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03.01.04 / Das Kopftuch - ein Machtsymbol / Wie Frankreich den Islam in seine Schranken weist

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Januar 2004

Das Kopftuch - ein Machtsymbol
Wie Frankreich den Islam in seine Schranken weist
von Jürgen Liminski

Das Kopftuch ist ein Symbol. Längst ist die Funktion des Stoffs - die Verhüllung erotischer Haarpracht - in den Hintergrund getreten, im Vordergrund steht die gesellschaftspolitische Aussage: Unser Gesetz soll gelten, egal wo, egal wie, überall. Wer heute noch glaubt, das Kopftuch sei eine religiöse Angelegenheit, der ist naiv oder verkennt den Islam. Er wird ihn kennenlernen müssen. Der Kopftuchstreit ist auch ein Symbol für den bereits ausgebrochenen Kulturkampf in Europa. Manche weltfremden Träumer, insbesondere in Deutschland, haben das noch nicht begriffen.

Die Franzosen sind da schon weiter. Ihnen brannte das Problem freilich auch heißer auf den Nägeln. Mehr als tausend Konfliktfälle zählte man im Innenministerium allein in diesem Jahr. Sechs Mädchen wurden von ihrer Schule verwiesen. In den allermeisten Fällen sind sie die Op- fer, nicht des Staates, sondern ihrer männlichen Familienangehörigen. Die halten sich in der Regel im Hintergrund. Mädchen und Frauen als Diskussionsfutter, das ist die moderne Form für den Krieg der Zivilisationen. Frankreich hat sich ihm jetzt gestellt. Deutschland zögert. Nur in kulturbewußten Regionen wie Bayern und Baden-Württemberg wird es bald ein Gesetz geben. Die Kirchen aber verschlafen den Kulturkampf. Ihre konfliktscheuen Funktionäre glauben immer noch, es gehe nur um Religionsfreiheit.

Der Islam kennt die Trennung von Staat und Religion nicht. Die Türkei ist eine Ausnahme, und in der Praxis verschwimmt auch dort die Trennung. Christen werden allenfalls geduldet, von den 20 Prozent, die die Christen zur Zeit Atatürks an der Bevölkerung ausmachten, ist noch ein Prozent übrig. Das einst weltoffene Istanbul hat einen Schleier übergezogen. In den anderen islamischen oder islamisch geprägten Ländern werden Frauen als Besitz angesehen, ist Polygamie normal und Menschenwürde eine Angelegenheit der teetrinkenden oder qatkauenden Männer. In Europa herrschen andere Sitten, auch Unsitten gewiß, aber die Menschenwürde gilt auch für Frauen, mit und ohne Kopftuch.

Der Vater des jetzigen amerikanischen Präsidenten hat die Ära nach 1989 einmal mit einem Begriffstriptychon umschrieben: Menschenrechte, Menschenwürde, Freiheit. Aber das ist die Beschreibung westlichen Denkens. Der abendländische Logos ist keine Kategorie des Denkens für den Islam. In der Tat, die Begegnung westlicher Kultur mit islamischem Denken ist im verflossenen Jahrhundert des Öls zu einem Crash geworden. Sie hat Kräfte wachgerüttelt, die man überwunden glaubte. Die Revolution im fort- geschrittenen Persien war ein Er-

gebnis. Das Aufbäumen der Radikalen in Algerien in den 90ern, die Herrschaft der Taliban sowie die Christenverfolgungen in Indonesien und Pakistan oder auch der Selbstmordterror aus Palästina und der Al Kaida sind weitere Zeichen an der Wand des Weltgeschehens. In diesem Krisenbogen zwischen Casablanca und Taschkent leben mehrere hundert Millionen Menschen. Die meisten von ihnen kennen die Trennung zwischen Kultur, Religion, Politik und sozialem Leben nicht. Denn der Koran ist nicht nur Bibel, er ist gleichzeitig bürgerliches Gesetzbuch. Es gibt allein 500 Koranverse, die Probleme des Straf- und Zivilrechts behandeln. Der Islam dieser Völker erhebt den Anspruch, gleichzeitig religiöser Glaube und Staat - din wa daula - zu sein. Er hält an einem in sich geschlossenen Rechtssystem fest, das auf dem Koran, auf Aussprüchen des Religionsstifters Mohammed und auf den aus diesen beiden Quellen abgeleiteten Interpretationen der mittelalterlichen Rechtsschulen beruht. Aus dieser dreifachen Wurzel ist die Scharia entstanden, das Rechtssystem mit den für uns unmenschlichen Strafen, das in mehreren Ländern wieder eingeführt wurde.

Das Wort Islam bedeutet Hingabe, Ergebung in den göttlichen Willen. Die Geisteshaltung des Muslims soll eine Haltung ständiger Ergebenheit und Hingabe, man könnte auch sagen der Unterwerfung sein. Es geht nicht, noch einmal, um die Verhüllung des Kopfes, sondern um seinen geistigen Inhalt. Nicht der Westen hat sich mit dem Phänomen auseinanderzusetzen, sondern der Islam. Er muß den Frauen mehr Freiheit und Menschenwürde zuerkennen. Solange aber in den islamischen Köpfen hierzulande vorwiegend Parolen von Unterwerfung herumspuken, bleibt das Kopftuch ein Symbol der Machtfrage.

Frankreich wird die Antwort in einem Gesetz formulieren, das die weltanschauliche Neutralität öffentlicher Plätze und Einrichtungen einfordert. Die Christen können damit leben, Menschenwürde, Menschenrechte und Freiheit sind im Christentum verwurzelt, das Zweite Vatikanum hat dies nach den Irrungen vergangener Jahrhunderte wieder besonders deutlich gemacht. Natürlich gibt es in unserem Kulturkreis manche Auswüchse gegen Würde, Recht und Freiheit vor allem auch der Frau. Diese Mißstände einer auswuchernden Säkularisierung müssen bekämpft werden. Aber die Hoheit über diesem gesellschaftlichen Misthaufen läßt sich der gallische Hahn nicht nehmen. Hier stößt die Konsensdemokratie deutschen Musters an die Grenze der Selbstaufgabe. Das Naserümpfen über den gallischen Hahn zeugt von dumpfer Überheblichkeit, er hat mit dem Primat weltanschaulicher Neutralität den Islam in seine Schranken verwiesen. Den geistigen Kampf müssen jetzt andere führen, zum Beispiel die Kirchen. Das ist unbequem, aber lebensnotwendig.