er wurde beim Suchen nach dem vollen Text nicht fündig. Daraufhin rief er seine Allensteiner Kusine an, die wiederum Mann - Musikprofessor - und Tochter - Organistin - bemühte, und so fand sich der Choral dann endlich ein und wurde sofort nach Australien übermittelt. Von dort kam der Dank ebenso prompt zurück. Mit gleicher Post hatte Frau Seemann von einer Leserin ein evangelisches Gesangbuch erhalten, das für sie schon wertvoll ist, denn die aus einer katholischen Familie Stammende wurde erst in Australien Protestantin, und so fehlen ihr die Kirchenlieder. Auch weitere liebe Zuschriften erhielt Elvira Seemann, die ihren Dank so ausdrückt: "Ich bin einfach gerührt über die Aufmerksamkeit von guten Menschen. Ja, wir Ostpreußen sind tatsächlich eine Familie!"

Und das wollen wir auch weiter beweisen mit neuen Wünschen und ihrer - möglichen - Erfüllung! Die hatte Frank Steinke aus Berlin zwar schon zu verzeichnen, als er nach intensiver Suche im Internet in Uruguay lang gesuchte Verwandte fand, aber ein ersehnter weiterer Erfolg gelang ihm nicht, und deshalb wendet er sich an uns. Herr Steinke sucht seit längerem im Auftrag seiner Großtante Hildegard Steinke aus Korschen nach ihren Geschwistern, deren Schicksal ungewiß blieb. Ein Bruder - der Großvater von Frank Steinke - fiel 1944 in Estland. Der zweite Bruder Paul befand sich Weih-nachten 1944 in einem westdeutschen Lazarett. Schwester Gertrud war bereits 1930 nach Uruguay ausgewandert. Hildegard Steinke flüchtete 1945 aus Korschen mit ihren Eltern nach Norddeutschland. Nach dem Krieg versuchte die Familie, Verbindung zu Gertrud aufzunehmen, aber diese kam nicht zustande. Der letzte Brief von Gertrud stammte aus dem Jahr 1939. Bis zu ihrem Tode 1969 hatten die Eltern immer gehofft, etwas von ihrer Tochter zu erfahren, aber mehrere Anfragen beim Deutschen Roten Kreuz und der deutschen Botschaft in Uruguay verliefen negativ. Erst durch das Internet konnte Frank Steinke seine Verwandten aufspüren. Leider war Gertrud bereits 1963 verstorben, aber ihr Sohn war überglücklich, endlich von der Familie seiner Mutter zu hören. Gertrud hatte auch nach dem Krieg nach Ostpreußen geschrieben, aber alle Briefe kamen zurück. So dachte sie, daß ihre Eltern und die Schwester nicht die Flucht überlebt hätten. Hildegard Steinke war froh, die Familie ihrer Schwester gefunden zu haben - nach 60 Jahren! Nun hat sie nur noch einen Wunsch: ihren Bruder Paul zu finden oder etwas über sein Schicksal zu erfahren.

Paul Steinke wurde am 1. April 1913 in Blumenthal, Kreis Gerdauen, geboren. Seine letzte Heimatanschrift war Rockeln, Kreis Bartenstein, dort lebte wohl auch seine Familie. Im Krieg war er im Grenadier Regiment 695 in der 8. schweren Kompanie. Weihnachten 1944 meldete er sich noch einmal aus dem Raum Aachen. Sein Schwager Weichert hat ihn dort in einem Lazarett gesehen, und sie haben miteinander gesprochen. Seit jener Zeit fehlt jede Spur von Paul Steinke. Seine Familie landete nach Vertreibung und Lagerzeit in der ehemaligen DDR. Seine Frau lebt heute in Fürstenberg. Wer war im Lazarett, in den letzten Kriegsmonaten oder danach mit Paul Steinke zusammen oder weiß, wohin er ging. Für jeden kleinsten Hinweis wären Schwester und Neffe dankbar. (Frank Steinke, Bernburger Straße 19 in 12689 Berlin, Telefon: 030/9318925)

Es ist immer ein eigenartiges Gefühl, wenn man plötzlich Briefe von längst verstorbenen Menschen in die Hand bekommt, in denen diese von schicksalsschweren Zeiten berichten - Zeiten, die man selber erlebt hat. Dann steht alles wieder auf - Krieg, Vertreibung, Elendsjahre - viel lebendiger als in Büchern, denn es handelt sich ja um persönliche Berichte, die nie für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Jetzt, nach Jahr und Tag, haben sie dokumentarischen Wert, vor allem für die Familie des Menschen, der sie einmal schrieb. Solch einen Brief - vielmehr die Kopie - hat mir unsere Leserin Ursel Hoffmeister aus Eschwege zugesandt. Sie fand ihn im Nachlaß ihrer Tante, und fragt, ob er von uns von Interesse sei. Zweifellos, aber vor allem wohl für die Familie, aus der die Schreiberin stammt.

Sie hieß Irene von Fritzschen, war die Freundin der Tante von Frau Hoffmeister. Ihr Brief enthält Aufzeichnungen über die Internierung in einem dänischen Lager (Grenaa?) im Frühling 1945. Sie berichtet über das Lagerleben in den letzten Kriegstagen, begeht am 29. April ihren 26. Geburtstag: "... fern von allen Lieben. Aber es gibt auch hier Menschen, die mir herzlich Glück wünschen. Ob ich den 27. im nächsten Jahr unter einem glücklicheren Stern erleben werde?" Und dann einige Wochen später nach der Kapitulation und den damit verbundenen Erschwernissen, die sie erkranken ließen: "Das Gerücht geht um, daß wir spätestens am 15. Juli nach Deutschland kommen!" Irene von Fritzschen kam nie mehr nach Deutschland: Sie verstarb bereits am 28. Juni 1945 im Luftwaffenlazarett 1 in Aarhus. Dieser Brief dürfte ihre letzten Aufzeichnungen enthalten. Auf einem Zettel sind einige Namen mit Königsberger Adressen und Hinweisen auf den weiteren Verbleib der Genannten notiert: Dr. Kurt von Fritzschen, Bernhard Missun, Anna Reuter, geb. Gerick, Margarete Maertsch, geb. Missun und Renate Radicke, geb. Klein.

Ein von Frau Hoffmeister beigelegtes, leider unbeschriftetes Foto zeigt eine junge Frau unter blühenden Bäumen. Wurde es im Lager aufgenommen oder stammt es noch aus der Heimat? Jedenfalls schreibt Irene von Fritzschen auch von blühenden Schlehen, Kirschbäumen und der Apfelblüte in Dänemark. Brief und Bild dürften in erster Linie für die Familie von Fritzschen bestimmt sein. Vielleicht erinnern sich auch ehemalige Lagergefährtinnen an die Schreiberin? Auch die auf dem Zettel genannten Namen und Vermerke könnten für die Familien der Genannten interessant sein. Jedenfalls danke ich Frau Hoffmeister, daß sie diese Dokumente gerettet hat, und gebe gerne ihre Anschrift wei- ter: Ursel Hoffmeister, Vor dem Brückentor 4 in 37269 Eschwege.

Meine Erinnerungen gehen mal wieder in das alte Ausflugsparadies meiner Kindheit, Neuhausen-Tiergarten, zurück. Dorothea Blankenagel lernte nämlich bei ihrem letzten Besuch in Königsberg eine Englischlehrerin kennen, die jetzt im nahen Neuhausen, dem Heimatort von Frau Blankenagel, wohnt. Die Lehrerin bat um einen Ortsplan, aber leider konnte Frau Blankenagel diesen Wunsch nicht erfüllen, wollte ihn aber weiterleiten. Was hiermit geschieht: Wer besitzt einen detaillierten Ortsplan von Neuhausen (Dorf und Ortsteil Tiergarten) und sendet eine Kopie an Dorothea Blankenagel, Heerstraße 59 in 47053 Duisburg?

Eure

Ruth Geede

Junge Unbekannte unter blühenden Bäumen: Wer näheres weiß, melde sich bitte bei Ursel Hoffmeister, Vor dem Brückentor 4 in 37269 Eschwege Foto: privat