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13.12.03 / Was die Kirche vom Erfolg des Kinoschlagers "Luther" lernen kann

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. Dezember 2003


Gedanken zur Zeit: 
Da lag plötzlich mehr in der Luft

Was die Kirche vom Erfolg des Kinoschlagers "Luther" lernen kann
von Ulrich Schacht

Es ist mittlerweile fast ein halbes Jahrtausend her, daß ein Mann namens Luther die abendländische Welt durcheinanderbrachte, obwohl er sie nur in Ordnung bringen wollte: in Gottes Ordnung. Gefährdet sah er sie ausgerechnet von denen am meisten, die sich als einzig legitimierte Sachwalter eben dieser Ordnung auf Erden verstanden, dem Papst und seinen Kardinälen in Rom.

Martin Luther, der deutsche Mönch, der mit tiefem Ernst um nichts anderes gerungen hatte als um einen "gnädigen Gott", griff den Stellvertreter Christi in der "Ewigen Stadt", die er kannte, vor allem deshalb so kompromißlos an, weil der Papst, mit Hilfe des berüchtigten Ablaß-Großhändlers Tetzel, Himmels-Gnade der billigsten Sorte feilbot: für Geld, und nichts als dies. "Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt", lautete der lukrative Lockruf an die verängstigten Menschen, denen ohne das teure Papier Fegefeuerqualen drohten. Ihren so durch pure Erpressung gemachten Gewinn steck-ten die Kirchenfürsten jener Zeit vor allem in Prunkbauten zur eigenen Verherrlichung.

Viele von ihnen glichen ohnehin mehr weltlichen Fürsten als frommen Männern. Am 31. Oktober 1517 schließlich attackierte der inzwischen zum Theologie-Professor aufgestiegene Sohn eines Mansfelder Bergmanns mit 95 Thesen den in seinen Augen teuflischen Handel und löste damit jenes epochale Ereignis aus, das nicht nur Deutschland radikal veränderte: die "Reformation".

Alle Versuche der mächtigen Kurie in Rom, den "wildgewordenen Mönch zu Wittenberg" zum Widerruf zu bewegen oder zum Schweigen zu bringen, schlugen in der Folge fehl. Reichsfürsten schützten ihn, der Kaiser war schwach, Rom weit weg und die Wut der Massen auf die Ablaßhändler gewaltig. Mit Luther kam auch die Bibel wieder ins Zentrum des christlichen Glaubens zurück, nicht zuletzt indem er sie übersetzte, in die eigene Sprache, die deutsche. Die Spaltung der Kirche, die er mit all dem bewirkte, wollte er nie. Daß sie dennoch kam, muß zuletzt der Unfähigkeit Roms zugerechnet werden, aus der "babylonischen Gefangenschaft der Kirche", wie Luther das nannte, auszubrechen.

Luther gehört zu den Deutschen, an die wir uns getrost erinnern dürfen als große Menschen, auch wenn sein Reden und Handeln von "Gutmenschen" unserer Tage in Wissenschaft und Politik immer wieder einmal mit deutscher Finster-Geschichte in Verbindung gebracht wird, was aber nur etwas über die Finsternis in den "Gutmenschen" selber aussagt. Über diesen großen Christen deutscher Zunge jedenfalls ist eben ein Film angelaufen, der die Kinos füllt, obwohl die professionelle Kritik daran herummäkelt. Nicht ganz zu Unrecht.

Die deutsch-amerikanische Produktion "Luther" ist nicht zuletzt für den US-Markt gedacht, und das hat seinen Preis: selbst wenn ein so phantastischer Mime wie Bruno Ganz dabei ist, oder der Weltstar subtilen Minenspiels, Peter Ustinov, seine Starqualitäten funkeln läßt.

Es gibt also Schwächen in diesem Film, vor allem dramaturgische, und trotzdem gelingt ihm etwas, was unendlich vielen deutschen Filmen, vor allem TV-Streifen, die sich historischer Thematik annehmen, einfach nicht gelingen will, weil sie sich in der "babylonischen Gefangenschaft" eines die Vergangenheit verachtenden und verzeichnenden Zeitgeistes befinden: emphatisch positives Kino zu sein. Große Figuren der Geschichte also nicht mit den Maßstäben der Eigen-Zeit, die auch nur zeitbedingte Maßstäbe sind, kleinzumessen. Aber mit dem moralgeschichtlich normativen Beispiel subjektiv Mut zu machen und zugleich ein überindividuelles Selbstbewußtsein zu begründen.

Das Kino, in dem ich den Film sah, war voll von jungen Menschen. Konzentration und eine fast atemlose Stille beherrschten den Raum, weder verlegenes Kichern noch freches Gelächter, ging es um Gott oder heilige Handlungen. So lag plötzlich mehr in der Luft, mehr als nur ein Film vor Augen.

Was immer es war, die Kirchen, vor allem die evangelische, könnten eine Menge lernen von diesem Film-Luther und seiner Kraft, dem Zeitgeist machtvoll in den Weg zu treten. Der kam damals aus Rom. So weit müßte Luther heute gar nicht blicken, um die modernen Varianten gesellschaftlicher Ablaß-Handelei und ihrer Seelen-Verheerungen wahrzunehmen.