18.04.2024

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20.12.03 / 27.12.03 / Ein Salzkorn, das die Gurke würzt / Margarete Pulver berichtet von den Fortschritten bei der Rettung der Ordenskirche in Groß Legitten

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. u. 27. Dezember 2003


Ein Salzkorn, das die Gurke würzt
Margarete Pulver berichtet von den Fortschritten bei der Rettung der Ordenskirche in Groß Legitten

Auf meiner ersten Reise durchs Baltikum und das nördliche Ostpreußen im Jahre 1993 kamen mir überall Erinnerungen an den Krieg entgegen, so entstand im Herbst 1994 die Idee, hier ein positives Zeichen zu setzen und die alte Ordenskirche wieder aufzubauen.

Wie war die Ausgangssituation in jenen Jahren? Das alte Zentrum des Legitter Kirchspiels mit Kirche, Pfarrhaus auf der einen Seite der Straße von Königsberg nach Labiau und Tilsit sowie dem alten Schulhaus gegenüber hatte den Krieg überlebt. Die Kirche stand allerdings als Ruine ohne Dach. Das Schulhaus diente zur Hälfte als Dorfbibliothek; die Sanitätsstation war aus hygienischen Gründen ins Kolchosgebäude verlegt; und der Hausschwamm war eingezogen.

Für die Beaufsichtigung des Kirchengebäudes und des alten Pfarrhauses wurde im Sommer 2000 in Herrn Molodavkin ein Hausmeister gefunden, der dringend eine Wohnung brauchte. Der Dorfbürger- meister übergab ihm die Schulhälfte des alten maroden Schulgebäudes, das aus deutscher Sicht bereits verloren war.

Molodavkin zog im Herbst 2000 in ein Haus ohne Fenster, Heizung und Wasser. Die Fenster kamen als Geschenk, der Ofen wurde selbst gesetzt, und das Haus mit den überalterten Obstbäumen des Gartens wurde durchgeheizt. Im Sommer wurde der Brunnen neu gemauert, und nun fördert eine Pumpe das Wasser ins Haus, und die Wände des Zimmers sind neu verputzt. Da die Gehälter im nördlichen Ostpreußen kaum für Hausrenovierungen reichen, wird nun das Dach durch Freunde aus Berlin finanziert. In Eigenarbeit wurde die Straßenseite des Hauses isoliert, und ein Anbau soll Bad und WC beherbergen. In den Bauzentren gibt es inzwischen fast alles, und der Kontakt zum Westen durch Besuche in der Bundesrepublik Deutschland und die Reklame im Fernsehen läßt den Wunsch nach modernem Komfort hochkommen.

Das alte Pfarrhaus wurde inzwischen ein schönes, helles und warmes Gemeindezentrum für die evangelische Gemeinde, die allerdings recht weit verstreut wohnt. Das Haus stand im Jahre 2000 zum Verkauf. Dann konnte sein altes Ziegeldach mit den alten Dachziegeln erneuert werden. Es wurde mit Isolierglasfenstern ausgestattet. Seine Wände wurden mit Rigips verkleidet. Und es erhielt eine moderne Zentralheizung. Im letzten Herbst konnte man dann den ersten Gottesdienst mit Pfarrer Michelis feiern. Gerne kommen inzwischen die Kinder zum zeitgleich mit dem Erwachsenen- gottesdienst stattfindenden Kindergottesdienst in ihren Raum im oberen Stockwerk, den Frau Michelis liebevoll gestaltet hat. Nur wer die Gottesdienste in den früheren Räumen - Wohnzimmern, in der alten Schule von Drosden, der Bib- liothek von Pronitten und dem neuen Schulhaus von Pronitten, das dann auch aufgekündigt wurde - erlebt hat, kann den Fortschritt ermessen.

Ungleich langsamer und mühsamer ging der Wiederaufbau der alten Kirche vonstatten, denn sie wird als Kulturdenkmal vom russischen Staat als ihr Eigentum betrachtet, vertreten durch die Denkmalbehörde NPC, und ist als Kirche zuerst kirchlichen Zwecken vorbehalten. Die orthodoxe Kirche hat die Erstwahl, Ansätze einer orthodoxen Gemeinde gab es zwar 1995, doch verschwand diese wieder, und es gab niemanden, der Mittel für den Wiederaufbau aufbringen wollte. Die Dombaufirma unter Herrn Odinzow erhielt 1996 die Baugenehmigung für eine multikonfessionelle und -kulturelle Mischnutzung, und der neu gegründete Förderverein brachte erste Mittel auf, die durch die Organisation des ZHD in Fulda durch Bundesmittel aufgestockt werden konnten. Ende 1997 wurde ein Blechdach errichtet, das seitdem das Gebäude vor Regen schützt.

Im Jahre 2001 erlosch die erste Baugenehmigung, und wir versuchten, mit deutschen Beratern die notwendigen Arbeiten durch eine kleine russische Firma ausführen zu lassen, die zum einen den Bestand der Kirche für einige Zeit sichern und zum anderen die Kirche auch nutzbar machen sollte. Da die orthodoxe Kirche aus kirchenrechtlichen Gründen keine Mischnutzung in der Russischen Föderation zuläßt, wurde nach zähen Verhandlungen die frühere evangelische Kirche der evangelisch-lutherischen Kirche in Königsberg - vertreten durch Propst Wolfram - im August 2002 zur Pacht übergeben, zusammen mit dem Gelände des alten deutschen Friedhofs.

In diesem Sommer wurden nun die Arbeiten am alten Kirchengewölbe beendet und die Kirche soll im Juni 2004 durch Propst Osterwald eingeweiht werden, nachdem die örtliche Gemeinde ihr zehnjähriges Gemeindejubiläum am 14. Juni dieses Jahres schon spontan im Chor der Kirche mit einem Festgottesdienst begangen hat. Ob das alte Gewölbe des Kirchenschiffes hält, muß durch Kontrolle auf Risse geprüft werden. Die technisch 100prozentig sichere Lösung, das Gewölbe durch Zuganker zu sichern, kann man sich so vielleicht ersparen, zumal weder das Geld dafür da ist noch vor Ort die entsprechenden Möglichkeiten vorhanden sind.

Gewiß sind nicht alle Arbeiten fehlerfrei durchgeführt worden, doch in Anbetracht der Situation des Denkmalschutzes im nördlichen Ostpreußen und der fehlenden Handwerker wie auch der Materialorganisation zu Beginn der Arbeiten zeichnet sich insgesamt ein gutes Ergebnis ab. Inzwischen gibt es einige russische Unternehmen, die offen für Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten sind, die gute Arbeit als Empfehlung für weitere Aufträge sehen. Der Dorfbürgermeister wünscht sich für sein Dorf einen Anziehungspunkt, und wir hoffen, daß wir ein Salzkorn gestreut haben, das die Umgebung würzt wie eine Gurke, wie uns eine Russin bildhaft sagte. Für den deutschen Friedhof fehlt dazu noch die Einfriedung und Errichtung eines Gedenksteins in einer natürlich blühenden Anlage, unter dem die gefundenen Gebeine begraben werden sollten.

Wir sind dankbar für das Erreichte und allen, die dazu beigetragen haben, sei es durch ihre Arbeit, das Opfer an Zeit, die Spenden und nicht zuletzt durch ihr aufmunterndes Interesse, und laden Sie zur Teilnahme an der Einweihungsfeier ein. Wir wollen ein russisch-deutsches Konzert mit Kirchenmusik und einen fröhlichen Ausklang im Gemeindehaus organisieren. Die Organisation einer Anreise per Bahn, Schiff oder Flugzeug wird geplant, mit Unterbringung in Hotels oder auch privat. Wer Interesse hat, beachte im Frühjahr eine entsprechende Notiz in der PAZ oder melde sich bei mir (Telefon/Fax: 0 22 34 / 87 78).