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06.12.03 / Die Sozialisten gehen, die Pleite bleibt

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 06. Dezember 2003


Gedanken zur Zeit:
Die Sozialisten gehen, die Pleite bleibt
von Wilfried Böhm

Sie haben sich "ganz systematisch an dem Erbe der DM versündigt", sagte Angela Merkel, als sie der rot-grünen Bundesregierung im Bundestag vorwarf, mit ihrem Vorgehen bei der Zerstörung des sogenannten Stabilitätspaktes der Stabilität des Euro zu schaden. Die CDU-Chefin meinte, das alles sei eine Tragödie für Deutschland.

Große Worte fürwahr, aber in Wirklichkeit hatte sie damit die Achillesferse der eigenen Partei entblößt. Ist doch keine Partei so verwundbar wie die Union, wenn es um die Opferung der D-Mark auf dem Altar Europas geht, die gegen den Willen der Deutschen erfolgte. Die "Europapartei", wie sich die Union gern selbst nennt, war es, die gemeinsam mit anderen Euromanen den Euro als Instrument zur Herbeiführung der Vereinheitlichung Europas benutzte. Dadurch verfremdete sie Geld und Währung zu Instrumenten vordergründiger politischer Zielsetzungen und hob zugleich den Wettbewerb der europäischen Währungen untereinander auf. Kein Wunder, daß Michael Glos, Merkels Stellvertreter aus den Reihen der CSU, der Frau Vorsitzenden beipflichtete und Schröder vorwarf, er lege die "Axt an die Wurzeln des Euro". Er nannte Finanzminister Eichel den "Totengräber des Stabilitätspaktes".

Wenn es so leicht fiel, diese Axt anzulegen, und wenn heute der Stabilitätspakt als "Makulatur" erscheint und "zur Beerdigung ansteht", wie die Medien mitteilen, dann war es vor sechs Jahren ein unverzeihlicher Fehler, die Deutschen über den Tisch in eine angebliche Euro-Glückseligkeit zu ziehen. Warnungen vor den möglichen Folgen hatte es genug gegeben, aber alle wurden als "europa- und zukunftsfeindlich" abgetan: Der Euro- Kanzler werde es schon richten.

Der "beispiellose Eklat", wie der verantwortliche Kommissar für die Wirtschafts- und Währungspolitik der Europäischen Union (EU), der Spanier Pedro Solbes, den Zusammenbruch des Stabilitätspaktes jetzt nannte, ist für den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Unionsfraktion Friedrich Merz "ein schwarzer Tag für Europa und ein schwarzer Tag für den Euro".

Dieses Fiasko erleidet die Euro-päische Union ausgerechnet durch seinen Hauptnettozahler Deutschland, der von 1990 bis 2002 rund 280 Milliarden - in DM gerechnet - in die gemeinsame Kasse eingezahlt hat - und das trotz der immensen Belastungen, die in Deutschland selbst durch die Wiederherstellung der staatlichen Einheit und die Überwindung der Schäden entstanden sind, die der Sozialismus angerichtet hat.

Nun müssen sich die Deutschen die Beschimpfungen aus den Ländern anhören, die aus den deutschen Zahlungen an die EU ihren Nutzen gezogen haben. Besonders unverschämt klingt in diesem Zusammenhang die spanische Kritik, Deutschland behindere das Wirtschaftswachstum in den anderen EU-Ländern, habe der EU 1997 den Stabilitätspakt "aufgezwungen" und breche ihn jetzt mit "aufreizender Sorglosigkeit". Hat doch Spanien allein von 1992 bis 1997 fast 35 Milliarden, gerechnet in DM, aus deutschen EU-Zahlungen erhalten.

Fest steht: Im Vergleich zu deutschen Leistungen an die EU sind die Schulden, die Deutschland zur Verletzung des "Stabilitätspaktes" getrieben haben, geradezu "peanuts", wie man in Bankerkreisen zu sagen pflegt.

Tatsache ist, daß heute die beiden größten Staaten der EU, Deutschland und Frankreich, in der Schuldenfalle sitzen. Angenommen, die Unionsfraktionen hätten, weiterhin in Regierungsverantwortung stehend, eine andere Wirtschafts- und Finanzpolitik und insbesondere Arbeitsmarktpolitik betrieben: Bei Abschluß der Verträge über den Euro und den sogenannten Stabili- tätspakt hätten sie damit rechnen müssen, daß in einer parlamentarischen Demokratie mit freien Wahlen auch einmal eine sozialistische Regierung die Geschicke Deutschlands bestimmen und dann eine Politik betreiben würde, die - wie die CDU heute sagt - mit dem vorgelegten Bundeshaushalt "Verfassungsbruch begeht", "Deutschland an den Rand des Staatsbankrotts führt" und damit zwangsläufig den "Stabilitätspakt" verletzt. Auch unter diesem Gesichtspunkt war die Opferung der DM grober Leichtsinn. Zum Thema sagte Börsen-Guru André Kosto- lany: "Die Sozialisten kommen, machen Pleite, werden gegangen, aber die Pleite bleibt." Traurig, aber wahr und eine Lebenserfahrung, die demokratische Systeme zu beherzigen haben. Erfordert doch der Umgang mit dem Unwiderruflichen ganz besonderen Bedacht. Er muß, um der Bewahrung der Freiheit willen, gerade von verantwortungsbewußten konservativen und liberalen Politikern sehr ernstgenommen werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist ein Europa von Lissabon bis Helsinki und Budapest vernünftigerweise nur als ein Bündnis freier Nationalstaaten denkbar, nicht jedoch als ein supranationales Gebilde mit einheitlicher Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik, mit Einheitswährung und einer riesigen bürokratischen Umverteilungsmaschinerie.

Die europäischen Nationalstaaten sollten entsprechend der historischen Entwicklung in Europa und den daraus hervorgegangenen Ausprägungen vom jeweiligen demokratischen Patriotismus dieser Nationalstaaten getragen sein. Dabei hat Deutschland einen großen Nachhol- und Diskussionsbedarf, bis es den europäischen Standard erreicht haben wird.

Die peinliche Aufforderung Schrö- ders an die CDU, ihren Patriotismus dadurch zu beweisen, daß sie seiner Steuerpolitik zustimme, beweist ein sehr beschränktes Verständnis vom kulturstaatlichen Wert des Patriotismus. Frau Merkels Antwort war nicht viel klüger. Sagte sie doch, Patriotismus sei nicht, "wie das Karnickel auf die Schlange zu starren, ob irgendwo in der Welt Wachstum entsteht. Patriotismus ist, aus eigener Kraft Wachstum zu generieren". Zu Recht warnte Peter Dausend in der Tageszeitung Die Welt davor, den Patriotismus als "Kampfformel" zu instrumentalisieren. Das werfe die Frage auf, "wie die Deutschen über Patriotismus diskutieren sollen, wenn ihre Spitzenpolitiker nicht wissen, was das eigentlich ist."

Es ist empfehlenswert, bei dem spanischen Philosophen Ortega y Gasset in seinem "Aufstand der Massen" nachzulesen: Gerade weil der Patriotismus darin besteht, die gesamte Überlieferung eines Volkes bedingungslos zu akzeptieren - so wie wir wohl oder übel unsere ganze Vergangenheit akzeptieren, ja selbst die Handlungen, die wir heute bereuen -, ist er gehalten, die Vergangenheit ständig einem Destillationsprozeß zu unterwerfen und nur das Beste in die Zukunft hinüber zu projizieren. In der Dimension der Zukunft ist der Patriotismus das Gegenteil dessen, was er in der Dimension der Vergangenheit ist."

Kurz und pragmatisch hingegen definierte ein amerikanischer Präsidentenberater: "Patriotismus rangiert vor Parteipolitik." Otto von Bismarck traf den Kern: "Ich stelle das Vaterland über meine Person" - und vor allem: er lebte und handelte danach.

Die spanische Kritik klingt besonders Unverschämt

Die Spitzenpolitiker wissen nicht, was Patriotismus ist