24.04.2024

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10.01.04 / Ein Handy fürs Baby

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. Januar 2004

Ein Handy fürs Baby
Über die Belebung des Marktes macht sich Willi Wegner Gedanken

Hör mal, Mausi - ich muß dir noch was sagen ... nein, nur eine Tasse Kaffee, ohne alles ... laß bitte deine Mutter aus dem Spiel ... Ich weiß schon ... Warum mußtest du gestern abend so früh fort ... Den Harald werden wir natürlich nicht einladen ... Bis später dann ... vergiß nicht, daß ich dich liebe ... Du mich auch ... Natürlich trinken wir Rotwein ...

Ein Hörspiel? Nein! Und doch - zufällige Wortfetzen eines Hör-Spiels auf der Straße. Beim Überholen anderer Fußgänger oder während man von ihnen überholt wird. Erst denkt man, daß es den HNO-Ärzten nicht schlecht gehen muß. All diese Leutchen, immer ein Handy am Ohr, müssen wohl ein Ohrenleiden haben. Dabei sprechen sie nur in ihr Handy. In aller Öffentlichkeit. Und hier, in der Öffentlichkeit, am liebsten. Und in Gaststätten natürlich. Es ist der reine Handyismus!

Aber das soll ja nun anders werden. In einer Zeitungsnotiz hieß es kürzlich: "Handy-Flaute! Weltweites Nachlassen der Handy-Nachfrage."

Nun, das muß ja nicht sein. Schließlich gibt es ungeahnte Möglichkeiten, dem Handy, wenn es sein muß, wieder auf die Beine zu helfen. Der Markt muß eben drastisch erweitert werden. Denken wir nur einmal an die Jugend. An die Kinder. An die Kids. Warum Handys erst für Erstkläßler? Warum nicht schon im Kindergarten? Oder noch früher ...

Es können zum Beispiel für Babys Handys mit eingebautem Schnuller auf den Markt gebracht werden. Jeder Schrei wird ans Eltern-Ohr übertragen. Jedes erste Ma-ma oder Pa-pa. Jedes A-a. Alles elektronisch.

Man stelle sich ein Baby in der Wiege vor. Die Eltern sind nicht zu Hause. Die sitzen vielleicht bei Onkel Hugos Geburtstagsfeier oder in irgendeiner Bar. Das Handy klingelt, und der oder die Kleine meldet sich: "Kann nicht schlafen! Bitte Märchen erzählen!" Dann erzählen Paps oder Ma irgendein lustiges Märchen von Hänsel und Gretel oder dem Duka-tenesel. Der Barmixer macht derweil mit seinem Shaker ein einschläferndes Hintergrundgeräusch, und das Kind daheim schlummert selig ein, da es die Eltern ganz in der Nähe glaubt.

Während ich diese Zeilen schreibe, mischt mein Sohn sich ein. "Weißt du", sagt er, "kurz bevor es bei uns in der Schule die nächsten Zeugnisse gibt, möchte ich, daß du mir ein Handy schenkst."

"Wieso?" will ich wissen. "Als Lohn? Wird das Zeugnis so gut ausfallen?"- "Im Gegenteil, Paps!" sagt der Bursche. "Aber ich kann dich am Zeugnistag von unterwegs anrufen und dir schon im voraus mitteilen, daß ich beispielsweise sechs Fünfen habe. Bis ich dann zu Hause bin, ist deine schlechte Laune verflogen. Dann krieg' ich vielleicht keine mehr hinter die Ohren!"

In diesem Augenblick klingelt mein vor mir liegendes Handy. Ich nehme es auf und höre die Stimme meiner Frau. "Ich spreche im Fahrstuhl", sagt sie. "Mit meinem Handy. Aber es ist schwer, zu dir durchzukommen. Vielleicht irgendein luftleerer Raum oder wie das heißt, wie neulich im ICE kurz vor Stuttgart."

"Warum mußt du mit einem Fahrstuhl fahren, um mich anzurufen?" erkundige ich mich.

"Weil ich ungestört mit dir sprechen will. Er ist zur Zeit leer und kaum benutzt. Abgesehen von einer älteren Dame, die aber schwerhörig ist, wie sie sagt. Ich fahre bereits zum vierten Mal vom siebten Stock ins Erdgeschoß und wieder nach oben und wieder nach unten."

"Warum dieser Umstand?" - "Wegen der luftleeren Störungen." - "Mangelhafte Funkversorgung nennt man das!" kläre ich meine Frau auf. "Ja, aber das ist ja nun behoben. Die Verständigung ist jetzt gut."

"Dann sag, was du auf dem Herzen hast. Wieso bist du da in diesem komischen Gebäude und noch dazu im siebten Stock?" - "Ich war beim Arzt. Der hat hier seine Praxis." - "Wieso? Bist du krank?"

"Nicht direkt. Der Arzt sagt, ich bekäme ein Kind. Stell dir das vor! Was sagst du nun? Wir bekommen ein Baby. Freust du dich?"- "Ja, sicher", sage ich. "Gratuliere! Und ich weiß auch schon, was ich unserem Baby, sobald es auf der Welt ist, schenken werde."

"Wirst du es mir verraten?"

"Klar - ein Handy!"