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03.01.04 / Exportschlager Deutsch: "Buterbrod" und "fisfutr" / Jahrhundertelanger Sprachtransfer in den slawischen Osten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Januar 2004

Exportschlager Deutsch: "Buterbrod" und "fisfutr"
Jahrhundertelanger Sprachtransfer in den slawischen Osten
von Wolf Oschlies

Deutsch, soll Lenin gesagt haben, ist die "allgemeine Slawensprache". Gewiß gab es in früheren Zeiten Panslawen-Kongresse (und in späteren Zeiten solche der "Kommunistischen Internationale"), die ohne die deutsche Sprache als gemeinsame kommunikative Basis über ein paar Begrüßungsfloskeln kaum hinausgekommen wären.

Aber das bedeutete nie, daß unsere Nachbarn im Osten alle und fließend Deutsch gesprochen hätten! Sie sprachen ihre slawischen Sprachen, die untereinander enger verwandt sind als jede andere Sprachenfamilie und zudem ein Sonderverhältnis zum Deutschen hatten und haben. Das verdeutlichen ungezählte Lehnwörter, deren Zahl sich beinahe täglich vermehrt.

Mögen heute angloamerikanische Wortanleihen in gewissen Bereichen überwiegen - vor allem in der Computer-Terminologie und in der Wirtschaftssprache -, was die Vielfalt der entliehenen Begriffe und die jahrhundertelange Tradition des Transfers angeht, so hat Deutsch klar die Nase vorn.

Tschechische Golfspieler kennen beispielsweise einen "vasr-man", was einen Schlag ins Wasser bezeichnet, den sie bisweilen aber auch "fisfutr" (Fischfutter) nennen. Die Russen lassen sich seit Jahrhunderten das "buterbrod" (Butterbrot) schmecken, und als unlängst der "Wunderboxer" Klitschko eine unerwartet rasche und deutliche Niederlage erlitt, da höhnte die Moskauer Presse, er sei von seinem Gegner wie ein "buterbrod" verspeist worden.

Wie es mit dem Sprachexport gen Osten begann, hat Zoran Konstantinovic, der Nestor der modernen Slawistik, aufgezeigt. Als erste Deutsche tauchten demnach im 13. Jahrhundert Bergleute auf. Seither ist die Bergbauterminologie in Ostmitteleuropa weithin deutsch , selbst in Ländern wie Slowenien, wo es kaum noch Bergbau gibt. Trotzdem lebt dort noch immer die Fachsprache der Grube - von "kipsina" (Kippschiene) bis "lerhaver" (Lehrhauer).

Kurz danach müssen Musikanten ostwärts aufgebrochen sein. Jedenfalls  läßt das ein serbisches Gesetz von 1262 vermuten, das "spilmani" (Spielmännern) harte Auflagen wegen ihrer Vorliebe fürs "trinkati" macht.

Etwa hundert Jahre später wurde es dann im Südosten des Kontinents Mode, sich deutsche Militärs zu holen. Serben-Zar Dusan machte Mitte des 14. Jahrhunderts den Anfang, als er Palman und seine "Ehrenritter" rief. Doch diese deutsche Militärpräsenz zieht sich bis in die Gegenwart hin: Bosnische Journalisten haben sich jedenfalls königlich amüsiert, als die Bundeswehr vor drei Jahren in Rajlovac bei Sarajevo ein "Feldlager" aufschlug.

Umgehend erschienen witzige Feuilletons mit Erinnerungen an die Jahre 1878-1918, als Bosnien zu Österreich-Ungarn gehörte, was für eine Flut deutscher Wörter gerade im Soldatischen sorgte: "gevera" (Gewehr), "regimenta", "sturm", "feljbaba" (Feldwebel), "banovo" (Bahnhof) oder das schöne "jaran". Mit diesem von "Jahrgang" abgeleiteten Begriff bezeichnet man in der serbokroatischen Sprache einen guten Freund, einen Kameraden.

Daß es anderswo, etwa in Böhmen und Mähren, ähnlich war, dafür mag Jaroslav Haseks unsterbliches Werk "Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk" Zeugnis ablegen, das in seiner tschechischen Urfassung gerade im Militärischen voller Germanismen steckt.

Außerdem war im östlichen Europa bereits seit dem Mittelalter der Weg zur deutschen Sprache sehr direkt geworden, da es dort in allen Ländern deutsche Siedlergruppen gab - von den heutigen Staaten Rußland und Ukraine, über das Baltikum, Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Slowenien und Kroatien bis hin zu Serbien und Bulgarien.

Ganz gleich wie viele es auch immer waren, der Fleiß, das Geschick und die (übertriebene) Sparsamkeit der "svaben", wie die Deutschen allenthalben genannt wurden, sprachen sich herum. Von diesen Leuten ließ sich vieles lernen, wobei man der Einfachheit halber die deutschen Begriffe gleich mit übernahm.

Daß das technische Vokabular zu großen Teilen deutsch ist, beweist jeder Blick in irgendein Wörterbuch irgendeiner Sprache im Osten. Dabei wurden Wörter konserviert, die hierzulande niemand mehr kennt. Was zum Beispiel ist ein serbischer oder makedonischer "sporet" oder ein kroatischer "spaher", der sich vom deutschen "Sparherd" ableitet?

Makedonische Kinder laufen in "spilhozni" (Spielhosen) herum, und ein russischer Hut ist seit Jahrhunderten eine "sljapa", was im Deutschen allenfalls noch mit dem "Schlapphut" in Verbindung zu bringen ist.

Im mährischen Brünn ist das "Vegateam" zu Hause, das seit einigen Jahren an einem "Mährisch-Tschechischen Wörterbuch" werkelt. Es kam zu dem Schluß, daß die mährische "Sprache" zu sage und schreibe einem Fünftel deutsch ist. In dem Wörterbuch wimmelt es von Germanismen wie "anzug", "befel", "cetl", "dach", "gelandra", "handtuch", "luft", "ordnung", "rolmops" oder "zyngruba".

Was die Brünner können, vermögen auch Roman Malczyk und andere Schlesier, in deren fiktiver "Republika Silesia" Wörterbücher der "jynzyk siloonski" (schlesischen Sprache) erscheinen, die sich sehr vergnüglich lesen, am besten laut: "ajmer", "abszicfajer", "aszynbecher", "ajnwajoong" usw. ( www.republikasilesia.com/RS/slownik ).

Die Lebendigkeit der deutschen Sprache im Osten läßt sich aber beileibe nicht nur aus der Rückschau erschließen. Laufend kommen neue Wortanleihen hinzu, etwa "standort" (russ.), "kindermilhsnite" (kroat.) oder "Armee-Laden" (poln.). Wenn russische Rechts- und tschechische Linksextreme mal wieder ihrer Abneigung gegen die Erweiterung von NATO und EU Ausdruck verleihen, dann fragen sie, ob ein neuer "ansl(j)us" geplant sei. Und wenn die Moskauer Zeitung Vremja über den guten Ruf staunt, den Präsident Putin bei den Deutschen hat, dann ernennt sie ihn zum "obermens", dessen "vaterland" wohl westlich von Oder und Neiße liege.

Praktisch allen Völkern im Osten ist der "Gastarbeiter" aus Deutschland ans Herz gewachsen, freilich nur begrifflich und dann orthographisch bzw. phonetisch adaptiert zu "gastarbeitr", "gastarbajter" etc.

Eines scheint klar zu sein: Es wird in unserem Umgang mit den östlichen Nachbarn niemals das geben, womit Südslawen ein Ende ankündigen: "fajront" (Feierabend). KK

Restaurant in Negombo in Sri Lanka: Die deutsche Sprache genießt noch immer Weltgeltung Foto: Archiv