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24.01.04 / Der Niedergang des Landes geht weiter / Rot-Grün hat abgewirtschaftet, und die Union steht vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Januar 2004

Der Niedergang des Landes geht weiter
Rot-Grün hat abgewirtschaftet, und die Union steht vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte
von Uwe Greve 

Falscher Optimismus ist Feigheit", formulierte ein deutscher Philosoph des 20. Jahrhunderts. Und in der Tat wäre es feige, nicht zu erkennen, daß der schleichende Niedergang Deutschlands unter Rot-Grün weiter voranschreitet. Von vielen in seiner Dramatik nicht erkannt, weil der Abstieg aus hohem Niveau erfolgt. Noch gibt es viele Millionen Deutsche, die wissen, daß Werte wie Gemeinsinn, Fleiß, Tatkraft, Zivilcourage, Solidarität, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Opferbereitschaft und Barmherzigkeit keine "Sekundärtugenden" sind, sondern unverzichtbare Grundlagen unseres Gemeinwesens. Noch engagieren sich Millionen Bürger für die Allgemeinheit und opfern Freizeit für soziale Tätigkeiten. Noch sind es Millionen Deutscher, die nicht vergessen haben, daß unsere Freiheit auf einem funktionsfähigen Staat beruht und die Atomisierung in einer Single-Selbstverwirklichungsgesellschaft das Ende nicht nur unserer Demokratie, sondern der deutschen Geschichte insgesamt bedeutet, wenn sie nicht gebremst wird. Die Defizite sind überall sichtbar. 

Noch immer wird jede positive Tradition in ihrer Entfaltung gehemmt. Noch immer werden die Rudimente unseres Nationalbewußtseins weiter zugeschüttet, wird die deutsche Geschichte auf die zwölf verfehlten Jahre des Nationalsozialismus reduziert, als seien die 1.200 anderen Jahre nur eine unbedeutende Marginalie. Noch immer schrumpft der Mittelstand dahin, und mit ihm der zentrale Pfeiler der sozialen Marktwirtschaft. Die Zahl der Insolvenzen erreichte 2003 neue Rekorde. Die international orientierten Konzerne nutzen die deutschen Ressourcen in der Ausbildung, versteuern aber ihre Gewinne dort, wo wenig Gewinnsteuern gefordert werden. Spitzenkräfte unter den Erfindern, Technikern und Wirtschaftlern wandern in immer größerer Zahl - insbesondere in die USA - ab, während die Mehrheit der Zuwanderer in die Sozialhilfe fällt. 

Die Integration großer Ausländergruppen ist auch nach linkem Verständnis gescheitert. Unsere wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit wird seit langem von falschen Schlagwörtern geprägt. Vor zwei Jahrzehnten machte die Behauptung, wir seien auf dem Wege von der Produktions- zur Dienstleistungsgesellschaft, Furore. Dabei verkannten auch vielgelobte Experten, daß viele Dienstleistungen nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn das Geld dafür schwerpunktmäßig in der Produktion verdient wird. 2003 mußte jetzt vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden erstmals auch im Dienstleistungssektor ein Rückgang der Stellen registriert werden. Aber unsere Wirtschaftsvordenker haben der Gesellschaft der Zukunft schon einen neuen Namen gegeben: "Informationsgesellschaft" beziehungsweise "Wissensgesellschaft". Selbstverständlich ist Wissen ein entscheidender Zukunftsfaktor für alle modernen Industriestaaten. Das war aber nie anders. Doch der über das Bildungssystem und die Kultur hinausgehende Fluß von Wissens- und Informationsströmen kann nur weiter wachsen, wenn er sich auf die vielseitige Produktion unterschiedlichster Güter bezieht. 

Politiker, die glauben, daß Deutschland mit immer weniger Produktion seinen hohen Wissens- und Wohlstand halten kann, werden bald aus diesem Traum herausgerissen werden. Ebenso unsinnig ist das ständige Schielen auf die Aktienkurse. Nur zwei Prozent der deutschen Unternehmen sind Aktiengesellschaften, wenn darunter auch viele renommierte sind. Entscheidend für die wirtschaftliche Zukunft ist jedoch nicht die Situation der Aktiengesellschaften, sondern die der mittelständischen Personenunternehmen aller Art, insbesondere der mittelständischen Produzenten, des Handwerks, der Freiberufler, des mittelständischen Handels und der Landwirte. Hier wird der größte Teil des Steuereinkommens erwirtschaftet. Hier liegt die Mehrheit der Arbeitsplätze. In der Gesundheitspolitik wird gegen Alte polemisiert, denen nach Wunsch und Willen selbst junger CDU-Politiker teure Therapien verweigert werden sollen, während zur selben Zeit die nachwachsende Generation sich in einem katastrophalen Gesundheitszustand präsentiert, der ahnen läßt, welche Therapiekosten auf uns zukommen, wenn diese Generation die mittleren Jahre erreicht. 

Noch nie war die Zahl der übergewichtigen Kinder so groß, noch nie die Bewegungsarmut des Nachwuchses so ausgeprägt wie heute. Noch nie außerhalb von Kriegszeiten die Ernährung der Jugend so gesundheitsfeindlich wie heute. In der Außenpolitik arbeiten Fischer und Genossen am Aufbau eines europäischen Bundesstaates mit zentralistischem Zuschnitt, die Tatsache negierend, daß im letzten Jahrhundert alle staatlichen Großkonstruktionen zusammengebrochen sind. Statt einen lebenskräftigen Staatenbund zu bilden - erst zu erweitern und dann zu vertiefen -, wiederholt die EU die Fehler, die nach den Zusammenbrüchen Österreich-Ungarns, des Osmanischen Reiches, aller kolonialen Staatsgebilde, Jugoslawiens und der Sowjetunion hätten erkannt werden müssen. Noch nährt der Kanzler die Mär vom "reichen Deutschland", während im Lande sich auf allen Verwaltungsebenen Schuldenlasten angehäuft haben, die kommenden Generationen jeden finanziellen Spielraum nehmen. 

Städte verkaufen ihre Rathäuser an US-Investoren, um die klaffendsten Finanzlücken zu schließen, doch das Geld verschwindet wie der Tropfen auf dem heißen Stein für konsumtive Zwecke. Der Deutsche Gemeindetag befürchtet, daß in Kürze die ersten Gemeinden insolvent sind und unter Zwangsverwaltung gestellt werden müssen. Bund und zahlreiche Länder rufen die erhebliche Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts aus und machen neue Milliardenschulden. Unser Land, das über länger als ein Jahrhundert Ingenieure und Techniker in alle Welt exportiert hat, bettelt im Entwicklungsland Indien um Computerexperten. 

Deutlicher kann der Niedergang unseres einst weltführenden Bildungssystems nicht gekennzeichnet werden. Einflußreiche Medien verbreiten weiter den Geist der Spaßgesellschaft, verführen die Jugend zum "Megakick" statt zum verantwortlichen Handeln für sich und zukünftige Generationen. Doch der Katalog ist damit keinesfalls erschöpft: Vernachlässigung der Eliten, deren Kraft es allein möglich macht, Kranken, Schwachen und Behinderten ein menschenwürdiges Dasein zu verschaffen; Überbewertung der Minderheiteninteressen gegenüber der Mehrheit; den Verbrechern mehr Aufmerksamkeit widmen als den Opfern; der internationalen Kriminalität durch liberalistische Schwarmgeisterei von absoluter Freiheit in Deutschland Tätigkeitsraum bietend - so zeigt sich Deutschland heute. Und jede Woche neue Schreckensnachrichten: Pädophile bemühen sich um Vereinsgründungen, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften kämpfen um Berücksichtigung im Rentenbereich nach dem Vorbild der Familien, die Zahl der Sozialhilfeempfänger erreicht ungeahnte Spitzenwerte. 

Und mit der Ausbildungsplatzabgabe ist Rot-Grün dabei, ein weiteres bürokratisches Monstrum zur Knebelung der Wirtschaft aufzubauen, das eher Lehrstellen vernichten als schaffen wird. Rot-Grün hat abgewirtschaftet. Für die Unionsparteien ist der Reformstau die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Führungskräfte sind jetzt gefordert, sich dieser Aufgabe uneingeschränkt zu stellen. Das Volk ist viel reifer für die notwendige Generalreform, als manche Unionspolitiker in Berlin glauben. Wenn auch die Unionsparteien in den nächsten Jahren versagen, steht mehr als nur der deutsche Wohlstand auf dem Spiel.

Der Autor ist CDU-Abgeordneter des Landtags in Schleswig-Holstein.