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06.12.03 / Carl Gustaf Ströhm über den überraschenden Ausgang der Wahlen in Kroatien

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 06. Dezember 2003


Ein Wahlsieg gegen die Medien
Carl Gustaf Ströhm über den überraschenden Ausgang der Wahlen in Kroatien

Das Ergebnis der Parlamentswahlen in Kroatien ist von der westlichen Politiker- und Medienwelt gefaßt bis wohlwollend zur Kenntnis genommen worden. Dabei stellte es eine ziemliche Sensation dar - denn nach einer Unterbrechung von nicht ganz vier Jahren kehrte die Partei des inzwischen verstorbenen Staatsgründers Franjo Tudjman an die Macht zurück - die sie sich allerdings mit einem Koalitionspartner teilen muß. So wird die Kroatische Demokratische Union (HDZ), die inzwischen in die "Internationale" der christdemokratischen Parteien aufgenommen wurde, Kroatien wieder regieren. Die gewendeten Kommunisten, die sich inzwischen als "Sozialdemokraten" bezeichnen (ohne es wirklich zu sein), und ihre Koalitionspartner wurden geschlagen. Jetzt ist von einem "Rechtsruck" in Kroatien die Rede.

An die Macht waren die Wendekommunisten in Zagreb gekommen, weil der schwerkranke Staatsgründer und erste Präsident Tudjman - eine charismatische Persönlichkeit - in den Jahren 1998 und 1999 die Zügel zunehmend aus der Hand geben mußte. Die HDZ hatte sich zu sehr auf ihn verlassen - und als er kurz vor dem Wahltermin vom 3. Januar 2000 starb, stand sie führungs- und orientierungslos der geballten Propagandaoffensive der Linken gegenüber.

Diese nutzte eine gewisse Enttäuschung weiter Bevölkerungskreise, die sich nach der Befreiung eine materielle Verbesserung erwarteten, zu demagogischen Versprechungen: Man werde 200.000 Arbeitsplätze schaffen und Kroatien aus der internationalen Isolierung befreien, in die es durch die halsstarrige Tudjman-Politik geraten sei. In Wirklichkeit war der alte Tudjman der EU und den Amerikanern zunehmend unbequem geworden. Und weil man sonst keine Alternative sah, rüstete der Westen, die USA an vorderster Stelle, die kroatischen Wendekommunisten politisch auf, gab ihnen logistische, argumentative und wohl auch finanzielle Wahlhilfe. Das Ergebnis war die Rückkehr der alten (und noch nicht so alten) Genossen an die Macht.

Unter dem Beifall des teils naiven, teils opportunistischen Westens veranstalteten die damaligen Wahlsieger zunächst einmal - nach gutem kommunistischem Brauch - große Säuberungen in der Diplomatie, im Beamtenapparat, in den Medien und der Armee. Fast alle kroatischen Botschafter verloren schlagartig ihre Posten. Das neue Regime wollte bewußt einen Bruch mit der nationalkroatischen Vergangenheit herbeiführen und stattdessen an gewisse Traditionen des titoistischen Kommunismus anknüpfen.

Es ist bezeichnend, daß der gleiche Westen, der auf alles, was Tudjman tat, allergisch reagierte, es ganz in Ordnung fand, daß Kroatien im "linken" Sinne "gleichgeschaltet" wurde. Heute gibt es in Kroatien keine einzige Tageszeitung, die der bisherigen Opposition nahestehen würde, und auch das Kroatische Fernsehen ist völlig in roter, "antifaschistischer" Hand. Ob sich daran unter den neuen "rechten" - in Wirklichkeit: nichtlinken - Strukturen etwas ändern kann, wird man sehen.

Zweifellos war es eine beachtliche Leistung, daß Ivo Sanader, Tudjmans Nachfolger als Parteichef, die HDZ gegen die herrschenden Medien zum Wahlsieg führte. Der neue HDZ-Chef und designierte künftige Ministerpräsident hat in Innsbruck promoviert und spricht, neben anderen Sprachen, perfekt deutsch. Das dürfte die Kommunikation erleichtern. Sein Wahlspruch lautete: "Setzen wir Kroatien in Bewegung."

Ein zweiter Faktor dieses Wahlsieges war die kroatische Bevölkerung. Sie hat bei der Stimmabgabe die stärkste Oppositionspartei gestärkt - auch dort, wo einzelne Maßnahmen der HDZ vielleicht keine Begeisterung hervorriefen. Man wußte, daß eine Aufsplitterung der Stimmen nur die Kommunisten stärken konnte - und die wollte man weghaben, weil deren SDP (die gewisse Ähnlichkeit mit der deutschen PDS aufweist) ihre Wahlversprechen nicht erfüllt hatte - und weil mit der Zeit der Zweifel wuchs, ob diese Partei wirklich die Unabhängigkeit Kroatiens hüten würde. Viele Wähler fürchteten, daß nach einem weiteren SDP-Wahlsieg alle Schranken der Zurückhaltung fallen und die Kroaten sich in einer "pluralistischen Volksrepubklik" wiederfinden würden.

Der neue Regierungschef Sanader wird es trotz (oder wegen) seines Wahlerfolges nicht leicht haben. Kroatien steht zumindest teilweise unter Kuratel der "internationalen Gemeinschaft". Bezeichnend ist, daß, noch bevor die Koalitionsverhandlungen für die neue Regierung in Zagreb begonnen hatten, die für Kroatien zustän-dige CDU-Euro- pa-Abgeordnete Doris Pack den HDZ-Chef Sana-der dringend ermahnte, ja nicht mit der rechtsnationalen "Kroatischen Partei des Rechts" (HSP) zu koalieren. Statt dessen solle er mit der "Kroatischen Bauernpartei" (HSS) eine Regierung bilden. Diese aber saß bis jetzt in der Linksregierung des bisherigen Premiers (und ehemaligen KP-Spitzenfunktionärs) Ivica Racan und gilt als nicht sehr zuverlässig. Allein die Tatsache, daß ausländische Politiker sich auf diese Weise in die Regierungsbildung eines souveränen Staates einmischen, zeigt einen gewissen Verfall der europäischen Sitten.

Ein Stolperstein für die neue Regierung ist das Haager Kriegsverbrechertribunal, das Verstöße gegen die Menschenrechte ahnden soll. Die Chefanklägerin Carla del Ponte ist vom Jagdfieber besessen, möglichst viele Angeklagte hinter Gitter zu bringen. Die kroatischen Offiziere und Generale, die sie im Visier hat, gelten in Kroatien als Helden des Befreiungskrieges. Die HDZ hat die Linksregierung immer wieder beschuldigt, zu wenig für die inkriminierten kroatischen Offiziere zu tun. Umgekehrt haben Großbritannien und die Niederlande angedroht, einer EU-Aufnahme Kroatiens nicht zuzustimmen, solange die uneingeschränkte Zusammenarbeit Zagrebs mit dem Tribunal nicht sichergestellt sei. Es sieht so aus, als müsse Sanader hier die Quadratur des Kreises vollbringen.

Die von der Linksregierung forcierte Staatsverschuldung muß gesenkt, das Problem der Serben gelöst werden, die ihr Vermögen zurückverlangen. Dann ist da noch der Staatspräsident Stjepan Mesic, der gleichfalls von links kommt und mit dem es eine "Kohabitation" auszuhandeln gilt. Das alles mit einem Volk, das der Veränderungen überdrüssig ist und endlich eine Perspektive für die Zukunft des einzelnen sehen will. Nachdenkliche Kroaten sehen mit Schrecken den Ausverkauf der Adriaküste an wohlbetuchte Ausländer. Sanader wird auch hier einen gangbaren Mittelweg zwischen Ausverkauf und freiem Zugang für EU-Bürger finden müssen.

Die kroatische Wahl hatte indes noch ein teils amüsantes, teils auch bedenkliches Nachspiel. Die linke Wiener Zeitung Standard hatte entdeckt, daß der Wiener ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel und die CDU-Vorsitzende Angela Merkel in TV-Werbespots, die in Kroatien gezeigt wurden, Sanader und die HDZ als Freunde bezeichnet und der Tudjman-Partei den Sieg gewünscht hatten. Wäre das nicht Anlaß für einen zweiten Fall Hohmann - diesmal gegen die beiden mittel- europäischen christdemokratischen Parteichefs. Denn die HDZ galt noch unlängst als anrüchig, ja für manche sogar als "faschistoid". Die Szene entbehrte aber auch nicht einer gewissen Komik: Am Anfang wurde die HDZ von allen westlichen Medien, getreu der seit Jahren herrschenden "Sprachregelung" als "nationalistisch", wenn nicht gar faschistoid bezeichnet. Seit ihr großer Wahlerfolg deutlich wurde, sprachen die Medien, in denen man bisher lesen konnte, Sanader und die HDZ hätten "Leichen im Keller", plötzlich nicht mehr von der "nationalistischen", sondern von der "konservativen" HDZ, und Parteichef Sanader wurde gar als "kroatischer Kennedy" gehandelt.

Merke: Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg. N

Rückkehr an die Macht: Kroatiens neuer Regierungschef Sanader, Spitzenkandidat der Tudjman-Partei, feiert mit seiner Frau den Wahlsieg. Foto: dpa