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03.01.04 / Hussein - Zum Tode vorverurteilt?

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Januar 2004

Hussein - Zum Tode vorverurteilt?

In der allgemeinen Aufregung - teils auch im Siegestaumel - anläßlich der Gefangennahme Saddam Husseins ist ein Vorfall gewissermaßen unbeachtet den Bach hinuntergegangen: nämlich die vom amerikanischen Präsidenten George Bush wenige Tage nach der Festnahme des irakischen Diktators ausgesprochene Forderung (oder Ankündigung), Saddam sollte oder müßte zum Tode verurteilt werden. Abgesehen davon, daß der US-Präsident hier einer wesentlichen europäischen Rechtsauffassung widerspricht - nämlich daß Todesstrafe und Hinrichtungen in einem zivilisierten Rechtssystem nichts zu suchen hätten -, hat Bush, sei es aus Naivität oder Berechnung, eines der wesentlichsten Prinzipien des Rechtsstaates verletzt: die Gewaltenteilung sowie die daraus resultierende Unabhängigkeit der Rechtsprechung. Es kann nicht in der Kompetenz eines noch so hochgestellten und mächtigen Staatsoberhauptes liegen, die Gerichte zu präjudizieren und in ein schwebendes (bis jetzt noch nicht einmal anberaumtes) Verfahren einzugreifen. Bush setzt mit solchen Äußerungen die (künftigen) Richter unter Druck, denen nur die Wahl bleibt, sich entweder als Befehlsempfänger zu verhalten und so zu urteilen, wie es Bush "angeregt" hat - oder aber aus lauter Trotz das Gegenteil zu tun (letzteres ist allerdings recht unwahrscheinlich). Sogar der größte Verbrecher hat ein Recht auf ein faires, unbeeinflußtes Verfahren - andernfalls könnte man die alte Praxis der Lynchjustiz wieder aufnehmen. Es geht dabei auch nicht in erster Linie um Saddam, von dem man annehmen kann, daß seine Hände blutbefleckt sind. Es geht um die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates und um eine gewisse "seelische Hygiene". Man denke an das Bibelwort: "Die Rache ist mein" - und gemeint ist, daß sie nur dem Herrgott zusteht. Den gelernten Europäer - der durchaus um die Fragwürdigkeit und Brüchigkeit auch der europäischen Prinzipien weiß - stört es, wenn der mächtigste Staatsmann des Westens plötzlich von einem Sieg des Guten über das Böse spricht, wobei das Böse Saddam ist. Hier sollten wir es lieber mit der christlichen Demut halten. Der große Solschenizyn, der in diesen Tagen seinen 85. Geburtstag beging, sagte einmal, die Grenze zwischen Gut und Böse verlaufe mitten durch einen jeden von uns. Angesichts dieser Tatsache hat niemand ein Anrecht auf Selbstgerechtigkeit - auch nicht gegenüber dem Sünder und (mutmaßlichen) Verbrecher Saddam Hussein. Carl Gustaf Ströhm