24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.12.03 / 27.12.03 / Warum Gedichte Gedichte sind / Pannonicus plaudert aus der Werkstatt

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. u. 27. Dezember 2003


Warum Gedichte Gedichte sind
Pannonicus plaudert aus der Werkstatt

Was Gedichte sind, weiß jeder. Im Prinzip wenigstens, denn manchmal kommen Zweifel: Ist ein wirrer Worthaufen ein Gedicht, weil er offensichtlich keine Prosa sein kann? Oder sollten gar irgendwelche erlauchten Gremien das Recht haben zu entscheiden, was ein Gedicht ist und was nicht?

Auf die Frage nach einer Definition kommt meist die spontane Antwort: "Das ist, wenn sich's reimt." Nun, solch simple "Das-ist-wenn-Definitionen" darf man nicht hochnäsig zurückweisen, denn in ihnen steckt meist das Wesentliche. Oder besser gesagt, was viele als wesentlich empfinden und was schon allein kraft dessen wesentlich ist. Ja, der Reim ist ein guter Ansatz, auch wenn er nicht in allen Gedichten eine Rolle spielt und auch wenn manch ungereimtes Zeug als Gedicht verstanden werden will.

Reim und Rhythmus

Aber was heißt das, "es reimt sich"? Der Reim ergibt sich durch Wiederholung. Außerdem müssen wir das Vorangegangene noch "im Ohr" haben, um den Reim zu erkennen. Reime haben also mit dem Erinnerungsvermögen zu tun, speziell mit dem Kurzzeitgedächtnis, welches nur das zuletzt Wahrgenommene enthält und eine sehr begrenzte Zahl von Wörtern und Inhalten aufnimmt. Wiederholungen kommen allerdings auch in Prosa vor - was macht dann den Reim aus? Der Reim wiederholt nicht Wörter oder Inhalte, sondern Laute. Er ist ein Echo, ein akustisches Ereignis. Selbst beim stillen Lesen haben wir das akustische "Bild" von Versen im Kurzzeitgedächtnis.

In Wiederholung erleben wir noch ein weiteres Phänomen, das vielleicht sogar wichtiger ist: Es ist die akustische Kontur der Verse, die Abfolge von Hebungen und Senkungen der Stimme. Es ist das Versmaß, die "Metrik". Die Empfänglichkeit dafür geht auf die sorglosesten Monate unseres Daseins zurück, als wir noch nicht wußten, daß das einigermaßen Regelmäßige, das wir in der Fruchtblase zu hören kriegten, die mütterlichen Herztöne waren. Dieser Prägung ist es zu verdanken, daß Regelhaftigkeit ein Gefühl der Sicherheit vermittelt, Unregelmäßigkeiten hingegen Spannung und Unsicherheit bringen.

Verse unterliegen hinsichtlich Wortwahl, Grammatik und Stilistik grundsätzlich denselben Regeln wie Prosa. Abweichungen sollten Ausnahmen sein, denn wie jede Freiheit endet auch die "dichterische Freiheit" im Chaos, wenn sie überbeansprucht wird. Das Besondere an Versen sind jedoch die zusätzlichen Regeln, die sich - unabhängig vom Inhalt - bei bloßem Zuhören erkennen lassen.

Das akustische Rohmaterial

Jeder sprachliche Ausdruck hat zwei Aspekte, seine Lautgestalt und den durch die Laute vermittelten Inhalt. Reim und Versmaß vermitteln keine Inhalte, wenigstens nicht vordergründig, und sind so besehen nur Spielerei mit Sprachlauten. Bedeutsam ist dabei, daß die Sprachlaute selbst Eigenschaften besitzen - unabhängig von dem, was sie zum Ausdruck bringen.

Für die Physik ist jeder Sprachlaut ein Geräusch - ein Gemisch von Frequenzen. Die "unreinen" Schallwellen, die aufs Trommelfell treffen, werden vom Hebelwerk der Gehörknöchelchen zum Innenohr übertragen, wo sie feine Härchen bewegen. Die Härchen sind Nervenenden, jeweils nur auf eine bestimmte Frequenz "geeicht", und wandeln mechanische Impulse in elektrische um. Erst die Großhirnrinde konstruiert daraus die idealisierten Sprachlaute, die "Phoneme", und letztlich den Inhalt, den wir "verstehen". Das Phonem ist die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit sprachlicher Information. So etwa sind "d" und "w" Phoneme, denn durch sie unterscheiden wir "der" und "wer". In Sprachen mit Alphabet-Schrift entsprechen die Phoneme annähernd den Buchstaben - in manchen Sprachen genauer, in anderen weniger. Jedes Phonem hat akustische - "phonetische" - Ausprägungen, die je nach Umgebung unterschiedlich sein können: So klingt das "a" in "Tag" meßbar anders als das in "Roman", und "b", "d" und "g" werden im Auslaut gar genauso gesprochen wie die Phoneme "p", "t" und "k". Trotz der Vielzahl möglicher Laute hat jede Sprache aber jeweils nur zwei bis drei Dutzend Phoneme, denn diese müssen deutlich genug unterscheidbar sein. Was wir als Phonem ansehen, ist durch die Muttersprache geprägt. Wohlgemerkt: Ohr und Zunge begrenzen zwar die Sprache, doch wie alles Sprachliche sitzen die Phoneme nicht im Ohr oder auf der Zunge, sondern im Hirn. Der Schall führt darüber hinaus ein Eigenleben, das sich in Lautmalerei, Tonfall, Reim und Rhythmus niederschlägt.

Die Bausteine der Dichtung

Nun zu den Silben, den eigentlichen Bausteinen: Jede Silbe hat einen Kern, der meist ein Vokal ist. Als Anlaut und Auslaut vor und nach dem Kern können Konsonanten fungieren - wieviele und in welcher Kombination, ist in jeder Sprache anders. Das bedeutet, daß etwa eine Sprache, die zwanzig Konsonanten und fünf Vokale hat, aber nur Silben vom Typ Konsonant-Vokal zuläßt, bloß hundert verschiedene Silben kennt. Die deutsche Phonetik hingegen erlaubt mehrere tausend Silben. Deutsch kommt daher mit meist einsilbigen Wortstämmen aus und benötigt pro Aussage weniger Silben als etwa Italienisch oder Spanisch. Dementsprechend muß es auch Zusammenhänge geben zwischen der Silbenstruktur einer Sprache und dem von ihren Sprechern bevorzugten Versmaß.

Physikalisch ist der Silbenkern ein lokales Maximum des Schalldrucks. Der "Eindruck", den eine Silbe macht, hängt von Schalldruck und Dauer ab. Silben mit langem "a" stehen am oberen Ende, Silben mit unbetontem "e" am unteren Ende der Reihung. Je nach Zahl und Art der Konsonanten sind Silben "schwerer" oder "leichter". "Lahm" ist schwerer als "Lamm", "Strumpf" schwerer als "um", und am wenigsten "beeindrukkend" sind Vorsilben wie "be-", "ge-" und Endungen wie "-e", "-es", "-en", "-er", "-et".

Die Betonung der Silbe hängt nicht allein von ihren Bestandteilen ab, sondern auch von ihrer Position. Das leitet über zur logischen Struktur der Wörter: Während das Phonem, wie erläutert, die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit ist, wird die kleinste bedeutungstragende Einheit als "Morphem" bezeichnet. Jeder Wortstamm ist demnach ein Morphem - "Spiel", "schnell", "red-", "bald", "auf". Morpheme sind auch alle Silben und Silbenteile, die zur Bildung abgeleiteter Wörter dienen - "ent-", "-ung", "-heit" - oder die Fall, Zahl, Geschlecht, Zeit und Aussageweise anzeigen. Jedes Wort besteht aus mindestens einem Morphem. Ein Morphem kann aber aus mehreren Silben bestehen - "Arbeit". Und ein einsilbiges Wort kann aus mehreren Morphemen bestehen - "gehst" aus "geh-" und "-st". Die logische Struktur des Wortes ist durch seine Morpheme bestimmt. Die Lautgestalt hingegen, die akustische Kontur, ist durch die Silben und zusätzlich durch deren Betonung bestimmt, also durch die Abfolge von betonten und unbetonten Silben. Selbst silbengleiche Wörter können sich daher voneinander unterscheiden - "dúrchschneiden" und "durchschnéiden".

Versmaß und Versfuß

Wie kommen wir von solch trockenem Stoff zu lebendigen Versen? Dazu müssen wir uns noch mit Versmaß und Versfuß befassen. Das Versmaß ist sozusagen der Grundrißplan von Versen und legt die Plätze fest, an denen in regelmäßiger Abfolge Hebungen und Senkungen der Stimme vorgesehen sind, wo also betonte und unbetonte Silben stehen sollen.

Der Versfuß ist die kleinste Kombination von Hebung und Sen-kung(en). Die "klassischen" Versfüße heißen Jambus, Trochäus, Anapäst und Daktylus. In die Form des Jambus passen etwa "Gedicht", "bestimmt", "ich will", in die des Trochäus "Dichtung", "sicher", "will ich", in die des Anapäst "ein Gedicht", "ganz gewiß", "wenn ich will" und in die des Daktylus "Dichterling", "sicherlich", "wollte ich". Durch Vervielfachung des Versfußes ergibt sich das Versmaß: "Verderblich ist des Tigers Zahn" besteht aus vier Jamben, "Fest gemauert in der Erden" aus vier Trochäen.

Ob es ein ideales Versmaß und einen idealen Versfuß gibt? Am häufigsten sind jedenfalls Jambus und Trochäus. Wahrscheinlich, weil die aus ihnen gebildeten Verse am ehesten dem Herzrhythmus entsprechen. Dieser Rhythmus leidet nicht, wenn sich zwischen Jamben ein Anapäst oder zwischen Trochäen ein Daktylus einnistet - "Wer reitet so spät durch Nacht und Wind", "Heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen".

Im Deutschen sind vierhebige Verse am häufigsten - von der Klassik bis hin zu Mundartdichtung und Volkslied. Vierhebige Verse bestehen aus sieben bis neun Silben - von "Lämmlein, bist so fromm und sanft" bis "Gefährlich ist's, den Leu zu wecken". Bei dieser Silbenzahl pro Vers lassen sich offenbar Halbsätze und Sätze am besten in Verse und Verspaare gießen. Bei dreihebigen Versen wird es knapp. Fünf- oder sechshebige Verspaare aber können das Kurzzeitgedächtnis überfordern, und wohl deshalb wurden sie im Deutschen nie populär, trotz aller Bemühungen der Klassiker. In langen Gedichten wird das Versmaß öfters gewechselt, denn Regelmäßigkeit über längere Strecken wirkt "zu beruhigend", Rhythmuswechsel hingegen hält wach.

Die Tücke des Objekts

Wenn wir uns für ein Versmaß entschieden haben, brauchen wir nur noch Wörter so auf dem Grundrißplan abzulegen, daß die Silben an den richtigen Plätzen landen und daß auch keine Leerstellen bleiben. Wir wissen, daß Wortstämme immer Akzent tragen und daß auch Silben mit Langvokal Akzent an sich ziehen. Mit einsilben Wörtern - "Stadt", "Rat" - und mit unbetonten Vor- oder Nachsilben - "Städte", "städtisch", "verstädtert", "Räte", "raten", "beraten" - ist alles klar. Und für unbetonte Stellen zwischendurch bieten sich einsilbige Fürwörter, Artikel, Bindewörter und Partikel an.

Doch in Zusammensetzungen oder mit betonten Vorsilben gibt es mindestens zwei betonte Silben, von denen nur eine den Hauptakzent tragen kann. "Stadtbekannt" und "unbekannt" sind kein Problem, denn zwischen Haupt- und Nebenakzent liegt die schwache Silbe "be". "Stadtrat" und "Unrat" gehen auch noch, trotz des langen "a". Aber bei "Stadträte" oder "vorstädtisch" hakt es, denn ein Nebenakzent unmittelbar hinter dem Hauptakzent und vor einer Silbe, die absolut keinen Akzent verträgt - das paßt nicht zu Jambus oder Trochäus. Man muß also gleichbedeutende Wörter - Synonyme - suchen. Dazu gibt es sogar Wörterbücher. Oder man muß die Grammatik nützen: Das unbrauchbare "aufsagen" läßt sich als "sage ... auf", "aufzusagen", "aufgesagt" problemlos unterbringen.

Richtige Betonung ist wesentlich fürs Verständnis. Neben dem Wortakzent, der sowohl phonetisch als auch strukturell begründet ist, gilt es daher auch, den Satzakzent zu beachten, soll es nicht zu Sinnstörungen kommen. Gewiß, ein Vortragender kann fast alle Mängel über- spielen. Wenn man aber ein unbekanntes Gedicht liest, merkt man sehr schnell, wie sehr sich der Autor um die Metrik gekümmert hat: Schlampige Verse unterbrechen den erwarteten Rhythmus, man bleibt hängen.

Tücken birgt auch die Reihung der Satzglieder. Im Deutschen gibt es zwar einige Freiheit. Doch wenn wir den Satz so hinbiegen, daß es mit dem Vers klappt, kann leicht der Sinn leiden. Besonders holprig, wenngleich nicht unbedingt sinnstörend wirkt die falsche Stellung des in Person und Zahl bestimmten Zeitworts: Im Hauptsatz muß es das zweite Satzglied sein und im Nebensatz gehört es ans Ende. Ganz allgemein rät Pannonicus daher: "Wenn die Reihung aller Glieder möglichst wie in Prosa ist, findet auch der Sinn sich wieder, andernfalls ist's eher Mist." (Der "Wenn"-Satz ist das erste Glied des ersten Hauptsatzes, und "findet" steht an zweiter Stelle.)

Was reimt sich eigentlich?

Wir sind vom Reim ausgegangen, doch was ist mit dem Reim selbst? Der Reim wiederholt das Ende eines vorangegangenen Verses, genauer gesagt, den letzten betonten Silbenkern und alles, was darauf folgt. Was davor steht, sollte nicht wiederholt werden. Die Paarungen "recht - schlecht" oder "richtig - wichtig" sind gut, "Recht - gerecht" oder "richten - berichten" hingegen wären zu billig.

Der Reim sollte phonetisch korrekt sein - auf die Rechtschreibung kommt es nicht an. "Wahn - Kumpan" oder "kann - an" sind gut, "Kumpan - an" aber ist gemogelt (unterschiedliche Vokallänge), und "Kumpan - Fahrplan" oder "Hauptmann - sodann" sind ganz unmöglich (unterschiedlicher Wortakzent). Der Reim sollte auch phonemisch richtig sein, weshalb auslautendes "b", "d" oder "g" besser nicht auf "p", "t" und "k" zu reimen sind, obwohl sie so gesprochen werden. Auch "e" auf "ö", "i" auf "ü" oder "ei" auf "eu" sind unsaubere Paarungen - außer im Scherz oder in Mundart.

Bei der Suche nach Wortpaaren entdeckt man, wie "ungerecht" der deutsche Wortschatz verteilt ist: Jedes fünfte Wort endet auf "n", und jedes zweite Wort auf "e", "t", "g" oder "r". Aber auf die Phoneme "a", kurzes "i", "o", "u" und "p" enden fast nur Fremdwörter, und das im Anlaut so häufige "w" kommt im Auslaut überhaupt nicht vor. Es gibt daher Wörter, auf die sich gar nichts reimt - darunter das so häufige "wird". Was tun? Wieder Synonyme suchen. Oder die Grammatik bemühen, also etwa ein Hauptwort in die Mehrzahl und ein Zeitwort in eine andere Person oder Zeit setzen. Oder das verflixte Wort ins Innere des Verses verbannen.

Eine Sonderform ist der Schüttelreim. Er wiederholt mehrere Silben, vertauscht dabei aber den Anlaut mindestens zweier betonter Silben. Beim Binnenreim erfolgt das Echo im Inneren der Verse - "singen und springen", "hüben und drüben". Beim Stabreim, der in alter Dichtung beliebt war, in Redensarten weiterlebt und auch in Neuschöpfungen reizvoll ist, wird nicht das Ende eines Verses, sondern der Anlaut einer betonten Silbe wiederholt. Der Stabreim wiederholt möglichst auch die Wortkontur, variiert aber den Silbenkern - "singen und sagen", "schrille Schreie", "in die Gluten gleiten", aber auch "Gepränge und Geprotze", "klitzekleines", "widerwärtig".

Selber machen!

Bei allem, was mit "Können" zu tun hat, ob Kunst, Handwerk oder Sport, kommt den Dilettanten eine Rolle zu, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. "Dilettant" ist hier im ursprünglichen, im positiven Sinn des Wortes gemeint, das aufs lateinische Wort für "sich erfreuen" zurückgeht und Personen bezeichnet, die aus Freude an der Sache tätig sind, nicht zum Broterwerb. Nur wer sich selber plagt, vermag die Leistungen anderer richtig zu würdigen und Scharlatanerien zu durchschauen. Und nur wenn es viele kritische Dilettanten gibt, werden auch die "Profis" zu echten Leistungen angespornt.

Am Anfang steht nie die Theorie, sondern ein Anlaß, eine Idee, eine Aussage oder eine Schlußfolgerung, auf die man hinaus will. Daraus ergibt sich, wieviel Platz man braucht, welche Wörter man unbedingt unterbringen will und in welches Versmaß das Ganze passen könnte. Theorie hilft zu begreifen, warum es hakt, und zeigt Auswege auf. Aber gerade bei Versen, die nicht zum Abdruck, sondern zum Vortrag im Familien- oder Freundeskreis bestimmt sind, kann man ohnehin recht großzügig mit den Regeln umgehen. Also auf und selber probieren! Man lernt so nebenbei eine Menge über sich und seine Zuhörer.

Der arme Poet: Für die meisten ist ein Dichter ein kreativer Kopf, in der Realität übt er aber ein von Regeln durchsetztes Handwerk aus. Gemälde: C. Spitzweg


Das Kuckucksnest fürs Straußenei

Der Kasuar, das Straußentier,

hat so wie Artverwandte

der strammen Beine zwei, nicht vier,

jedoch den Dschungel als Revier

und Lebensform, riskante.

Ja, grad als wär' der Baumbestand

nicht schon genug an Schrecken,

so mangelt's - wenigst vorderhand -

vor lauter Pflanzen auch an Sand,

den Kopf hineinzustecken!

Drum quält die Causa Kasuar

Kasachen und Kalmücken.

Sie kauern um den Samowar,

zerkauen kalten Kaviar

und kriegen Magendrücken.

"Bei uns im Steppenlande weht

der Sand in rauhen Massen.

Wir fordern Solidarität:

Man muß den Überschuß konkret

uns exportieren lassen!

Und wie bei Butter, Fleisch und Stahl,

bei Weizen, Mais und Grütze

erheischt auch hier es die Moral,

daß man gerecht und radikal

die Sandexporte stütze."

Die Uno greift die Sache auf:

Es nehmen Kommissare

und Konferenzen ihren Lauf,

denn Sandexperten gibt's zuhauf

und schöne Honorare.

Auch kommt die Konkurrenz geeilt

aus Wüstensandgebieten,

worauf man sich ein wenig keilt,

dann werden Quoten zugeteilt

samt Weltbank-Großkrediten.

Zum Trost erhalten ein Prozent

Kalmücken und Kasachen,

den Rest Konzerne, die man kennt

und abgekürzt beim Namen nennt -

die Börsenkurse lachen.

Dann wird der Dschungel zugedeckt

mit Sand aus Quotenländern,

bis alles tief im Sande steckt -

der Kasuar, erst recht verschreckt,

vermag es nicht zu ändern.

Auf daß er nicht im Sand versinkt,

muß schnell er Straßen kriegen,

und daß er nicht vom Wasser trinkt,

das nunmehr mangelt oder stinkt,

sind Flaschen einzufliegen.

Er kriegt ein Uno-Schutzmandat

und Trockenmilch als Fressen,

er wird beschuht vom Syndikat,

geimpft, auch das ist sehr probat,

und hinterher vergessen ...

Vom Kasuar die Causa sei,

so meint ihr, Kasuistik?

Das Kuckucksnest fürs Straußenei

füllt Kassen doch - und nebenbei

die Sandexportstatistik!

Pannonicus